Der vom Senat verkündete Nothilfeplan für die überlasteten Standesämter in Mitte und Pankow stößt anderswo auf Ablehnung.
Am Wochenende hat der Senat auf seiner Klausurtagung „Sofortmaßnahmen“ zur Verbesserung der Situation in den Berliner Standesämtern beschlossen. Das jedoch offenbar, ohne vorher die zuständigen Bezirke zu befragen. Diese zeigten sich am Montag irritiert vom Kernstück des am Sonntag bekannt gewordenen Rettungsplans. Dieser sieht vor, dass „nun jeder Bezirk einen Standesbeamten im Rahmen der Notfallbestellung für die Bezirke Mitte und Pankow zur Verfügung stellt“, heißt es in einer Pressemitteilung der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres.
„Für eine Entsendung von Standesbeamten stehen keine personellen Ressourcen zur Verfügung“, teilt etwa der im Bezirk Steglitz-Zehlendorf zuständige Stadtrat für Bürgerdienste, Michael Karnetzki (SPD), auf Nachfrage der Berliner Morgenpost mit. Im Standesamt sei zurzeit eine Stelle unbesetzt, ein weiterer Standesbeamter sei zu einem großen Teil in andere Verwaltungsaufgaben eingebunden, begründet Karnetzki seine Ablehnung. Bereits heute würde die Anmeldung einer Eheschließung oder Lebenspartnerschaft im Bezirk etwa zwei Monate dauern, die Ausstellung einer Sterbeurkunde je nach personeller Besetzung etwa zwei bis fünf Wochen.
Vorwurf: Senat überschreitet seine Kompetenzen
Auch andere Bezirke finden den Vorstoß aus der Senatsriege gar nicht gut. „Es ist schon merkwürdig, dass wir von so einem wichtigen Schritt aus der Zeitung erfahren“, sagt etwa Sebastian Maack (AfD), Bezirksstadtrat für Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten in Reinickendorf. Eine solche Soforthilfe sei ihm auch gar nicht möglich: „Wir haben gerade erst durch interne Umstrukturierungen unsere eigenen Terminprobleme im Standesamt in den Griff bekommen und können keine Mitarbeiter entbehren“, so der Stadtrat. Das habe er auch bereits auf der von Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) einberufenen Standesämter-Krisensitzung vor knapp einem Monat mitgeteilt.
„Wir werden niemanden nach Mitte oder Pankow schicken“, stellt er deshalb unmissverständlich klar. Der Senat überschreite mit diesem Vorschlag seine Kompetenzen. Über eine Abordnung von Mitarbeitern entscheiden ausschließlich die Bezirke selbst, sagt Maack. Der Antragsstau im Standesamt Reinickendorf etwa bei der Bestellung eines Aufgebotes habe noch im Dezember fünf Monate betragen. Durch Umstrukturierungen in den Arbeitsabläufen und der Umbesetzung von Personal sei es gelungen, die Wartezeit auf einen Termin auf zwei Monate zu senken. „Und wer ohne Termin in die Sprechstunde kommt, muss in der Regel auch nur ein bis drei Stunden warten“, so Maack weiter. Dies bedeute aber nicht, dass man nun Personal abgeben könne.
Lange Wartezeiten für einen Beratungstermin
Wie berichtet, gibt es bereits seit Monaten erhebliche Terminschwierigkeiten in den Bezirken Pankow und Mitte, insbesondere bei den Hochzeitsterminen, aber auch bei der Ausstellung von Sterbe- und Geburtsurkunden. Schon nachts hatten sich deshalb vor den Ämtern teils lange Warteschlangen von Heiratswilligen gebildet, die so versuchten, überhaupt einen Termin zu bekommen. Online einen Beratungstermin zu buchen, um das Aufgebot in Pankow zu bestellen, war erst mit einer Wartezeit von rund drei Monaten möglich, weil bis dahin alle Termine vergeben waren.
Trotz der chaotischen Zustände in den Standesämtern der beiden Bezirke haben diese aber auch am Montag keinen Gebrauch von der versprochenen Soforthilfe gemacht. Laut Martin Pallgen, Sprecher der Senatsinnenverwaltung, sei dies bis Montagmittag jedenfalls „noch nicht geschehen“. Dies wäre aber auch Angelegenheit der Bezirke.
Angespannte Lage in allen Standesämtern der Stadt
Dass bislang keine Unterstützung angefordert wurde, ist jedoch kein Indiz für eine Normalisierung der Situation in den Ämtern. Man wisse, dass aufgrund der angespannten Lage auch in den Standesämtern aller Bezirke Amtshilfe im Wege von Notfallbestellung kaum möglich sei, begründet Sandra Obermeyer (parteilos, für Linke), zuständige Stadträtin in Mitte. „Das Loch, dass in Mitte dadurch gestopft würde, würde an anderer Stelle gerissen“, sagt die Stadträtin. Eine formale Bitte um Ausleihe von Standesbeamten habe man deshalb bislang nicht für zielführend gehalten.
Dies wolle man nun jedoch nachholen. Die vom Senat ins Spiel gebrachte Variante, wonach andere Bezirke kürzer als sonst üblich ihre Standesbeamten Mitte und Pankow zur Verfügung stellten, nimmt Obermeyer jedoch als positives Zeichen. Sie sei mit Pankow im Gespräch zur Umsetzung, beide würden „formal alles in die Wege leiten“, sagte sie der Berliner Morgenpost. Es werde sicher Absprachen zwischen den einzelnen Ämtern geben. „Ich bin froh, dass es diese Perspektive gibt, Mitte wird sie nutzen“, so Obermeyer weiter. Sie hoffe, so die Bearbeitungs- beziehungsweise Wartezeiten von zwölf Wochen für Geburtsurkunden sowie mehreren Wochen für eine Eheschließung zu verkürzen.
In den Bürgerämtern habe sich die Situation aber bereits beruhigt, versicherte Martin Pallgen am Montag. Knapp zwei Wochen warte man derzeit auf die Anmeldung einer Wohnung, etwa drei Wochen für das Beantragen eines Reisepasses. Intervalle für die Terminvergabe der Berliner Bürgerämter entspreche damit den Vereinbarungen des 100-Tage-Programms des Berliner Senats, das im Januar 2017 beschlossen wurde, so der Sprecher von Innensenator Geisel.
Soforthilfe für chronisch überlastete Berliner Standesämter
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