Birkenwerder. Innovationszentrum der BTU Cottbus hilft Brandenburger Firmen bei Digitalisierungsvorhaben

Peter Körber wirft einen Blick aufs blinkende Bedienungspanel, nickt zufrieden. Die Arbeit an den Kühlkörpern für den Hamburger Teilchenbeschleuniger ist fast abgeschlossen. Sieben Wochen waren notwendig, um die sechs Bausteine zu fertigen. „Maßarbeit“, sagt Körber. „Wir arbeiten auf mehrere Tausendstel Millimeter genau.“ Die Firma Körber und Körber Präzisionsmechanik produziert komplexe Frästeile für Luftfahrtindustrie, Medizintechnik und Telekommunikation. Selbst für die Raumstation ISS hat Körber schon Teile hergestellt. Auch weil er und Sohn Benjamin, mit dem er das Familienunternehmen in Birkenwerder führt, rechtzeitig auf den Zug der Digitalisierung aufgesprungen sind. „2011 haben die Kunden ihre Auftragszeichnungen noch per Fax geschickt“, erinnert sich Benjamin Körber. „Heute programmieren wir unsere Maschinen mittels 3-D-Modellen.“ Dabei war Vater Körber zuerst skeptisch, was die Umrüstung auf die „Industrie 4.0“ anging.

Vier Kilometer Kabel und jede Menge Software

Vier Kilometer Kabel und jede Menge neue Software waren nötig, um ein System zu entwickeln, in dem von der Lager- und Auftragsverwaltung über die Buchhaltung bis zum automatisierten Maschinenpark alles an einem zentralen Netz hängt. „Kommt nun ein Auftrag herein, spare ich mir den Gang ins Lager, um unseren Bestand zu überprüfen. Daten und Magazinbelegungen können online und in Echtzeit ein- und ausgelesen werden“, spricht Peter Körber von der neuen Effizienz. Sämtliche Fertigungsschritte sind digitalisiert. Die Zerspanungsfirma mit ihren 30 Mitarbeitern hat sich zum führenden Zulieferer mechanischer Präzisions­teile entwickelt. Ein Unternehmen mit Tradition: 1977 machte sich Körber in einem Hinterhof in Moabit selbstständig, produzierte für die Fahrzeugindustrie. Bald schon beschäftigte er 200 Mitarbeiter am neuen Firmensitz in Reinickendorf, holte den Sohn ins Unternehmen. „Bis wir wegen der Automobilkrise 2008 kurz vor der Insolvenz standen“, erzählt der Senior. „Ein Jahr feilten wir an einem neuen Konzept“, sagt Benjamin Körber. Als er 2010 die leer stehenden Hallen der Heidelberger Druckmaschinen in Birkenwerder entdeckte, fackelte das Duo nicht lange: „Mit einer Handvoll Mitarbeitern legten wir wieder los.“ Erfolgreich. Erst vor wenigen Tagen wurde die Firma mit dem Brandenburger Zukunftspreis geehrt.

Spricht Wirtschaftsminister Al­brecht Gerber (SPD) von der Digitalisierung, sieht er intelligente Fabriken, 3-D-­Drucker beim Bäcker, Drohnen, die Dachdecker unterstützen, oder Virtual-Reality-Anwendungen im Malerbetrieb vor sich. „Längst keine Science Fiction mehr“, sagt er. Allerdings auch noch kein Alltag in Brandenburg.

Dünne Personaldecken und fehlende Ressourcen würden es gerade kleinen Betrieben schwer machen, sich auf die digitale Innovation einzulassen. Das Land will helfen. Mit dem Innovationszentrum Moderne Industrie wurde vor zwei Jahren an der BTU Cottbus-Senftenberg eine Anlaufstelle für Digitalisierungsvorhaben geschaffen. Rund 150 Unternehmen nutzten bereits den Service. Geprüft würden derzeit zwei weitere Angebote: eine Beratungsstelle speziell für kleine Handwerksfirmen und eine, die Mittelständler zur Sicherheit von Daten berät.

IT-Sicherheit treibt auch Janko Schildt um. Der am Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum praktizierende Kinderarzt gründete 2008 das Medizintechnikunternehmen Emperra, arbeitet an einem digitalen Behandlungssystem für Diabetiker. Bislang würden Patienten gespritzte Insulinmengen und gemessene Blutzuckerwerte in einem Diabetikertagebuch notieren. „Doch nur jeder zweite führt das korrekt.“ Therapien würden daher oft nicht anschlagen, weil Blutzuckerwerte nicht optimal gesteuert werden könnten. Wenn sich sein Insulin-Pen am Markt durchsetze, könnten Folgeerkrankungen vermieden werden, ist Schildt überzeugt.

Smartphone-App undInsulin-Pen für Diabetiker

Die TU Dresden bescheinigt der Methode gute Aussichten. Mittels Elektronik in der Spritze und Blutzuckermessgerät können Insulinmengen, Blutzuckerwerte oder Broteinheiten digital erfasst, drahtlos übertragen, in einer Cloud gespeichert werden. „Am Computer oder über die Smartphone-App sind die lückenlos festgehaltenen Daten für Arzt und Patient einsehbar.“ Zehn Millionen Euro hat Schildt ins Projekt investiert – Risikokapital vom Land Brandenburg und privaten Investoren. Weitere 15 Millionen Euro braucht der Mediziner, die Entwicklung von „Esysta“ ist noch nicht abgeschlossen. Das Basisgerät, das zurzeit noch in der Wohnung des Patienten steht, soll verschwinden: „Daten sollen direkt ins Mobilfunknetz eingespeist werden.“ AOK Nordost und IKK Berlin haben mit Emperra Verträge abgeschlossen, 200 Diabetiker nutzen schon den digitalen Pen. „Irgendwann muss kein Patient mehr zur Behandlung ein Krankenhaus betreten“, sagt Schildt.

Beim Stadtmöblierer Wall in Velten spricht man beim Stichwort Digitalisierung vom „dritten großen Entwicklungsschub im Anschlagswesen.“ Vor 150 Jahren die Litfaßsäule, vor 50 Jahren Hans Wall mit seinen beleuchteten Glasvitrinen. Nun verändere die Digitalisierung Produkt und Profil noch einmal erheblich, erklärt Michael Wittner, der das Entwicklungszentrum in Velten leitet. Längst konzentriert sich die zum französischen Konzern JCD­ecaux gehörende Firma nicht mehr nur auf vollautomatische Toiletten oder Werbetafeln mit LED-Technik. Im Veltener Werk, in dem 250 Menschen arbeiten, ist eine mannshohe digitale Säule aufgebaut. „Die bietet neben Fahrplänen auch Infos zu Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten, kann mit Apps bestückt werden.

Weitere Neuheit, an der noch gebastelt wird: eine Art Tablet im Großformat. „Der digitale Screen kommt ohne Stromzufuhr aus, das Licht der Umgebung genügt.“ Die Berliner Verkehrsbetriebe hätten bereits Interesse signalisiert.