Berlin. Den wohl wichtigsten Satz in dem seit fast zwei Jahren dauernden und von teils absurden Showeinlagen begleiteten Rechtsstreit um das Model Gina-Lisa Lohfink hat am Freitag Ralf Fischer, Vorsitzender Richter am Berliner Kammergericht, geäußert. „Sie, Frau Lohfink, haben allen Frauen, die wirklich Opfer von Vergewaltigungen werden, einen Bärendienst erwiesen“, wandte sich Fischer direkt an die 30-Jährige.
Kurz zuvor hatte sein Senat die Revision Lohfinks gegen das Urteil des Amtsgerichtes Tiergarten wegen falscher Verdächtigung „in der Sache verworfen“, damit ist der Schuldspruch gegen das Model rechtskräftig. Dennoch wird es ein weiteres Verfahren geben, denn die verhängte Geldstrafe muss neu festgelegt werden. Das Amtsgericht habe die für die Höhe einer Geldstrafe wichtigen Einkommensverhältnisse der Angeklagten nicht ausreichend geprüft, befand das Kammergericht.
Kampf für Frauenrechte oder inszenierte Tränenshow?
Gina-Lisa Lohfink war im Sommer vergangenen Jahres zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro verurteilt worden, weil sie nach Überzeugung des Gerichts zwei Männer wahrheitswidrig bezichtigt hatte, sie vergewaltigt zu haben. Nach dem Amtsgericht Tiergarten stellte jetzt auch das Kammergericht fest: Lohfink hat gelogen und die Vergewaltigung erfunden.
Soeben noch im Dschungelcamp in Australien, jetzt im großen Sitzungssaal 145 des Kammergerichts, unter diesem Motto begann der Prozess am Freitag. Zehn Minuten vor Verhandlungsbeginn war die Angeklagte erschienen, begleitet von ihrem Verteidiger Burkhard Benecken, ihrem Manager und zwei Männern, die wohl ihre Bodyguards sein sollten. Die brauche sie nämlich inzwischen, sagte Lohfink in ihrem Schlusswort: „Nicht alle Menschen sind gut zu mir, die meisten sind böse.“
Gegen die 30-Jährige, bekannt durch TV-Formate wie „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, „Big Brother“ oder „Germanys next Topmodel“ hatte das Amtsgericht Tiergarten zunächst einen Strafbefehl erlassen. Gegen den legte Lohfink Berufung ein, daraufhin kam es zum Prozess. Der hatte deutschlandweit Aufsehen erregt und polarisiert. Die einen sahen das Model als Vorkämpferin für Frauenrechte, andere vermuteten eine inszenierte Tränenshow. Nach drei Verhandlungstagen mit mehrfachen Unterbrechungen durch tränenreiche Ausbrüche der Angeklagten bestätigte das Amtsgericht den Strafbefehl.
Auch der Prozess am Freitag war von einem großen Medienaufgebot begleitet. Vor allem Kamerateams und Fotografen drängten sich vor dem und im Gerichtsgebäude in Schöneberg.
Deutliche Worte fand Fischer am Freitag nicht nur bei seinem Satz über den „Bärendienst“. Lohfink habe ihre Privatsphäre vor Gericht und vor der Öffentlichkeit in einem großen Happening beerdigt, sagte Fischer. Sie dürfe sich nicht wundern, dass sie die Geister, die sie rief, jetzt nicht mehr los werde. „Oder aber ihr Anwalt hat sie den Haien vorgeworfen. Dann sollten Sie sich nicht beklagen sondern Ihren Anwalt verklagen“, so der Vorsitzende.
Lohfinks Verteidiger musste sich am Freitag einiges vom Vorsitzenden anhören. Man könne nur mutmaßen, ob es dem Anwalt in dem Verfahren um die Interessen seiner Mandantin oder doch eher um sein Interesse an Schlagzeilen gegangen sei, äußerte Fischer, natürlich ohne konkrete Vorwürfe zu erheben. So wunderte sich der Richter unter anderem darüber, dass das Amtsgericht Tiergarten den Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink nicht öffentlich angekündigt hatte, von Seiten der Verteidigung aber großzügig Einladungen an die Presse gegangen waren.
Richter kritisiert Ministerund Frauenrechtlerin
Danach nahm sich Fischer eine namentlich von ihm nicht genannte aber sehr bekannte Frauenrechtlerin und „Mitglieder der Bundesregierung“ vor. Die Frauenrechtlerin (Alice Schwarzer, Anm. der Red.) hatte nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch gegen Lohfink in Interviews erklärt, ab sofort müssten alle Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigen, selbst damit rechnen, verurteilt zu werden. „Das ist Unfug, wer so etwas behauptet, betreibt das Geschäft der Vergewaltiger“, erklärte Fischer unmissverständlich.
Unverständnis äußerte der Vorsitzende über ebenfalls nicht namentlich genannte Minister der Bundesregierung (Bundesjustizminister Heiko Maas und Familienministerin Manuela Schwesig (beide SPD), Anm. d. Red.) , die Lohfink zum Gesicht ihrer zum Schutz von Frauen initiierte Anti-Gewalt-Kampagne „Nein heißt Nein“ gemacht hatten. Obwohl zu dem Zeitpunkt bereits der Strafbefehl erlassen und die angeblichen Vergewaltiger schon freigesprochen waren. In der Sache beließ es das Kammergericht bei einer knappen Darstellung. Die Beweise gegen die Angeklagte seien erdrückend. Wer trotzdem beantrage, Lohfink sei unschuldig und müsse in einem neuen Verfahren freigesprochen werden, lebe in einer irrealen Welt, stellte der Vorsitzende fest.
Während der Verteidiger die Revisionsgründe erläuterte, beschäftigte sich seine Mandantin schweigend mit der eingehenden Betrachtung ihrer imposant gestylten Fingernägel, unterbrochen nur durch gelegentliches Kopfschütteln. Nach der Verhandlung verschwanden Mandantin und Anwalt durch einen Nebeneingang des Gerichtsgebäudes – wieder schweigend.