Update, Montag, 6. März: Der Berliner Flughafenchef Karsten Mühlenfeld verlässt vorzeitig das Unternehmen. Sein Nachfolger wird der Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD).
Nach intensiven Gesprächen ist jetzt auch Brandenburg bereit, einen Wechsel an der Spitze der Flughafengesellschaft zu akzeptieren. Dies ist nach Informationen der Berliner Morgenpost das Ergebnis der laufenden Spitzen-Gespräche zwischen Bund, Berlin und Brandenburg in der Führungskrise am neuen Hauptstadtflughafen BER. Der Mitgesellschafter Brandenburg hält nicht mehr am bisherigen Geschäftsführer Karsten Mühlenfeld fest. „Wir würden uns einer Lösung, die einigermaßen überzeugend ist, nicht verweigern“, sagte der Vize-Aufsichtsratschef aus Brandenburg, Rainer Bretschneider, am Sonnabend der Morgenpost.
Wie aus Flughafen-Kreisen zu erfahren war, könnte die Lösung der derzeitige Finanzchef am Münchner Flughafen, Thomas Weyer, sein. Der Manager mit sehr gutem Ruf soll seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert haben, wie am Sonnabend aus politischen Kreisen verlautete. Allerdings ist er noch vertraglich in München gebunden. Der 56-Jährige war von 2004 bis zu seinem Wechsel nach Bayern 2008 technischer Geschäftsführer der Flughafen Berlin Schönefeld GmbH. Er würde nach Recherchen der Berliner Morgenpost auch vom Brandenburger Gesellschafter als Mühlenfeld-Nachfolger akzeptiert.
Im Gespräch sind seit Tagen auch der Geschäftsführer des Flughafens Köln/Bonn, Michael Garvens, sowie Michael Clausecker, ehemaliger Bombardier-Chef und derzeitiger Rheinbahn-Chef. In den vergangenen Tagen fielen auch die Namen der Aufsichtsräte Rainer Bomba, Verkehrs-Staatssekretär beim Bund, sowie Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär in der Berliner Senatskanzlei.
Bereits der dritte Flughafenchef scheitert
Mit Mühlenfeld ist bereits der dritte Geschäftsführer am neuen Großflughafen BER gescheitert. Rainer Schwarz wurde entlassen, Hartmut Mehdorn warf nach Auseinandersetzungen mit dem Aufsichtsrat hin. Alle drei Top-Manager bekamen die Baustelle nicht in den Griff. Der Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ ist auch mehr als zehn Jahre nach Baubeginn nicht fertig, fünf Mal wurde seine Eröffnung angekündigt und dann doch verschoben. Der zuletzt für Ende 2017 angestrebte Termin wurde im Januar dieses Jahres aufgegeben. Inzwischen ist von Sommer 2018 die Rede. Die Kostenuhr tickt beständig weiter: Jeder Tag der Nichteröffnung des BER kostet je nach Rechnung zwischen einer und 1,3 Millionen Euro.
Die Führungskrise am Hauptstadtflughafen offenbart aus Sicht der Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland schwerwiegende Strukturprobleme im Unternehmen. Der Flughafen-Aufsichtsrat greife zu tief in operative Belange und damit in Aufgaben der Geschäftsführung ein, sagt der Vorstandschef des Vereins, Peter Dehnen (siehe unten). Immer wieder haben Politiker in das Vorhaben hineinregiert. Auslöser für die jüngste Führungskrise war die eigenmächtige Entscheidung von Flughafengeschäftsführer Mühlenfeld, nach der Eröffnungsterminabsage im Januar seinen Technikchef Jörg Marks hinauszuwerfen und durch den von ihm angeheuerten Projektleiter Christoph Bretschneider mit einem Tageshonorar von 1700 Euro zu ersetzen. Mühlenfeld begründete dies damit, dass unter Marks seit Monaten sämtliche Termine geplatzt waren. Ihm selbst wird vorgeworfen, er habe die Personalentscheidung gegen den erklärten Willen der Aufsichtsräte vollzogen.
Nach fast achtstündigen ergebnislosen Krisenberatungen am Mittwoch wird der Aufsichtsrat an diesem Montag aller Voraussicht nach eine Lösung präsentieren. Wie sind die Interessen der drei staatlichen Gesellschafter?
Das Land Berlin
Berlin ist gemeinsam mit Brandenburg Haupteigentümer der Flughafengesellschaft. Beide halten je 37 Prozent der Anteile. In der öffentlichen Wahrnehmung liegt die Führung des Projekts in hauptstädtischer Hand. Denn bis auf ein kurzes Intermezzo des damaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) 2013 war der Regierende Bürgermeister von Berlin stets auch der Chef des Aufsichtsrats.
Das hatte zur Folge, dass die bisherigen Pleiten am BER in erster Linie als Versagen der Berliner Politik angesehen werden. Berlin wollte mit dem Hauptstadtflughafen in Schönefeld ursprünglich punkten: Denn ein funktionierender Großflughafen birgt große wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Chancen. Wichtig ist für Berlin auch, dass mit der Eröffnung des BER der altersschwache innerstädtische Flughafen Tegel schließen kann. Das würde nicht nur die Leistungsfähigkeit des Berliner Luftverkehrs erhöhen, sondern auch den gesamten Norden der Stadt von Fluglärm entlasten.
Aufsichtsratschef Michael Müller (SPD) drängte darauf, Flughafenchef Karsten Mühlenfeld abzulösen. Beide kamen seit Langem dem Vernehmen nach persönlich nicht miteinander klar. Die jüngste eigenmächtige Entscheidung des Geschäftsführers führte zum endgültigen Bruch. Womöglich könnte nach Mühlenfelds Abschied nun BER-Projektleiter Jörg Marks zurückgeholt werden, heißt es in Berlin. Befürchtet wird sonst unter einem neuen Geschäftsführer ein längerer Stillstand, der selbst eine BER-Eröffnung im Jahr 2018 gefährden könnte.
Das Land Brandenburg
Die Brandenburger Vertreter haben sich am vergangenen Mittwoch als einzige gegen die Ablösung von Mühlenfeld ausgesprochen. Der frühere Manager vom Triebwerksbauer Rolls-Royce war 2015 von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vorgeschlagen und durchgesetzt worden. Zwar waren auch die vier Brandenburger Aufsichtsratsvertreter von Mühlenfelds Alleingang bei der Trennung von Technikchef Marks überrascht worden, fallen lassen wollten sie ihn aber nicht. Ihr Ziel ist es, eine mögliche Übernahme des Geschäftsführer-Postens durch den Berliner Flughafenbeauftragten Lütke Daldrup zu verhindern. Sie trauen ihm die Aufgabe nicht zu. Womöglich spielt auch eine Rolle, dass Lütke Daldrup im Zusammenhang mit dem BER mehrfach das Arbeitstempo der brandenburgischen Genehmigungsbehörden kritisiert hat.
Nach dem Krisentreffen der Ministerpräsidenten Woidke und Müller mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Freitag hat Brandenburg nun also seine Blockadeposition in Sachen Mühlenfeld aufgegeben. Der stellvertretende Ministerpräsident Christian Görke (Linke) betont: „Es muss eine langfristige Lösung sein.“
Es ist allerdings damit zu rechnen, dass Brandenburg Mühlenfeld nicht ohne Gegengabe aufgibt. Offenbar wird erwartet, dass Berlins Regierender Bürgermeister Müller dafür seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender abgibt und Brandenburgs Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider den Posten übernimmt. Dies hätte wohl zur Folge, dass auch die Berliner Senatoren Klaus Lederer (Linke) und Dirk Behrendt (Grüne) den Aufsichtsrat verlassen und wie Brandenburg nur noch Staatssekretäre in das Kontrollgremium schicken.
Der Bund
Der Bund ist der kleinste Gesellschafter der Flughafen Berlin Brandenburg mbH (Anteil: 26 Prozent). Das Engagement stammt aus der Zeit kurz nach der Wiedervereinigung, in der sich der Bund in besonderer Verantwortung für die Entwicklung der neuen Bundesländer und des gerade aus der umfangreichen Sonderförderung entlassenen Stadtstaates Berlin sah. Der Bund hat es bislang am geschicktesten vermocht, dass ihm das BER-Desaster nicht in der Öffentlichkeit angeheftet wird.
Bund ist auch Miteigentümer des Flughafens München
Dem Bund wird in seiner Gesellschafterrolle der Berliner Flughafengesellschaft ein Interessenskonflikt unterstellt. Denn er ist auch Miteigentümer des Flughafens München. Der Airport in Bayern hat sich nach dem kompletten Neubau im Erdinger Moos nach Frankfurt am Main zum zweiten großen Luftdrehkreuz in Deutschland entwickelt. Auch weil zuletzt die Verkehrsminister der vergangenen Jahre stets ein CSU-Parteibuch in der Tasche hatten, wird dem Bund immer wieder nachgesagt, dass er kein allzu großes Interesse an einer schnellen Fertigstellung des möglichen Konkurrenten BER haben dürfte.
Dass der Bund gern die eigenen Interessen voranstellt, zeigt sich auch in der Frage des Regierungsflughafens. Dieser soll nach der Schließung von Tegel zum BER wechseln. Das Terminal A für den alten Flughafen Schönefeld (SXF) und die dazugehörigen Vorfeldflächen sollen dafür genutzt werden. Weil das BER-Terminal für den stark gestiegenen Luftverkehr in Berlin zu klein ausfällt, pochte Flughafenchef Mühlenfeld darauf, auch nach der Eröffnung des neuen Airports das SXF-Terminal weiter zu nutzen. Der Bund bekommt als Ersatz einen rund 80 Millionen Euro teuren Interimsflughafen ein Stück entfernt. Doch bei der Frage, wie lange das nicht gerade billige Provisorium genutzt werden soll, blieb der Bund knallhart: Nicht länger als fünf Jahre nach der BER-Eröffnung, bis dahin soll der nochmals wesentlich teurere Regierungsflughafen stehen.
Die Personalie Mühlenfeld hatte der Bund von Anfang nicht mitgetragen. Mit dem Antrag einer Sondersitzung des Aufsichtsrates brachten die beiden Vertreter des Bundes, die Staatssekretäre Rainer Bomba (Verkehr) und Werner Gatzer (Finanzen), die Mitgesellschafter in Zugzwang. Bomba wurden schon 2015, als ein Nachfolger für den damaligen Flughafenchef Hartmut Mehdorn gesucht wurde, Ambitionen nachgesagt. Auch jetzt wurde er prompt wieder als Nachfolge-Kandidat gehandelt, zudem er die Unterstützung der zehn Arbeitnehmervertreter genießt. Auch ist seine Zukunft angesichts des ungewissen Ausgangs der Bundestagswahlen im Herbst eher ungewiss.