Insolvenz

Air-Berlin-Mitarbeiter: "Wissen nicht, wie es weitergeht"

| Lesedauer: 5 Minuten
Thomas Fülling
Beschäftigte der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin protestieren

Beschäftigte der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin protestieren

Foto: Maurizio Gambarini / dpa

Mitarbeiter der insolventen Air Berlin befürchten das Aus zum Monatsende. Bei der Finanzierung einer Auffanglösung hakt es bislang.

Flugbegleiterin Anika ist es eigentlich gewohnt, vor vielen Menschen zu sprechen. Doch als sie unter ihren Air-Berlin-Kolleginnen und Kollegen steht, versagt ihr beinahe die Stimme. „Das ist für uns ein Riesendrama: Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Es kann doch nicht sein, dass Ende des Monats 7000 von uns auf der Straße stehen“, ruft sie mit zitternder Stimme in das Mikrofon. Es gibt tosenden Beifall für Anika und ein Trillerpfeifenkonzert.

Gut 250 der in der Hauptstadt beschäftigen Air-Berlin-Mitarbeiter haben sich am Montag kurz nach 12 Uhr im Innenhof der Konzernzentrale am Saatwinkler Damm versammelt, um ihren Ängsten und Sorgen lautstark Luft zu machen. Die Gewerkschaft Verdi hatte zu einer „aktiven Mittagspause“ aufgerufen. Mit der Protestaktion wollte Verdi vor allem ihren Forderungen nach der Gründung einer Transfergesellschaft für Beschäftigte Nachdruck verleihen.

Die Zukunftsaussichten sind für Air-Berlin-Mitarbeiter, die nicht zu den hoch qualifizierten Piloten und IT-Technikern gehören, offenbar nicht allzu rosig. Nach der in der vorigen Woche getroffenen Vereinbarung will die Lufthansa zwar für 210 Millionen Euro insgesamt 81 der noch verbliebenen 134 Flugzeuge und eine große Zahl von Start- und Landerechte von Air Berlin übernehmen, nicht jedoch einen vergleichbaren Anteil an Mitarbeitern.

Lediglich für die in Österreich ansässige Ferienflugtochter Niki und die Dortmunder Luftverkehrsgesellschaft Walter (LGW) wurde eine Komplettübernahme und damit auch ein Betriebsübergang für die dort beschäftigten Mitarbeiter vereinbart. Anschließend hieß es, bis zu 3000 der insgesamt 8200 Air-Berlin-Mitarbeiter könnten zur Lufthansa wechseln. Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann sprach gar davon, dass es für 80 Prozent der Mitarbeiter gute Jobperspektiven gebe.

Beschäftigte sehen für sich nur geringe Chancen

Doch für die Beschäftigten vor Ort stellt sich die Situation derzeit ganz anders da. „Die Angebote für uns sind bisher mehr als dürftig“, sagt Andrea, die stellvertretende Vorsitzende der Personalvertretung für das Kabinenpersonal. Aus Sorge vor Restriktionen des Arbeitgebers will sie Journalisten nur ihren Vornamen nennen. Es sei eine Schande, dass die Politik zwar 150 Millionen Euro für den Flugbetrieb der Air Berlin bereitstelle, damit Unternehmen wie Lufthansa oder Easyjet etwas angeboten werden könne. Zugleich gebe es jedoch kein Geld zur sozialen Absicherung der Mitarbeiter, so ein anderer Gewerkschafter. „Wir wollen ein faires Angebot für alle“, fordert Verdi-Gewerkschaftssekretär Holger Rößler.

Rund 750 Purser und Flugbegleiter hat Air Berlin nach Verdi-Angaben in Berlin stationiert. Eine von ihnen ist 49-jährige Svenja K. „Ich bin seit 23 Jahren dabei, erst bei LTU, dann bei Air Berlin. Bin immer Langstrecke geflogen, damit ist nun von einem Tag zum anderen Schluss“, sagt sie mit großer Verbitterung. Anders als die Kollegen von Niki und der LGW müssten sich von den Flugbegleitern der Air Berlin nun jeder einzelne bei anderen Arbeitgebern um einen neuen Job bemühen.

Wie schwer das sei, hätten die ersten Jobmessen gezeigt, die in der vorigen Woche stattfanden. Mit dabei sei auch die Eurowings gewesen, die Billigtochter der Lufthansa. „Die haben uns 30 Jobs angeboten – für mehr als 700 Flugbegleiter. Wo sind denn da die bis zu 3000 Stellen für Air-Berlin-Mitarbeiter, von denen Lufthansa-Chef Spohr gesprochen hat“, fragt sich Svenja K. Vor allem ältere Kolleginnen und Kollegen hätten ihrer Ansicht nach kaum eine Chance, wieder eine gleichartige und vor allem eine gleich gut bezahlte Beschäftigung zu erhalten. „Ich kann jetzt vielleicht zu einem Low-Cost Carrier gehen, dann aber für ein Drittel weniger Gehalt“, sagt die 49-Jährige.

"Ich werde wohl die Stadt verlassen müssen“

Kaum besser sind nach Meinung von Holger Hammes die Jobaussichten für viele der rund 1100 Mitarbeiter, die in der Berliner Verwaltung der Airline beschäftigt sind. Hammes, der auch im Betriebsrat sitzt, ist am Saatwinkler Damm für die Organisation des Flugbetriebs mit verantwortlich. „Eine hoch spezialisierte Tätigkeit. Es ist sehr schwierig, in Berlin etwas Adäquates zu finden. Ich werde wohl die Stadt verlassen müssen“, fürchtet der 48 Jahre alte Ingenieur.

So wie ihm gehe es vielen in der Air-Berlin-Zentrale, sagt er. Gerade deshalb sei es wichtig, eine Transfergesellschaft zu gründen. Sie würde einerseits die Mitarbeiter für eine Übergangszeit sozial absichern und ihnen gleichzeitig etwas mehr Zeit verschaffen, einen neuen Job zu finden. Auch könnten durch eine solche Gesellschaft Qualifizierungen und Umschulungen organisiert werden.

Doch bei der Finanzierung einer solchen Auffanglösung hakt es bislang. Weder das Air-Berlin-Management, noch die Erwerber von Unternehmensteilen wie Lufthansa oder möglicherweise die britische Easyjet haben bislang erklärt, sich daran finanziell beteiligen zu wollen. Von den Bundesländern, in denen es Air-Berlin-Arbeitsstellen gibt, hat laut Verdi-Sprecher Andreas Splanemann bisher nur Berlin ein echtes Interesse an einem solchen Konzept bekundet. „Aus Bayern haben wir auf unsere Anfrage nicht einmal eine Antwort bekommen.“ Und in Nordrhein-Westfalen würde sich die FDP bislang querstellen, so Splanemann. „Wir brauchen eine Lösung und das möglichst schnell“, sagt er.

Mehr zum Thema:

Rosinenpickerei zu Lasten der Air-Berlin-Mitarbeiter

Lufthansa-Chef Spohr: Ein Mann mit ehrgeizigen Plänen

Air-Berlin-Mitarbeiter fordern Jobperspektive

Arbeitsagentur öffnet Büro in Air-Berlin-Zentrale

Video Playlist Insolvenz Air Berlin
Video Playlist Insolvenz Air Berlin