So sieht sie also aus, die Rückeroberung eines Ortes: Ab April verlangsamt sich der Verkehr zu beiden Seiten des Bundesplatzes auf 30 Kilometer pro Stunde. Und in Höhe der Mainzer und Tübinger Straße werden die Gehwege um mehrere Meter vorgezogen, um die Querung für Passanten zu erleichtern und sicherer zu machen. Und Autofahrer? Sie müssen ab kommendem Monat an den neuen Nadelöhren mit nur einer Spur vorlieb nehmen.
„Rückeroberung“ – ein kriegerisches Wort für einen verkehrspolitischen Entscheid. Ein Wort, das beim Arbeitsbesuch des Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrats Oliver Schruoffeneger vor Ort gleich mehrfach fiel. Der Grünen-Politiker nahm es von sich aus in den Mund und nannte die Verkehrsberuhigung am Bundesplatz den ersten Schritt für eine ganze Serie von Veränderungen an City-West-Plätzen.
Was mit besserer Erreichbarkeit, mehr Pflege und klügerer Gestaltung beginnt, soll bei Initiativen und Gewerbetreibende die Kreativität wecken. Am Olivaer Platz ebenso wie am Steinplatz. „Es muss hier etwas stattfinden“, erhofft sich Schruoffeneger nun zunächst Aktionen von den Bundesplatz-Nachbarn. Sein Vorschlag: ein sommerliches Open-Air-Kino mit Kopfhörern. Dank des örtlichen Bundesplatz-Kinos seien die Profis gleich vor Ort. Und der Hörgenuss über Kopfhörer ließe den Verkehrskrach verschmerzbar werden. Aber auch wechselnde Ausstellungsprojekte könnten der geschundenen Freifläche eine künstlerische Nutzung verschaffen, regte der Stadtrat an.
Umzugs des Wochenmarkts von der Mainzer Straße auf den Bundesplatz
Noch näher liegt eine Belebung wirtschaftlicher Art. So hat die Bezirksverordnetenversammlung bereits einen Umzugs des Wochenmarkts von der Mainzer Straße auf den Bundesplatz gebilligt. Wenn die Gehwegvorstreckungen an den Straßenspangen zum Sommer fertig sind, will der Bezirk auch neue Stromanschlüsse bereitstellen. Dann wäre die Übersiedlung des Marktes wohl der beste Grund, über die Straßen zu hechten. Auch die Einführung eines vollwertigen Zebrastreifens an den Spangen ist aus Schruoffeneger Sicht nur noch eine Frage der Zeit.
„Mit dieser Politik der kleinen Schritte können wir leben“, zeigte sich Sabine Pentrop, die Vorsitzende der Initiative Bundesplatz, von den Neuigkeiten erfreut. Nach Jahren der planerischen und gärtnerischen Vorarbeit hatte die Initiative solche Entwicklungen immer lauter eingefordert. Im letzten Jahr hatten Landesbehörden Tempo 30 und Querungshilfen schon bewilligt, waren dann aber zurückgerudert. Begründung: Es müsse erst erwiesen sein, dass genügend Passanten die Querung nutzen, bevor man ein Tempolimit verhängen darf. Also hätten Anwohner scharenweise bei Tempo 50 über die Straße rennen müssen, um den Behörden ihre Zahlen zu geben. Die Bürger protestierten. Die Lokalpolitiker staunten. Die Verkehrslenkung schwieg.
Nun sind die Bürger aus dieser Bringschuld befreit – und nehmen den Erfolg zum Anlass für neue Wünsche. So lenkt Sabine Pentrop den Blick auf die Volkspark-Fußgängerbrücke an der Bundesallee und fordert vom Bezirksamt eine barrierefreie Straßenquerung ein. Südlich des Platzes sollten die Politiker für einen Lärmschutz an der Autobahn- und Zugbrücke sorgen – schließlich nehme die Deutsche Bahn dort demnächst ihre Gütertrasse wieder in Betrieb, sagt Sabine Pentrop. Auch Bezirksverordnete sehen sich zu neuen Forderungen inspiriert. So will Hans-Joachim Fenske von der CDU die neue Geschwindigkeitsbegrenzung überwachen lassen. „Wir brauchen hier einen Blitzer“, sagt er. „Sonst wird sich hier niemand an Tempo 30 halten.“
Verkehr in Berlin: Mehr Tempo 30 noch in diesem Jahr