Currywurst und Schminktücher

Die außergewöhnlichen Tipps der Touristeninformation

| Lesedauer: 5 Minuten
Patrick Goldstein
Jesus Fernandez berät in der Auskunftsstelle von Visit Berlin im „Park Inn“ am Alexanderplatz die Touristen Alex und Daniela aus Schottland

Jesus Fernandez berät in der Auskunftsstelle von Visit Berlin im „Park Inn“ am Alexanderplatz die Touristen Alex und Daniela aus Schottland

Foto: Massimo Rodari

Die Touristen-Informationsstellen der Stadt gehen auch auf besondere Wünsche von Berlin-Besuchern ein.

Vor der Tür zeigt die Fußgängerzone Alexanderplatz ihr morgendlich-winterliches Antlitz: Zwei chaotische Baustellen vor Kaufhaus und U-Bahn-Eingang, ein verlorener Schuh im trockengelegten Brunnen, eine verirrte Möwe, die sich das Beste aus dem herumliegenden Müll herauspickt. Am örtlichen Schalter einer Touristeninformation wäre da für die meisten Betrachter die erste Frage: Wie komme ich am schnellsten weit weg von hier? Doch das neu eröffnete Auskunftsbüro von Visit Berlin ist dort binnen eines Monats bereits zum 14 Stunden lang voll ausgelasteten Anlaufpunkt für Berlin-Besucher geworden, die die Stadt nehmen, wie sie ist – und hier und jetzt bitte sehr noch viel mehr davon haben wollen.

Wo sie das finden, sagen ihnen an diesem Tag Lucas Hurtado (24) und Jesus Fernandez (32), gebürtiger Aachener der eine, Spanier der andere. Zusammen sprechen sie bis hin zu Katalanisch sieben Sprachen. Das ist auch gut so. Denn anders als Deutsche, die im Ausland ihre seltsam unverständliche Sprache schüchtern im Zaum halten, fragen am Visit-Berlin-Tresen die internationalen Gäste einfach drauf los, ob in Englisch, Italienisch oder auf Französisch.

Sechs Auskunftsstellenim Berliner Stadtgebiet

Von ihren früheren Stationen an den Infoschaltern in Tegel oder am Brandenburger Tor sind Hurtado und Fernandez das gewohnt. Einzigartig dagegen: Seit ihr Arbeitgeber Visit Berlin, der städtische Tourismusvermarkter, Mitte Januar im Erdgeschoss des 150 Meter hohen Hotelturms „Park Inn“ diesen jüngsten Auskunfttresen startete, übernehmen die Ratgeber dort auch die Aufgabe eines Hotel-Concierges. Das gibt es in keiner der fünf anderen Niederlassungen. „Aber wir selbst gleichen ja auch einem Hotel“, sagt Filialchef Marko Schaffer, während er Buddy-Bären in eine Vitrine räumt. „Nur, dass wir nicht die Schlüssel zu Zimmern, sondern zur ganzen Stadt herausgeben.“

In der Praxis heiße das, so Hurtado, Hotelgästen die Online-Bestellung eines Shuttle-Services vom Flughafen zu beantworten, Mutter und Tochter aus Israel, die jetzt vor seinem Tresen stehen, einen Ausdruck mit veganen Restaurants vorzulegen oder den Taxiruf zu programmieren. Dafür stellt er auf einem Gerät von der Größe eines Navigators ein, wie viele Wagen gebraucht werden, drückt auf „enter“ und drei Minuten später sind die Fahrer da. „Wenn Messe ist, werden da schnell mal acht auf einmal gebraucht“, sagt Kollege Fernandez.

Jede Touristeninfo der Stadt hat ihre eigenen Anforderungen. In Tegel fragen Reisende nach dem Ermäßigungsausweis „WelcomeCard“ und dem besten Weg in ihre Hotels. Am Brandenburger Tor bittet man um Anregungen für weitere Sehenswürdigkeiten. Und auffälligerweise, da stimmen Hurtado und Fernandez überein, nach dem schnellsten Weg zur nächsten Toilette. Auch für jede Nationalität gibt es bestimmte Wünsche. Franzosen seien laut Fernandez an Gemäldegalerie und Hamburger Bahnhof interessiert. Als Gourmet-Spezialität empfiehlt er die Kultimbisse von Curry 36. Engländer interessierten sich für Stadtrundfahrten, Amerikaner suchen vor allem historische Orte.

Am neuen Arbeitsplatz gefällt beiden: „Hier ist es familiärer.“ Berlin-Besucher, die nach einem Tipp gefragt haben, schauen am nächsten Tag auf ein „Dankeschön“ vorbei, oder grüßen, nachdem man sich mehrmals gesehen hat mit einem weltläufigen „How do you do?“. Zudem sind die Tipp-Geber vom Alex dort auch Anbieter von Zeitungen, Bildbänden, Prospekten, auf deren Rückseite Werbung für Berliner Weiße prangt und einem ganzen Sortiment vom Deo bis zu jenen Schminktüchern, die eine Israelin soeben bezahlt. Alles gehört zum Shop des „Park Inn“, den Visit Berlin dort führt. Vor Eröffnung nahmen alle Mitarbeiter an einem Sicherheitskurs teil: Aufzüge, Notausgänge, wem auffällige Besucher zu melden sind.

Die Premiumfiliale am Alex wird neu eingerichtet

Mehr als die Hälfte des Tagesgeschäfts nehme die Concierge-Arbeit ein, schätzt Hurtado. Es ist vieles anders in dieser Niederlassung. Sie sei, so Christian Tänzler, der Sprecher von Visit Berlin die „Premiumfiliale“. Zur besseren Präsentation wird Anfang März das aus Park-Inn-Bestand stammende Mobiliar umgerüstet. Auch Hurtado und Fernandez, die sich mit vier weiteren Kollegen abwechseln, versuchen, auf dem neuesten Stand zu bleiben. „Wenn man so einen Job hat, muss man viel unterwegs sein und viel erlebt haben in der Stadt“, sagt Fernandez, der Journalismus und Tourismus studierte, in Edinburgh und Paris lebte und seit seinem Umzug nach Berlin vor zweieinhalb Jahren in Kreuzberg wohnt. Hurtado, Quereinsteiger aus dem Hotelfach und seit einem Jahr dabei, liefert gleich den Beweis, als er einem Engländer die Frage beantwortet, wann der Fernsehturm am einladendsten sei: „Ich mag es, wenn man gegen 17 Uhr da oben steht und sieht, wie die Sonne untergeht.“

Yvan aus der Nähe von Brüssel und Marie, die bei Nürnberg wohnt, sind auf Rundreise durch Deutschland. „Wir sind gekommen, weil wir Karten für Madame Tussauds, den Berlin Dungeon und Sea Life besorgen wollten, ohne alle Stationen einzeln abklappern zu müssen“, sagt der 23-Jährige. Denn Zeitverschwendung könnten sich Marie und er nicht leisten. Dafür gebe es in Berlin zu viel zu sehen.

Lesen Sie mehr zum Thema:

Ist der Berlin-Hype vorbei? Tourismus-Zahlen steigen mäßig

Ein Rückblick auf den Fall der Berliner Mauer
Bewegendes Video: Rückblick auf den Fall der Berliner Mauer