Erst hat das Hochhausfieber in Berlin die Projektentwickler ergriffen, die hochpreisige Eigentumswohnungen in schicken Türmen an der Spree hochzogen. Jetzt wagen sich auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften an die Tower. Doch mit den seelenlosen Betonburgen der 60er- bis 80er-Jahre soll das Typenhochhaus der Zukunft so gut wie nichts mehr verbinden, versichern die Unternehmen. Lediglich der größte Vorteil der alten „Platte“ soll neu aufgelegt werden: Zeit und Kosten durch ein modulares Baukastensystem einzusparen. Anders wird es auch nicht gehen, wenn das vom Senat gesetzte Ziel, bis zum Jahr 2026 rund 60.000 neue Mietwohnungen zu errichten, noch gelingen soll, so die einhellige Expertenmeinung.
Bis 2021 sollen die ersten 30.000 der neuen Wohnungen der sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, so hat es ihnen der rot-rot-grüne Senat auferlegt, fertiggestellt sein. Doch davon sind die Unternehmen noch weit entfernt. 2016 wurden lediglich 1300 städtische Wohnungen fertig, 2017 wird mit knapp 3000 Wohnungen gerechnet. 6000 müssten es aber eigentlich jährlich sein.
„Angesichts weiter steigender Grundstücks- und Baupreise bietet sich als eines der Instrumente zur Errichtung preiswerter Wohnungen der Typenbau an“, werben die sechs landeseigenen Unternehmen in einer am Dienstag veröffentlichten Broschüre für ihre „Neuen Typen“. Namhafte Architekten haben darin verschiedene Häusertypen entwickelt, die für das serielle Bauen speziell in Berlin geeignet sein sollen. Darunter nicht nur Hochhäuser, sondern auch der klassische Berliner Häuserblock oder der Typus „Dachaufbauten“, mit denen bestehende Gebäude in innerstädtischen Quartieren aufgestockt werden können.
Vorgefertigte Baumodule aus der Fabrik
Das Typenhochhaus, das das Berliner Architekturbüro Kleihues + Kleihues entwickelt hat, zeichnet sich beispielsweise durch eine kompakte quadratische Grundrissform mit einem zentralen Kern und H-förmigen Erschließungsfluren aus. Dadurch geht kaum Raum an Erschließungsflächen verloren, um dem eigentlichen Wohnen ein Maximum an Fläche einzuräumen. „Unser Entwurf folgt dem Anspruch, durch einen hohen Grad an Flexibilität in den Geschossen möglichst frei agieren zu können“, erklärt Architekt Jan Kleihues. Dies sei vermutlich der größte Unterschied zu den klassischen Plattenbauten wie dem WBS 70 aus DDR-Produktion. „Innovativ“ sei zudem der Ansatz, durch die Vorfertigung in wettergeschützten Fabriken die Bauphasen vor Ort zu verkürzen und die Qualität der Bauteile zu maximieren.
Wie dringend erforderlich der schnelle Bau preiswerter Mietwohnungen in Berlin ist, verdeutlichen auch die Zahlen, die der Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU) am Dienstag vorgelegt hat. Demnach ist der Anteil leer stehender Wohnungen im vergangenen Jahr berlinweit von 1,7 auf 1,6 Prozent gesunken. „Damit ist ein neuer 20-Jahres-Tiefstand erreicht“, warnte BBU-Chefin Maren Kern. Die Mitgliedsunternehmen, zu denen auch die kommunalen Gesellschaften gehören, bewirtschaften 40 Prozent der Berliner Mietwohnungen. „Das Gros der Wohnungen stand dabei lediglich kurzfristig leer, etwa aufgrund eines Mieterwechsels oder baulicher Maßnahmen“, so Kern. Längerfristig leer, etwa aufgrund einer unattraktiven Lage im Erdgeschoss eines Hinterhofes, waren nur noch 700 Wohnungen. Zum Vergleich: 2001 waren es noch rund 25.000.
„Genehmigungsmanager“ in den Bauämtern gefordert
„Damit schneller gebaut werden kann, müssten auch die Behörden besser arbeiten als bisher“, forderte Kern. Die Verbandschefin schlug „Neubaubündnisse“ und „Genehmigungsmanager“ in den Bauämtern vor. Zudem plädiere der BBU entschieden für die Schließung des Flughafens Tegel, sobald der BER eröffnet worden ist. Das Areal sollte dann zügig zu einem Modellquartier der kurzen Wege zwischen Wohnen und Arbeiten mit 10.000 und mehr Wohnungen entwickelt werden.
„Berlin wird nicht darum herumkommen, wieder Großsiedlungen am Stadtrand zu errichten, weil die Flächen in der Innenstadt zur Neige gehen“, ist Maren Kern überzeugt. Deshalb habe der BBU in einer deutschlandweit einzigartigen Studie die wesentlichen Prinzipien für eine erfolgreiche Entwicklung dieser Siedlungsformen herausarbeiten lassen. Die Studie könne über den BBU bezogen werden.
Katrin Lompscher: „Berlin ist eine große Baustelle“
Berliner Hochhäuser erhalten Rauchmelder
Wohnen im Tower? Schwedischer Flughafen macht es möglich
Wenn die Mieten in Berlin ungehindert steigen