Fluggesellschaft

Air-Berlin-Aus: Ein Strohhalm für die Mitarbeiter

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Anette Nayhauss

Foto: DAVIDS/Sven Darmer

Nach der Pleite: Air Berlin-Beschäftigte sollen ihre Stellen verlieren. Jobbörsen sollen Abhilfe schaffen.

In der Einfahrt zum Parkplatz steht eine Gruppe von fünf Frauen, sie rauchen. „Ach“, sagt eine von ihnen, „demnächst warten wir dann alle zusammen beim Arbeitsamt.“ Die anderen lachen kurz auf. Dann ziehen sie noch einmal an ihren Zigaretten, werfen sie weg und gehen. Auf Jobsuche.

Die Frauen vor der Berliner Zen­trale von Air Berlin am Saatwinkler Damm in Charlottenburg gehören zu den Mitarbeitern, die sich mit dem Aus für die Fluggesellschaft wohl einen neuen Job suchen müssen. In Berlin sind etwa 1000 Beschäftigte von der Insolvenz des Unternehmens betroffen. Insgesamt hat die Airline noch gut 8000 Mitarbeiter. Laut Air Berlin werden Kündigungen vorbereitet, nach Informationen des Betriebsrates sollen 1400 Beschäftigte des Verwaltungs- und Bodenpersonals gehen. Das Unternehmen verhandelt mit Arbeitnehmervertretern über Sozialpläne. Um bei der Stellensuche zu helfen, hat es zwei Jobmessen organisiert.

Die Bundesagentur für Arbeit hat die Angebote durchnummeriert

An diesem Dienstag findet die erste Messe in der Kantine der Air-Berlin-Mitarbeiter statt. An den Wänden hängen noch die Plakate, mit denen die Fluggesellschaft für ihre Businessclass wirbt, etwa mit dem Spruch: „Zu bestem Essen sollte auch der Wein performen.“ Zwischen den langen Tischen, an denen sie sonst zu Mittag essen, stehen die Mitarbeiter zusammen und reden, es wird gelacht, eine junge Frau hat ihr Baby mitgebracht. Es ist ein bisschen wie bei einem Betriebsfest, wären da nicht die Stellwände mit Jobangeboten für Buchhalter, Logistikfachkräfte, Empfangsmitarbeiter.

Die Bundesagentur für Arbeit hat die Angebote durchnummeriert, die Air-Berlin-Mitarbeiter bekommen Zettel, auf denen sie passende Angebote markieren können. Viele stehen lange vor den Stellwänden, ohne eine der Zahlen anzukreuzen. „Kein Tarif“, steht unter dem Punkt „Vergütung“ bei vielen Angeboten.

„Jede Maßnahme hilft“, sagt der Verdi-Sprecher

Bei Air Berlin seien die Arbeitsbedingungen gut, sagt Andreas Splanemann, Sprecher der Gewerkschaft Verdi für Berlin und Brandenburg. Eine Stelle zu finden, zu der die eigenen Qualifikationen passen und die auch noch vergleichbar bezahlt ist, sei nicht leicht. Verdi setzt sich für eine Transfergesellschaft ein, um Zeit zu gewinnen und den Mitarbeitern den Übergang zu erleichtern.

Die Jobbörsen hält Splanemann dennoch für eine gute Idee. „Jede Maßnahme hilft“, sagt er. Das gelte auch für die Ankündigung des Senats, Air-Berlin-Mitarbeitern offene Stellen in der Verwaltung anzubieten. Es sei gut, „einen Strohhalm zu haben, nach dem man greifen kann“, so Splanemanns vorsichtige Formulierung. „Anpassungsqualifizierungen“ seien dort aber sicher ebenso nötig wie für Stellen bei anderen Unternehmen.

Um diese Jobs geht es bei der Messe. Die Deutsche Bahn, Zalando, BASF und zehn weitere Unternehmen haben Vertreter geschickt, außerdem ist die Bundesagentur für Arbeit dabei, insgesamt geht es um 500 offene Stellen. Hunderte Mitarbeiter hätten dieses Angebot genutzt, teilt Air Berlin nach Ende der Veranstaltung mit. Wer wollte, konnte schon erste Gespräche mit den Personalvertretern der Firmen führen. „Wir haben unseren Mitarbeitern geraten, mehrere Ausdrucke ihres Lebenslaufs mitzubringen“, sagt ein Air-Berlin-Sprecher.

Die Bieter-Unternehmen wollten sich die Mitarbeiter aussuchen, die jung, flexibel und nicht so teuer seien

Die Unternehmen hätten „ganz konkrete Jobangebote vorgestellt“, bei den Gesprächen sei es um „mehr als ein reines Kennenlernen“ gegangen. Es sei ein „gutes Signal, dass sich so viele Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter interessieren“, heißt es in einer Erklärung von Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann. Am Donnerstag gibt es eine zweite Jobmesse, dann wird die Eurowings-Aviation-Gesellschaft über offene Stellen informieren. Angesprochen seine dann eher Piloten, Kabinen- und Bodenpersonal, sagt der Sprecher.

Ein junger Pilot mit Fluglizenz werde schnell einen Job finden, glaubt Verdi-Sprecher Splanemann, das gelte vielleicht auch für das Kabinenpersonal. Allerdings müssten sie sich nach jetzigem Informationsstand auf die Stellen neu bewerben. Splanemann nennt es „nicht fair, dass sich die Beschäftigten neu bewerben sollen auf Jobs, die sie jetzt schon für die Lufthansa machen“. Deutschlands größte Airline hatte für ihre Billigtochter Eurowings Flugzeuge mitsamt Crews gemietet.

Die Bieter-Unternehmen wollten sich die Mitarbeiter aussuchen, die jung, flexibel und nicht so teuer seien, vermutet Splanemann. Er wirft den Firmen vor, „zum Schnäppchenpreis satte Teile des Luftverkehrs“ übernehmen zu wollen und dabei die Verantwortung für die Beschäftigten zu ignorieren.

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