Kunstaktion

Kultursenator Lederer kritisiert Besetzer der Volksbühne

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Theater-Aktivisten die Schaubühne besetzt und wollen ein eigenes Programm machen. Kultursenator Lederer findet das gar nicht gut.

Das Räuberrad ist weg, doch die alte Volksbühne lebt. Zumindest, wenn man dem Kollektiv „Staub zu Glitzer“ glaubt. Mit hunderten Unterstützern haben sie am Freitagnachmittag die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz besetzt. Und: Die Aktivisten wollen bleiben. Der Streit um Neu-Intendant Chris Dercon eskaliert damit endgültig.

Seit dem späten Nachmittag prangt an den alten Mauern der Volksbühne ein Plakat mit dem Schriftzug „Doch Kunst“ und fasst zusammen, worum es den Aktivisten geht: Ihre Kunst gegen den Kommerz. Im Sommer hatte der neue Intendant Chris Dercon die Volksbühne von Frank Castorf übernommen. Unter seiner Leitung verkomme das Theater zu einer „Eventbude“ ohne Ensemble, aber mit viel Festivalgefühl, hatte es geheißen. Zuletzt hatten 40.000 Berliner eine Petition unterschrieben, um sich gegen die neue Intendanz auszusprechen.

Die Besetzung, so eine Sprecherin der Aktivisten, sei seit mehreren Monaten vorbereitet worden, viele Berliner Initiativen hatten sich daran beteiligt und auch Volksbühnenpersonal, so hört man, sei eingeweiht gewesen. Das alles wirkte wie ein gut inszenierter Putsch gegen Dercon, den ehemaligen Museumsdirektor aus London. Die Türen der Volksbühne jedenfalls schienen den Aktivisten offen zu stehen, Einbruchsspuren waren nicht zu erkennen. In einer Pressekonferenz in der Eingangshalle des Theaters erläuterte eine Sprecherin die Gründe für die Besetzung: Es ginge um mehr als das Theater.

„Das Theater ist ein Symbol für die Stadtentwicklung als Ganzes“, so die Sprecherin. Man wolle aus dem Haus in den kommenden drei Monaten eine Art „Anti-Getrifizierungszentrum“ machen und lade das alte Volksbühnenpersonal dazu ein, diese neue Art von Theater mitzugestalten. Berlin und sein Kulturleben würden Investoren als Beute dargeboten. Dem wolle man sich mit der Besetzung entgegenstellen: „Die Befreiung des Raumes und seine anschließende Selbstverwaltung verstehen wir als künstlerischen und deshalb politischen Akt: die Stadt ist Theater, Theater ist Stadt“, sagte die Sprecherin.

Die Besetzer haben ein 96-stündiges Kultur- und Theaterprogramm vorbereitet, jeder sei eingeladen, daran mitzuwirken. „Wir wollen die Volksbühne für alle“, rief die Sprecherin unter dem Jubel vieler Aktivisten. Den Besetzern geht es offiziell nicht um die Personalie Dercon. Der könne ja in der zweiten Spielstätte der Volksbühne am Tempelhofer Flughafen bleiben und dort wirken, „aber nicht in unserem Haus“, so die Besetzer. Vor Ort waren auch Schauspieler, darunter Ben Becker.

Eine Mitarbeiterin der Volksbühne, die die Besetzung aus ihrem Kassenhäuschen verfolgte, äußerte ihre Sympathie für die Aktion. „Es ist gut, dass endlich was gegen die Kommerzialisierung in Berlin getan wird“, sagte sie, die nicht namentlich genannt werden wollte.

Was Dercon vom Theater um sein Theater hält, ist unklar. Die Volksbühne war am Abend nicht für ein Statement erreichbar. Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der Dercons Berufung noch hatte verhindern wollen, dann aber auf die unterzeichneten Verträge pochte, zeigte Verständnis für den Kampf um Freiräume in Berlin, kritisierte auf Facebook aber die Besetzung: „Was nicht geht und was auch nicht progressiv ist: Die Intendanz daran zu hindern, ihre Arbeit zu machen und sie dem Lob oder der Kritik auszusetzen“, so der Kultursenator. „Zur Kunstfreiheit gehört auch, sie den anderen zuzugestehen.“

Über das Wochenende müssen sich Dercon und Lederer überlegen, wie sie mit den Besetzern umgehen. Am Montag ist eine weitere Pressekonferenz geplant – wenn die Besetzer so lange geduldet werden.

( dpa/BM )