Wenn alles gut geht, werden die Zwillinge von Aida Suerdieck im September in eine Schule eingeschult, die es noch gar nicht gibt. Der Brasilianerin ist wichtig, dass ihre Kinder nicht nur Deutsch lernen, sondern auch Spanisch und Portugiesisch. Und damit ist sie offenbar nicht allein. Schon jetzt gibt es für die trilinguale freie Schule im Aufbau zahlreiche Bewerbungen. Viele Interessenten aus dem Bundesgebiet würden dafür sogar einen Umzug nach Berlin in Kauf nehmen, sagt Aida Suerdieck.
Wie so oft, geht auch die Initiative zur Gründung der neuen Apego-Schule in Reinickendorf von Eltern aus, die sich für ihre Kinder eine anderes Angebot wünschen, als das was die staatlichen Bildungseinrichtungen vorhalten. Insgesamt liegen in der Senatsverwaltung für Bildung derzeit 13 Genehmigungsanträge für neue Privatschulen vor: sechs Anträge für allgemeinbildende Schulen und sieben für berufliche Schulen. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor.
Insgesamt gibt es derzeit 146 private Einrichtungen im allgemeinbildenden Bereich. Die meisten davon liegen in Pankow (21), dicht gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf (20) und Steglitz-Zehlendorf (19). Die wenigsten freien Schulen gibt es in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln. Der Bedarf ist nach Angaben des Privatschulverbandes angesichts der wachsenden Schülerzahl in Berlin größer, doch für die freien Träger wird es immer schwieriger, geeignete Gebäude oder Grundstücke zu finden.
„Für uns findet Lernen überall statt"
Die Apego-Schule soll voraussichtlich in ein Anwesen mit großem Außengelände in Frohnau einziehen. „Wir führen gerade ganz aussichtsreiche Verhandlungen“, sagt Aida Suerdieck. Die Lage wäre perfekt. Zum einen gebe es eine günstige Verkehrsanbindung, gleichzeitig biete sie die Möglichkeit, die Vorzüge der Stadt mit den Vorteilen der Stadtgrenze und ihrer Natur zu verbinden. „Für uns findet Lernen überall statt und eine große Stadt wie Berlin bietet da viel Potential“, sagt die Initiatorin. Die neue Schule soll sich nicht nur durch ihr Sprachangebot von anderen unterscheiden. Schulklassen soll es dort nicht geben. Stattdessen lernen die Kinder vom ersten bis zum zehnten Jahrgang in interessenbezogenen Gruppen. Die Kinder entscheiden wann, was, wo, wie, womit und mit wem sie lernen wollen. Die Lehrer sehen sich als Lernbegleiter auf Augenhöhe.
Um das Gebäude schultauglich umzubauen, will die Gründungsinitiative im April eine Crowdfunding-Kampagne starten. Die anderen geplanten Neugründungen, die einen Genehmigungsantrag gestellt haben, sind meist Erweiterungen von bereits bestehenden Einrichtungen. So will beispielsweise die vor einem Jahr gestartete Freudberg-Schule in Wilmersdorf ab September die Sekundarstufe ausbauen und eine siebente Klasse aufnehmen. Das Konzept wurde von dem renommierten Pädagogen Jens Großpietsch gemeinsam mit Kollegen entwickelt. „Man kann Grundschulpädagogik in der Pubertät nicht einfach linear fortsetzen“, sagt Großpietsch, der jahrelang eine staatliche Vorzeige-Schule leitete. Dieses Alter sei ein Einschnitt im Leben der jungen Menschen, im Gehirn finde ein großer Umbau statt, der Auswirkungen auf das Lernen habe, sagt Großpietsch. Neben der Vermittlung der Kernfächer geht es um das selbstständige Aneignen von Konzeptwissen und um forschendes Lernen. Die Heranwachsenden sollen lernen, wie sie Wissen zu einem bestimmten Thema sammeln, aufbereiten und erklären können.
Viele Antragsteller sind Träger von Kitas oder Horten
Ebenfalls eine Sekundarstufe hat die Freie Schule Kreuzberg im Bergmannkiez beantragt. Und auch die freie Waldorfschule in Schöneberg hat den Ausbau eines weiteren Jahrgangs beantragt, um die Schüler auf das Abitur vorzubereiten. Bei den berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft gibt es vier Anträge für Fachschulen im Bereich Sozialpädagogik und Sozialassistenz. Angesichts des Fachkräftemangels an den Kitas sind zusätzliche Ausbildungsplätze in dieser Branche auch dringend nötig. Teilweise sind die Antragsteller selbst auch Träger von Kitas oder Horten.
Ob tatsächlich alle angemeldeten Projekte schon zum kommenden Schuljahr umgesetzt werden, steht noch nicht fest. Aida Suerdieck jedenfalls ist zuversichtlich, dass die Apego-Schule im September eröffnen kann. Am 31. März findet eine erste Informationsveranstaltung statt, zu der sich bereits 40 Familien angemeldet haben.