Drei Jahre ist die Fehlgeburt jetzt her. Martina und Christian aus Tiergarten (Namen von der Redaktion geändert) sind beide 34, und an ihrem Kinderwunsch hat der Verlust des Ungeborenen nichts geändert. Nur wird Martina seitdem nicht mehr schwanger, trotz ärztlicher Beratung und Eisprungtests, trotz künstlicher Befruchtungen. Deshalb sind sie hier, im Konferenzraum des Mercure Hotel Moa in Moabit, auf Deutschlands erster Kinderwunschmesse. „Wir wollen sehen, was es für weitere Möglichkeiten gibt“, sagt Martina.
Es sind eben jene „weiteren Möglichkeiten“, die die Kinderwunschmesse in die Schlagzeilen gebracht haben. Denn unter den 44 Ausstellern sind auch Kliniken und Firmen, die Dienstleistungen anbieten, die in Deutschland unter das Strafgesetz fallen: genetische Tests, die auch die Vorauswahl des Geschlechts ermöglichen, Eizellenspenden, Leihmutterschaften.
David McAllister, ein Namensvetter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, ist hier, weil er eine Marktlücke entdeckt hat. Mehr als 96.000 Versuche künstlicher Befruchtung soll es 2015 in Deutschland gegeben haben. Jährlich verreisen schätzungsweise 3000 deutsche Paare ins Ausland, um sich Behandlungen zu unterziehen, die in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten sind. „Es ist ja nicht so“, sagt David McAllister vom britischen Messeveranstalter f2f-Events, „dass wir den Reproduktionstourismus erfunden hätten“. Die Nachfrage nach Beratung ist da, nur das Angebot fehlte. Bis jetzt. „Sehen Sie es doch mal so: Keines der Kinder, die mit Hilfe der Messe gezeugt werden, ist ungewollt“, sagt McAllister.
Senatsverwaltung sprach jede Unterstützung ab
Nicht alle sehen das so pragmatisch. Der Berufsverband der Frauenärzte sprach von einer Werbeveranstaltung mit keinerlei sachlichen Informationen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit sprach der Messe jegliche Unterstützung ab. 2000 Besucher erwarten die Veranstalter bei der Messe, die am Sonntag um 17 Uhr endet. 1100 haben sich vorher angemeldet, heißt es. Unter ihnen waren am Sonnabend heterosexuelle Paare, Anfang 30 bis Ende 40, lesbische Pärchen, schwule Pärchen. Und Menschen, die sich keinem der zwei biologischen Geschlechter zugehörig fühlen. Stef, 32 Jahre alt und aus Lichtenberg, stellt sich als „transgenderqueer“ vor und sagt: „In meinem persönlichen Umfeld sind keine Menschen, von denen ich ein Kind haben möchte.“
Auf der Suche nach einer vertrauenswürdigen Spermabank ist sie fündig geworden. An Stand 36, bei Cryos International aus Dänemark. Dort wählt man sich einen Spender nach persönlichem Profil und Foto aus, zahlt rund 1000 Euro und bekommt die Samen stickstoffgekühlt und per Post geliefert.
Stef, genauso wie das Pärchen aus Tiergarten, ist zufrieden mit der Messe. Die bietet neben den Infoständen auch Seminare und Vorträge mit Titeln wie „Eizellspende als Ultima Ratio“ oder „Kinderwunsch-Lifestyle und ganzheitliche Medizin.“ Mitunter sind die Räume überfüllt.
Martina und Christian stehen vor dem Infostand einer Reproduktionsklinik aus Tschechien. Die wirbt mit Fotos von Frauen mit vitalem Lächeln. Darunter steht: „Große Spenderauswahl“. Das Pärchen diskutiert darüber, ob Eizellenspenden verwerflicher seien als Samenspenden. Martina ist skeptisch, Christian sieht das lockerer. Aber dass Eizellen aus finanziellen Motiven gespendet werden, findet er falsch. Einen Flyer nehme sie aber mit.