Das Vorgehen des Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne) bei der Suche nach einem neuen Berliner Generalstaatsanwalt sorgt für heftigen politischen Streit. Die Oppositionsparteien haben am Montag verärgert und empört reagiert. Die Abgeordnetenhausfraktionen von CDU, FDP und AfD beantragten eine Sondersitzung des Rechtsausschusses. Sie wollen so Aufklärung über die aus ihrer Sicht „mysteriösen Begleitumstände beim Auswahlverfahren für die Neubesetzung der Position des Generalstaatsanwaltes“ erhalten. Das Treffen wird vermutlich am morgigen Mittwoch stattfinden.
Die Stelle des obersten Anklägers ist mittlerweile seit mehr als einem Jahr ausgeschrieben. Im September 2016 hatte der bisherige Amtsinhaber Ralf Rother das Pensionsalter erreicht, er übt die Funktion nach einer Verlängerung seines Vertrages derzeit aber noch weiter aus. Für die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin hatte der damalige Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) im Juni 2016 eine Auswahlkommission eingesetzt. Für sie galten die derzeitige Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Margarete Koppers, sowie die Brandenburger Staatsanwältin Susanne Hoffmann als Favoritinnen. Aufgrund einer langwierigen Erkrankung der Polizei-Vizepräsidentin platzten jedoch sämtliche geplanten Vorstellungsgespräche.
Nach dem Regierungswechsel besetzte der neue Justizsenator Behrendt die Auswahlkommission komplett neu. Dies soll, so werfen es ihm Kritiker vor, geschehen sein, damit die eher den Grünen nahestehenden neuen Mitglieder Behrendts Favoritin Koppers für das Amt vorschlagen. Die Vorgänger-Kommission galt als eher konservativ geprägt, war aber mehrheitlich parteilos und hochkarätig besetzt. Ihr gehörten Cornelia Rogall-Grothe, ehemalige Staatssekretärin im Bundesinnenministerium; Sabine Toepfer-Kataw, damals Berliner Justiz-Staatssekretärin; Markus Jäger, Richter am Bundesgerichtshof; Holger Rothfuß, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, sowie Helmut Trost, Generalstaatsanwalt in Rostock, an.
Justizverwaltung äußert sich nicht zum Verfahren
Die Senatsverwaltung für Justiz lehnte am Montag Angaben über die neuen Mitglieder der Kommission ab. Auch zu sonstigen Äußerungen zu dem Vorgang war sie nicht bereit. „Es handelt sich hier um ein Stellenbesetzungsverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist. Nach Abschluss des Verfahrens wird die Auswahlentscheidung mitgeteilt. Während des laufenden Verfahrens äußern wir uns nicht“, teilte die Sprecherin von Justizsenator Behrendt der Berliner Morgenpost mit. Nach Morgenpost-Informationen hat sich die neue Kommission tatsächlich für Margarete Koppers entschieden.
Nach Ansicht von Juristen muss der Austausch von Mitgliedern der Auswahlkommission in einem laufenden Besetzungsverfahren sachlich begründet sein. Eine komplette Neubesetzung wird als juristisch nur schwer haltbar betrachtet. Damit dürfte der unterlegenen Bewerberin in dem Auswahlverfahren eine gute Grundlage für eine Klage geliefert worden sein. Dadurch könnte sich die Neubesetzung des wichtigen Amtes des Berliner Chefanklägers auf längere Zeit – möglicherweise zwei Jahre – verzögern.
„Wenn etwas schiefläuft, hat der Senator ein Problem“
Sven Rissmann, Rechtsexperte der CDU-Fraktion, will wissen, „ob durch die Umbesetzung der Kommission auf den Namensvorschlag bewusst Einfluss genommen worden ist oder werden sollte“. Der Justizsenator müsse in der Sondersitzung des Rechtsausschusses erklären, warum die Auswahlkommission plötzlich ausgetauscht wurde und ob er selbst Einfluss genommen habe. Oppositionspolitiker kündigten an, Akteneinsicht zu beantragen, sollten seine Antworten nicht ausreichen.
Dem Vernehmen nach soll Behrendt nicht selbst am Austausch der Kommissionsmitglieder beteiligt gewesen sein. Verwaltungsexperten halten es indes für unvorstellbar, dass er davon nichts gewusst habe. Zudem sei nicht damit zu rechnen, dass Rother noch jahrelang im Amt bleibe, hieß es am Montag in Justizkrisen. Es drohe eine monatelange Vakanz auf dem Posten. „Wenn dann in der Staatsanwaltschaft etwas schiefläuft, hat Behrendt ein echtes Problem“, so ein Insider.
Sven Kohlmeier, Rechtsexperte der SPD-Fraktion, erklärte, er kenne den Vorgang und den Personalvorschlag bislang nur aus den Medien. Vor der Sitzung könne er keine Bewertung abgeben. Der Senat ist nach Auskunft seiner Sprecherin Claudia Sünder noch nicht mit der Stellenbesetzung befasst.