HU-Präsidentin Sabine Kunst belässt es im Fall Andrej Holm bei einer Abmahnung. Er habe die falschen Angaben zugegeben.

Es ist die Wende in einer umstrittenen Personalie: Der stasibelastete Stadtsoziologe Andrej Holm kann seinen Job an der Humboldt-Universität (HU) behalten. HU-Präsidentin Sabine Kunst hat am Freitag entschieden, statt einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen. Sie revidierte damit ihre Entscheidung vom 18. Januar. Holm habe erstmals gegenüber der Universität zugegeben, falsche Angaben zu seiner Tätigkeit im Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) gemacht zu haben und habe dies bedauert, führte Kunst zur Begründung an.

Nach Angaben der Universität habe Holm am Donnerstag folgende Erklärung abgegeben: „Ich bin mir heute bewusst, dass ich gegenüber der HU objektiv falsche Angaben hinsichtlich meiner Tätigkeit für das MfS gemacht habe. Ich bedauere das und ebenso, dies nicht sofort gegenüber der HU zum Ausdruck gebracht zu haben. Ich versichere gleichzeitig, neben der Grundausbildung und den von mir geschilderten Tätigkeiten in der Auswertungs- und Kontrollgruppe keine weiteren Aufgaben, weder hauptamtlich noch inoffiziell, für das MfS erledigt zu haben.“

Abmahnung statt Kündigung: Die Erklärung der HU im Wortlaut

Angesichts der Erklärung stelle sich die Frage neu, inwieweit das Vertrauensverhältnis zwischen der HU und dem Stadtsoziologen gestört sei, so Kunst. Ergebnis: Sie sehe es nun zwar als gestört, aber nicht mehr vollständig zerstört an und habe sich für eine Abmahnung entschieden.

Am 18. Januar hatte Kunst hingegen verkündet, das Arbeitsverhältnis mit Holm zu beenden. Er habe mit seinen falschen Angaben im Personalfragebogen im Jahr 2005 und in Lebensläufen 2011 und 2016 zu verschleiern versucht, dass er Offiziersschüler des MfS war. Dies sei arbeitsrechtlich als arglistige Täuschung zu werten. Weitere Gründe, sich von ihm zu trennen, seien sein Beharren auf Erinnerungslücken und der Umstand, dass er diese falschen Angaben in einer von der Uni angeforderten Stellungnahme mit keinem Wort bedauert habe.

Kommentar: Die Entscheidung der HU ist unverständlich

Wie berichtet, hatte Andrej Holm bei seiner Einstellung an der Universität 2005 angegeben, von September 1989 bis Januar 1990 seinen Wehrdienst im Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ abgeleistet zu haben. Er verschwieg, dass er Offiziersschüler und damit hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS war – bis zur Auflösung der Stasi. Beim Wachregiment war er nie.

Der parteilose Andrej Holm war für fünf Wochen auch Staatssekretär in der von Katrin Lompscher (Linke) geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Sein Umgang mit seiner Stasi-Tätigkeit und seine falschen Angaben an der HU hatten zu wochenlangen Querelen in der rot-rot-grünen Koalition geführt. Diese gipfelten in einer Krise, als der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) Lompscher aufforderte, Holm zu entlassen. Dem kam der Staatssekretär zuvor und erklärte seinen Rücktritt. Am 16. Januar wurde er entlassen.

Senat: Keine Absprache mit der Landesregierung

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) betonte am Freitag, die Entscheidung der Universität, statt einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen, sei allein Angelegenheit der Präsidentin. Aus Senatskreisen hieß es, es habe keine Absprache mit der Landesregierung dazu gegeben. Bürgermeisterin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) erklärte, die arbeitsrechtliche Bewertung an der HU berühre in der Koalition weder die Bewertung von Holms Verhalten noch seine Entlassung als Staatssekretär.

Stadtentwicklungssenatorin Lompscher begrüßte den Sinneswandel der HU-Präsidentin, zeigte sich aber vom Zeitpunkt überrascht. Sie sei von Anfang an der Meinung gewesen, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt sei, sagte sie der Berliner Morgenpost. In einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung wäre es schwer gewesen, Holm eine arglistige Täuschung nachzuweisen. Es sei bedauerlich, dass die Universität erst jetzt zu dieser Bewertung komme. Lompscher sieht sich nun in ihrem Ziel bestätigt, weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit Holm zu suchen. CDU und AfD kritisierten indes die Entscheidung der HU-Präsidentin scharf. Sie mache „mit fadenscheinigen Argumenten die Rolle rückwärts. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer des Stasi-Apparats“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner. Florian Graf, CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, nannte die Entscheidung „grotesk und unglaubwürdig“. Sie lasse den Schluss zu, „dass die HU vor den Studentenprotesten der vergangenen Wochen eingeknickt ist“.

Holm hatte nach der am 18. Januar angekündigten Kündigung mitgeteilt, gegen die Entscheidung klagen zu wollen. Seine Erfolgsaussichten wurden von Experten unterschiedlich bewertet. Einige verwiesen darauf, dass die Beweislast bei der Universität liege und unklar sei, ob Holm tatsächlich hätte wissen müssen, dass er hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi war. Andere verwiesen auf Fälle, in denen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ihre Stelle verloren haben, nachdem falsche Angaben im Personalfragebogen aufgedeckt wurden.

Andrej Holm kann allerdings nicht sofort an die Universität zurückkehren. Er sei bis Ende 2018 beurlaubt, seine Stelle sei vertretungsweise besetzt, teilte die HU mit. Nur Holm selbst könne den Antrag stellen, die Beurlaubung vorzeitig zu beenden. Dann müsse die Universität klären, ob dies möglich ist. Dazu müsse dann aber insbesondere eine geeignete Stelle frei sein.

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