Extremismus

Morddrohungen gegen Berliner Islam-Reformerin Seyran Ateş

| Lesedauer: 4 Minuten
Martin Niewendick
Seyran Ateş bei der Moschee-Eröffnung

Seyran Ateş bei der Moschee-Eröffnung

Weil in der von ihr gegründeten Moschee gleichberechtigt Platz für alle Menschen sein soll, wird die Frauenrechtlerin angefeindet.

Nach der Eröffnung einer liberalen Moscheegemeinde in Moabit hat die Frauenrechtlerin Seyran Ateş Morddrohungen erhalten. Am Sonntag veröffentlichte sie auf Facebook die Privatnachricht eines Users namens Mustafa O. Dieser schickte ihr ein Pistolen-Symbol zu, dazu kommentierte er: „Bald“.

Nicht nur in privaten Nachrichten, auch in Kommentarspalten auf Facebook lassen einige radikale Muslime ihrem Hass freien Lauf. „Die Alte macht grade ihr Testament“, kommentiert „Isa Sun“ unter einem Video zu der liberalen Moscheegemeinde. „Ateş ich hoffe du verbrennst in der Hölle“, schreibt ein anderer. „Fatoş G.“ empfiehlt: „Kopf gegen die Wand schlagen“. Auf Anfrage bestätigte die 54-Jährige die zahlreichen Bedrohungen.

In der vergangenen Woche hatte die deutsch-türkische Anwältin in Berlin die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet, die sich momentan in Räumlichkeiten der Moabiter St. Johannis-Gemeinde befindet. Nicht nur sämtliche Strömungen des Islams sollen hier Platz finden, sondern auch Juden, Christen und Atheisten. Frauen und Männer beten hier, anders als in anderen muslimischen Gotteshäusern, gemeinsam.

„Das muss gestoppt werden“

Der liberale Ansatz versetzt viele konservative Muslime und Islamisten offenbar in rasende Wut, wie die Anfeindungen in den sozialen Netzwerken zeigen. Ateş selbst weist in einem Video vor allem auf Beiträge eines radikalen Berliner Islamkonvertiten, Martin L., hin. Der ehemalige Reporter wirft ihr unter anderem einen „Kreuzzug gegen den Islam“ vor.

Er spricht von einem „ganz gefährlichen Projekt“ und fügt an: „Das muss gestoppt werden.“ Wer die Wahrheit verschweige, sei „ein Diener des Satans“. Daher sei er verpflichtet, Seyran Ateş' Projekt publik zu machen, da der Islam "befleckt & angegriffen wird“. In einem aktuellen Video polemisiert er gemeinsam mit einem Imam der wegen salafistischer Umtriebe in der Kritik stehenden Neuköllner Al-Nur-Moschee gegen Ateş.

L. ist in der Vergangenheit immer wieder durch radikale Äußerungen aufgefallen. Vor einem Jahr mutmaßte er, der deutsche Staat habe womöglich 9000 muslimische Kinder vergast. Ein paar Monate später zweifelte er in einem Video den Holocaust an und wünschte Juden den Feuertod. Einige Monate zuvor reiste er mit dem als extremistisch-salafistische Organisation beobachteten Verein Ansaar International an die Grenze zu Syrien, angeblich um Hilfsgüter abzuliefern.

Neben Hass-Kommentaren bekommt die Berlinerin auch Zuspruch

„Ich stelle mir die Frage: Was machen solche Leute gegen islamistischen Terror?“, sagt Seyran Ateş in einer Videobotschaft. „Warum sehe ich diese Leute nicht Videos gegen den IS, Boko Haram, Al Kaida und so weiter machen?“ Sie kämpfe gegen den Islamismus mit dem Islam. Wer das nicht verstehe, sei Teil des Problems. Neben Hass-Kommentaren bekommt die Berlinerin aber auch Zuspruch. "Allah möge deine Arbeit an unsere Gesellschaft mit viel Erfolg belohnen", kommentiert etwa Nergiz B. Elif Y. schreibt: "Ich wünsche Dir und Deinem Projekt ganz viel Kraft! Ich weiß, dass du dich nicht unterkriegen lassen wirst."

Ateş weiß, dass mit Mordrohungen nicht zu spaßen ist. 1984 erschoss ein Mitglied der rechtsextremen türkischen „Grauen Wölfe“ ihre Klientin Fatma E. während einer Beratung in einem Kreuzberger Frauenzentrum und verletzte die Anwältin lebensgefährlich. Auch in späteren Jahren hörten die Bedrohungen und Attacken nicht auf. 2009 verkündete sie ihren Rückzug aus der Öffentlichkeit. 2016 wurde bekannt, dass sie sich zur Imamin ausbilden lässt.

Mehr zum Thema:

Ohne Burkas: In Moabit eröffnet die erste liberale Moschee

Seyran Ates eröffnet liberale Moschee - in Kirchenanbau

CDU: Senat schließt liberale Strömungen des Islam aus

Berlinerin Seyran Ates erhält das Bundesverdienstkreuz

„Ich hatte diese türkische Verwandschaft satt“