Innenausschuss

Polizeipräsident: Polizei nicht von Clans unterwandert

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Polizeipräsident Klaus Kandt hat Vorwürfe zurück gewiesen, die Polizei sei von Clans unterwandert (Archiv)

Polizeipräsident Klaus Kandt hat Vorwürfe zurück gewiesen, die Polizei sei von Clans unterwandert (Archiv)

Foto: dpa Picture-Alliance / Britta Pedersen / picture alliance / Britta Peders

Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt hat in einer Sondersitzung eine Unterwanderung der Polizei durch Clans ausgeschlossen.

Berlin. Sie stehen massiv unter Druck: Polizeipräsident Klaus Kandt und seine Stellvertreterin Margarete Koppers. Die Vorwürfe sind anonym, aber sie treffen die Berliner Polizei und ihre Polizeiakademie, an der der Nachwuchs ausgebildet wird, schwer. Am Mittwoch mussten sich Kandt und Koppers den Fragen im Abgeordnetenhaus stellen – und die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss.

Die Berichte über die Zustände an der Polizeiakademie würden das Ansehen der Polizei beschädigen, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU, Burkard Dregger. Der Senat müsse „klaren Tisch“ machen. Sonst werde man sich „alle weiteren Schritte vorbehalten“, sagte Dregger – und sprach von der Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses. Damit war die Marschrichtung klar: CDU, FDP und AfD wollten die Vorwürfe der Disziplinlosigkeit beim Polizeinachwuchs und – gewichtiger noch – womöglich einer gezielten Unterwanderung durch Anhänger krimineller arabischer Familienclans zum Anlass nehmen, um die ohnehin angeschlagene Polizeiführung und Innensenator Andreas Geisel (SPD) vor sich herzutreiben.

Warnungen vor einem Generalverdacht

Geisel, Kandt und die Polizeivizechefin Margarete Koppers denken an diesem Tag aber nicht daran, sich in die Ecke treiben zu lassen – und gehen in die Offensive. Die Vorwürfe der vergangenen Tage seien „an keiner Stelle belegt“, sagt Geisel. Ohne Beweise würden Ressentiments gegen Polizeianwärter mit Migrationshintergrund geschürt. Polizeichef Kandt sagt: „Wir haben hier eine Diskussion, bei der alle türkisch- und arabischstämmigen Mitarbeiter sich einem Generalverdacht ausgesetzt sehen.“ Als moderne Hauptstadtpolizei mit vielschichtigen Anforderungen einer multikulturellen Weltmetropole wirbt die Berliner Polizei auf ihrer Internetseite um Nachwuchs. Doch die positive Selbstdarstellung hat Risse bekommen. Massive Vorwürfe machen seit einer Woche die Runde, ausgelöst durch anonyme Schreiben und eine Sprachnachricht aus den Reihen der Polizei.

Es geht um die Polizeiakademie, wo von 1200 Anwärtern für den mittleren Dienst 45 Prozent einen migrantischen Hintergrund haben. Etliche von ihnen sollen – so die Anschuldigungen – respekt- und disziplinlos sein, Hass verbreiten, nur schlechtes Deutsch sprechen, sich abfällig über Frauen äußern, straffällig geworden sein und die Polizei unterwandern. Am Mittwoch kämpfen nun Polizeipräsident Kandt und seine Stellvertreterin Koppers auf einer von der Opposition erzwungenen Sondersitzung des Innenausschusses öffentlich um den Ruf der Behörde mit rund 24.000 Mitarbeitern. Bis dahin gab es nur ein internes Schreiben an die Polizisten sowie die öffentliche Präsentation einer Musterklasse an der Akademie. Doch damit konnte die Lage nicht befriedet werden. Kandt und Koppers zeigen sich nun entsetzt, dass anonyme Anschuldigungen öffentliche Wellen schlagen. Kollektiv weisen sie die Vorwürfe zurück: Es gebe weder eine Unterwanderung durch arabische Großfamilien noch größere Ausfälle bei den Polizeischülern. Beide schütteln immer wieder den Kopf und lachen gequält, als die Opposition ihre Vorwürfe vorträgt.

Innenexperte Burkard Dregger von der CDU-Fraktion verweist vehement darauf, dass die organisierte Kriminalität ein starkes Interesse daran habe, ihre Leute in die Polizei zu bekommen. Unmittelbar vor der Sitzung im Abgeordnetenhaus gibt es entsprechende Warnungen. Arabische Großfamilien versuchen angeblich, so die Darstellung der Deutschen Polizeigewerkschaft, in Berlin gezielt Angehörige in den öffentlichen Dienst einzuschleusen. Es gebe „deutliche Hinweise“ auf einen solchen strategischen Ansatz, so der Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, im ZDF-„Morgenmagazin“. Dazu versuchten sie, „Familienangehörige von Straftaten frei zu halten“, um sie dann im öffentlichen Dienst unterbringen zu können. Dem widerspricht die Polizeiführung im Innenausschuss. Senator Geisel fragt im Abgeordnetenhaus: „Wird hier Stimmung gemacht gegen Migranten in der Polizei? Das werde ich nicht dulden.“ Die Berliner Polizei brauche Bewerber mit Migrationshintergrund. Die Ausbildungszahlen seien im Vergleich zu 2008 verdreifacht worden.

Eine Vielzahl von Pannen setzt Führung unter Druck

Dabei gibt es eine Vielzahl von Pannen, die die Hauptstadtpolizei und ihre Führung unter Druck setzen. Da feierten abgeordnete Polizisten vor dem G20-Gipfel in Hamburg ausschweifend Party, da gab es verheerende Ermittlungspannen zum islamistischen Attentäter Anis Amri im Landeskriminalamt, da wurde mutmaßlich eine Razzia im Rockermilieu durchgestochen. Die Stimmung bei der Polizei sei oft schlecht, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei.

Ja, es gebe Konflikte in der Behörde, räumt die Polizeiführung ein. Nun solle die Kritikkultur verbessert werden. Der Polizeipräsident hat die Einrichtung eines Blogs angekündigt. Mitarbeiter könnten auch eine vertrauliche Mail schreiben. Und Vizepräsidentin Koppers meint zu der Akademie: „Es gibt dieselben Disziplinlosigkeiten wie an jeder anderen deutschen Schule.“ Aber ist das wirklich so? Sind Polizisten ganz normale Schüler? In diesem Jahr sind an der Akademie 33 Disziplinarverfahren eingeleitet worden – etwa wegen Täuschung in Prüfungen, Beleidigung, Körperverletzung oder Fernbleiben vom Dienst, muss Koppers berichten. Drei Fälle seien abgeschlossen. Sie endeten mit einem Verweis und zwei Entlassungen, so Koppers.

Doch eine Schlägerei an der Akademie? „Fake News“, sagt Koppers. Drogenhandel? – „Hat sich nicht bestätigt.“ Arabische Großfamilien? „Keinerlei Angehörige in Ausbildung.“ 80 Prozent der künftigen Polizisten seien „völlig pflegeleicht“, unterstreicht der Vizeleiter der Akademie, Boris Meckelburg. Laut Polizei gibt es aber Bewerber, bei denen Respekt, Disziplin und Rücksichtnahme nicht ausreichten. Einige Polizeianwärter seien zuvor straffällig geworden. Bei einem Polizeischüler, der bei einer Kontrolle in einer Bar angetroffen wurde, in der Mitglieder eines Clans verkehren, werde demnach die charakterliche Eignung überprüft. Koppers: „Es sieht nicht gut aus für den jungen Mann."

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( BM )