Berlin

Die Polizei, dein Freund und Kellner

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Charlene Rautenberg, Lorenz Vossen und Julius Betschka
Im März 2017 hatten 1200 Polizisten Nebenberufe. In den letzten drei Monaten war ein leichter Anstieg zu erkennen (Symbolbild)

Im März 2017 hatten 1200 Polizisten Nebenberufe. In den letzten drei Monaten war ein leichter Anstieg zu erkennen (Symbolbild)

Foto: dpa Picture-Alliance / Paul Zinken / picture alliance / Paul Zinken/d

Fast jeder zehnte Berliner Polizist übt eine Nebentätigkeit aus. Bei der Feuerwehr jobbt sogar mehr als jeder Fünfte zusätzlich.

Berlin.  „Die Polizei – dein Freund und Helfer“ heißt es im Volksmund. Dass Polizisten manchmal aber auch Notarzt, Kellner oder Stromableser sein können, zeigt eine Liste der Berliner Polizei über die Art der 1561 genehmigten Nebentätigkeiten ihrer Beamten, die der Berliner Morgenpost vorliegt.

Die hauptamtlichen Polizisten sind in den unterschiedlichsten Branchen unterwegs: Sie fahren Taxi oder Laster, lesen Wasser-, Gas- oder Stromzähler ab. 125 Beamte stünden als Komparsen vor der Kamera, 43 würden als Verkäufer im Laden stehen und 19 würden sich etwas Geld als Kellner oder hinter dem Tresen dazuverdienen. Die Beamten würden aber auch Lehrtätigkeiten nachgehen (109), ehrenamtliche Arbeit leisten (132) oder den Weg in die Selbstständigkeit suchen (124).

In den letzten drei Monaten ist ein deutlicher Anstieg der Nebenjobs zu erkennen

Seit Jahren blieb die Zahl der Beamten, die einer Nebentätigkeit nachgehen, relativ konstant. Von insgesamt 16.781 Beamten der Berliner Polizei waren es im Jahr 2014 1284 Polizisten, im März 2017 ging die Zahl mit 1200 nebenberuflichen Tätigkeiten leicht zurück. Mit 1561 Nebenjobs ist in den letzten drei Monaten ein deutlicher Anstieg zu erkennen. Laut Benjamin Jendro, Gewerkschaftssprecher der Polizei, könne man dazu momentan nur Mutmaßungen anstellen. „Durch eine angemessene Bezahlung unserer Beamten könnten wir dafür sorgen, dass die Polizisten keiner Nebentätigkeit nachgehen müssen“, sagt er. Bei der Besoldung sei Berlin noch immer ein „Schlusslicht“, und man könne von „Resignation“ sprechen.

Jendro nennt aber auch private Gründe für die hohe Nebenjobquote: „Bei der Berliner Polizei gibt es eine hohe Scheidungsrate, und manche Beamte entscheiden sich für einen Nebenjob, sobald die Kinder aus dem Haus sind.“ Vor allem 40- bis 50-jährige Kollegen. Die Zulässigkeit von Nebentätigkeiten wird im Landesbeamtengesetz geregelt. Versagungsgründe können eine übermäßige Beanspruchung oder Interessenkonflikte sein. Heißt: Ein Polizist könnte beispielsweise nicht ohne Weiteres in einem Sicherheitsunternehmen oder als Türsteher arbeiten.

Höchstens acht Stunden Nebentätigkeit pro Woche

Erlaubt sind maximal acht Stunden Nebentätigkeit pro Woche, also ein sechster Arbeitstag in der Woche.

Während bei der Polizei fast jeder Zehnte zusätzlich arbeitet, ist es bei der Feuerwehr mehr als jeder Fünfte. Die etwa 800 Mitarbeiter sind nach Feierabend als Fahrer, im Krankentransport oder Sicherheitsbereich tätig. Auch in den Berliner Verwaltungen verdienen sich die Beamten etwas dazu, wenn auch nicht in so großem Umfang wie bei Polizei oder Feuerwehr. Wie aus einer Anfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe hervorgeht, sind es von etwa 21.000 Mitarbeitern in den Bezirksverwaltungen 307, die einer Nebentätigkeit nachgehen, davon mehr als 80 Prozent außerhalb des öffentlichen Dienstes. In den Senatsverwaltungen sind es entsprechend 44 Kollegen, etwa die Hälfte davon kommt aus der Finanzverwaltung. Sie verdingen sich als Verkäufer, Sporttrainer, Künstler oder bei Lehr- oder Vortragstätigkeiten.

Für Luthe ist das nicht nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund fehlenden Personals sollten Beamte, die mehr arbeiten wollten, die Möglichkeit bekommen, dies in den Verwaltungen zu tun. „Dass das offenbar nicht gelingt, ist ein Zeichen von Organisationsversagen.“ Wie berichtet, fehlen in den Verwaltungen derzeit rund 4000 Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen ist jede zehnte Stelle unbesetzt.

Wegen Mangel an qualifizierten Bewerbern wurden Bewerbungskriterien angepasst

Auch bei der Polizei ist die Personaldecke dünn. In diesem Jahr sollen voraussichtlich 612 Beamte im mittleren und gehobenen Dienst eingestellt werden – bei ausreichend qualifizierten Bewerbern. Deswegen wurde die am 31. Juli endende Bewerbungsfrist um zwei Wochen verlängert. Denn es gäbe zwar genügend Interessierte, so eine Polizeisprecherin, die Anzahl derer, die für den Polizeidienst geeignet seien, reiche allerdings nicht aus, um alle Stellen zu besetzen. Wegen des Mangels an qualifizierten Bewerbern wurden bereits die Bewerbungskriterien angepasst: Auch „Lebensältere“ bis 39 Jahre können sich seit einiger Zeit bei der Berliner Polizei bewerben. Anders als in Brandenburg oder bei der Bundespolizei bleibt allerdings die Mindestgröße von 1,60 Meter bei Frauen beziehungsweise 1,65 Meter bei Männern bestehen.

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