BrieselaNG. Wer bei Zalando arbeitet, sitzt nicht. Er steht – oder läuft den ganzen Tag hin und her. Musik ertönt aus den Lautsprechern in den drei riesigen Hallen. Im Lager des Online-Mode-Versandhändlers im havelländischen Brieselang stapeln sich mehrere Millionen Waren. Sie müssen sortiert und verpackt werden, nach einem ausgeklügelten System eingescannt und am Ende über lange Förderbänder verladen werden. „Derzeit arbeiten wir im Drei-Schicht-System“, erläuterte Standortleiter Robert Fix am Donnerstag den Besuchern am Tag der offenen Tür. Drei Schichten – das bedeutet, dass es momentan gut läuft. Doch die rund 1200 Mitarbeiter sind trotzdem nicht zufrieden, wie bei einer Betriebsversammlung bereits am Dienstag deutlich wurde.
Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) wollte am „Tag der Logistik“ bei einer für ihn organisierten Führung hinter die Kulissen gucken. Standortleiter Fix führte ihn durch die Hallen. Doch so ganz transparent ging es dann aber doch nicht zu: Ein Foto durfte nicht gemacht werden. Pressefotografen wurden abgewiesen.
Konzernumsatz konnte weiter deutlich gesteigert werden
Das 2008 gegründete Online-Unternehmen wächst weiter: Nach den vorläufigen Zahlen konnte das Unternehmen im ersten Quartal 2017 den Konzernumsatz um 22 bis 24 Prozent auf 971 bis 987 Millionen Euro steigern. Die endgültigen Geschäftszahlen werden am 9. Mai bekannt gegeben. Die Beschäftigten in Brieselang machen sich trotz der guten wirtschaftlichen Nachrichten aber Sorgen. Denn Zalando kann Ende 2018 aus dem laufenden Mietvertrag am Standort Brieselang aussteigen. Das börsennotierte Unternehmen hat seinen Markt inzwischen auf zahlreiche Länder ausgedehnt. Im November ist der Baubeginn eines neuen Logistikzentrums in Polen vorgesehen. Brieselang wurde 2011 als erster Logistikstandort von Zalando eröffnet.
„Die Standortsicherheit hat für uns Priorität“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Carola Jassmann. „Noch vor einer besseren Bezahlung.“ Zalando-Sprecher René Gribnitz sagte dazu auf Anfrage der Berliner Morgenpost: "Wir haben einen laufenden Mietvertrag. Der Standort steht aktuell nicht zur Disposition."
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kämpft dafür, dass Zalando seine Beschäftigen nach dem Tarifvertrag des Einzel- und Versandhandels bezahlt. „Zalando ist kein Logistikunternehmen, sondern in unseren Augen ganz klar ein Versandhändler“, sagt Erika Ritter, bei Verdi zuständig für den Bereich Handel in Berlin-Brandenburg. „Denn Zalando verkauft seine Waren direkt an den Endkunden.“
Verhandlungen sollen Ende Mai aufgenommen werden
Die Gewerkschaft hat die Geschäftsführung von Zalando Brieselang aufgefordert, einen Tarifvertrag abzuschließen. Bis 12. Mai habe das Unternehmen Zeit, sich zu äußern, wie Ritter der Berliner Morgenpost sagte. „Wir wollen Ende Mai in die Verhandlungen gehen“, so die künftige Verhandlungsführerin. Das Ziel der Gewerkschaft sei ein Anerkennungstarifvertrag, der sich auf den Branchentarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel in Brandenburg bezieht, ein Bekenntnis zur Standortsicherheit und den Verzicht auf sachgrundlose Befristungen. „Die Beschäftigten im Lager erhalten nur 10,12 Euro pro Stunde“, so Ritter. Im Vergleich zum Branchentarifvertrag bekommen die Zalando-Beschäftigten deutlich geringere Löhne, zwei Tage weniger Urlaub, ein Drittel der Urlaubs- und Weihnachtszuwendung sowie geringere Zuschläge. „Gefordert sind Vergütungen von mindestens 11,71 Euro pro Stunde. Monatlich wären das 1932 Euro.“ Sie bescheinigt Zalando aber auch: „Sie sind dort auf gutem Weg.“
Wirtschaftsminister Gerber hatte die Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung ermuntert, Gewerkschaftsmitglied zu werden.