Theater

Bei „Real Magic“ ist das Leben eine ewige Quizshow

| Lesedauer: 3 Minuten
Elisa von Hof
Richard Lowdon, Jerry Killick und Claire Marshall (v.l.) spielen in „Real Magic“ auf der Bühne ein Quiz. Dafür werden Nerven aus Stahl benötigt

Richard Lowdon, Jerry Killick und Claire Marshall (v.l.) spielen in „Real Magic“ auf der Bühne ein Quiz. Dafür werden Nerven aus Stahl benötigt

Foto: Hugo Glendinning

Die Inszenierung „Real Magic“ katapultiert die Zuschauer in eine ewige Quizshow. Dabei kann keiner gewinnen.

Das ganze Leben ist ein Quiz. Man weiß nie so ganz, was als Nächstes passiert. Und wenn man eine Frage falsch beantwortet, dann erfährt man das erst, wenn es zu spät ist. Wirklich schmerzhaft wird es, wenn man immer die gleichen Fehler macht und trotzdem nichts daraus lernt. Wie im Stück „Real Magic“, das zum diesjährigen Theatertreffen eingeladen wurde und am Dienstagabend Premiere im HAU2 hatte.

Der Titel hält nicht, was er verspricht. Denn magisch ist hier nichts, höchstens der Spielenthusiasmus der drei Schauspieler von „Forced Entertainment“, die das Stück erdacht haben. Obwohl sie 90 Minuten die falschen Antworten auf die immer gleichen Fragen geben, wird weitergemacht, unermüdlich. Die internationale Koproduktion, die im vergangenen Jahr in Essen uraufgeführt wurde und auch in Berlin zu sehen war, setzt auf Nerven aus Stahl.

Dabei fängt das alles noch ganz harmlos an. Viel sieht man nicht auf der Bühne: Neonröhren, Kunstrasen, ein einsamer Stuhl. Claire Marshall, Jerry Killick und Richard Lowdon – einer ist halb nackt, einer steckt im zu großen Anzug, einer gar im Hühnchenkostüm – spielen gemeinsam ein Quiz. Der eine soll erraten, an welches Wort der andere gerade denkt. Das steht auf einem Pappschild geschrieben, das nur dem Publikum gezeigt wird. Ist das Wort nach drei Versuchen nicht erraten, ist der Nächste dran.

Abwechselnd schlüpfen die drei in die Rollen des Kandidaten, Gegenkandidaten und Quizmasters. Was zuerst nach einem Crash von „Wetten, dass..?“ und italienischer Gameshow aussieht, entpuppt sich nach und nach zu einem existenziellen Spiel, das Samuel Beckett sich nicht besser hätte ausdenken können. Denn es sind immer die gleichen Wörter, die erdacht, immer die gleichen falschen Vorschläge, die gebracht werden. Claire, Jerry und Richard, die auf der Bühne auf ihre Nachnamen verzichten, sind gefangen in einer hirnlosen Unterhaltungsdiktatur, die Neonröhren sind eigentlich Gefängnisstäbe, die eingespielten Tonbandlacher bloß das Hintergrundrauschen der Quiztristesse. Ausbrechen kann man nicht.

Wie oft die drei diese Wortfindungsshow aufführen, lässt sich so schnell nicht mehr zählen. Obwohl eigentlich identisch, wird jede Szene ein bisschen anders interpretiert. Mal dauert die Prozedur wenige Sekunden, da fliegen den Zuschauern bloß Satzfetzen der ewigen Dialoge entgegen, mal ziehen sich die Minuten so quälend, als sähe man einem Autounfall in Zeitlupe zu. Spätestens dann will man unbedingt eingreifen in dieses Spiel mit der Scheinfreiheit. Aber stoppen ist unmöglich. Was zu Beginn etwa so lustig ist wie der sechste Toast bei „Dinner for One“, tut irgendwann bloß noch weh. Denn selbst als Richard und Claire sich verliebt in die Augen schauen und er ihr die richtige Antwort zuflüstert, kann sie dem Zwang nicht widerstehen, die falsche zu nennen. „Forced Entertainment“, die sich 1984 im britischen Sheffield gründeten, sind zum ersten Mal Gast auf dem Theatertreffen. In ihrer Quizshow kann niemand gewinnen.