Pendlerströme aus dem Umland wachsen. Doch die Nahverkehrsangebote reichen an vielen Stellen nicht aus. Es besteht Handlungsbedarf.
Nicht nur Berlin wächst. Auch in den Gemeinden im brandenburgischen Umland schießen in großer Zahl neue Wohnsiedlungen aus dem Boden. Und ein Großteil der „Speckgürtel“-Bewohner hat seine Arbeitsstelle in Berlin. Inzwischen pendeln rund 270.000 Menschen pro Werktag zwischen der Hauptstadt und Umland, allein rund 25.000 sind zwischen Spandau und Berlin unterwegs.
Anders als von der Politik aus Umweltschutzerwägungen gewünscht, fährt ein Großteil der Pendler mit dem Auto. Und so wälzen sich jeden Morgen die Blechlawinen über Einfallstraßen wie Avus, Heerstraße, B158 oder B1/B5 in die City und am Nachmittag in gleichem Tempo zurück. Verkehrsfunkmeldungen über kilometerlange Staus sind verlässliche Begleiter für Autofahrer und abgasgeplagte Anwohner.
Nun ist es nicht so, dass viele der gestressten Pendler nicht auch mit Bus oder Bahn fahren würden. Doch das Angebot stimmt oft nicht: Entweder stehen nur unbequeme und zeitaufwendige Umsteigeverbindungen zur Verfügung oder die Züge sind – wie allmorgendlich etwa im RE1 zwischen Frankfurt (O.) und Potsdam zu erleben – hoffnungslos überfüllt.
Zudem weist speziell das Nahverkehrsnetz gerade im Berliner Umland Lücken auf, die im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Teilung gerissen wurden. So fuhr etwa die S-Bahn in den 30er-Jahren noch bis Nauen, Rangsdorf oder Velten. Doch gerade die Umlandverbindungen wurden nach der Wiedervereinigung nur zum Teil wieder hergestellt, zuletzt 2005 mit der Verlängerung der Linie S25 bis Teltow Stadt.
Das Land Brandenburg hat das Problem lange Zeit ignoriert. Die Mittel für den Schienenverkehr waren knapp und sollten vor allem in den Erhalt des Regionalzugverkehrs in der Fläche investiert werden. Inzwischen gibt es jedoch ein Umdenken: So hat Brandenburgs Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD) beim Verkehrsverbund eine Korridoruntersuchung in Auftrag gegeben, die sich speziell mit dem Schienenverkehr zwischen Berlin und dem Umland beschäftigte. Im Herbst vorigen Jahres wurden erste Ergebnisse veröffentlicht.
Das wenig überraschende Ergebnis: Das Angebot an Schienenverbindungen stößt in fast allen an Berlin grenzenden Gebieten an ihre Grenzen. Vor allem in stark prosperierenden Regionen wie dem Havelland, Oberhavel und Teltow-Fläming besteht dringender Handlungsbedarf.
Die Studie untersucht auch Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Ganz oben auf der Liste steht dabei eine Verlängerung der S-Bahn von Spandau nach Nauen im Havelland, mindestens aber bis Falkensee (geschätzte Kosten: 250 Millionen Euro). In der Diskussion sind aber auch ein Wiederaufbau der Strecken von Hennigsdorf nach Velten (ca. 30 Millionen Euro) und von Blankenfelde nach Rangsdorf (etwa 40 Millionen Euro).
SPD-Experten fordern ein Lückenschluss-Programm
Die Fachausschüsse Mobilität der SPD in Berlin und Brandenburg haben daher über Alternativen nachgedacht. Sie schlagen ein Lückenschlussprogramm Schiene Berlin-Brandenburg vor, mit dessen Hilfe möglichst rasch bei der Bundesregierung Millionenbeträge lockergemacht werden sollen. Zugleich werden die Landesregierungen aufgefordert, bei den Planungen in Vorleistung zu gehen, damit dem Bund schnell entscheidungsreife Konzepte vorgelegt werden können.
Eine weitere Idee der Experten: Die Einrichtung sogenannter Express-S-Bahnen, die auf bereits bestehenden Gleisen für die Regional- und Fernbahn fahren sollen. Für diese Angebote würden weder besondere Fahrzeuge, noch eine separate Infrastruktur gebraucht, wie sie für die mit Gleichstrom betriebene Berliner S-Bahn erforderlich ist.
Gefordert werden auch eine Engpassbeseitigung in den Bahnknoten Königs Wusterhausen und Berlin-Spandau, der zwei- bis dreigleisige Ausbau der Kremmener Bahn zwischen Berlin-Gesundbrunnen und Hennigsdorf/Velten sowie der Wiederaufbau der stillgelegten Stammbahn, der einst ersten Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und Potsdam. Außerdem der Stammstrecke der „Heidekrautbahn“, die bis zum Mauerbau von Basdorf/Schönwalde (Barnim) bis nach Berlin-Wilhelmsruh führte. Die Idee der Express-S-Bahn von Nauen über Spandau bis in die Berliner Innenstadt wird von der Berliner Regierungskoalition unterstützt.