Innenausschuss

Polizei sah Berlin-Attentäter Amri auf Videoaufnahmen

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Ulrich Kraetzer
Ein Polizeiwagen vor dem Moschee-Verein "Fussilet 33" in der Perleberger Straße in Berlin

Ein Polizeiwagen vor dem Moschee-Verein "Fussilet 33" in der Perleberger Straße in Berlin

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Berlin-Attentäter Anis Amri war häufiger Gast in der Moschee in Moabit. Nun soll der Verein verboten werden.

Gut einen Monat nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz stellen sich neue Fragen zu möglichen Versäumnissen der Sicherheitsbehörden.

Wie der Staatssekretär der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Torsten Akmann (SPD), am Montag im Innenausschuss sagte, wurde der Attentäter Anis Amri deutlich häufiger von einer Überwachungskamera des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) vor der Moabiter Fussilet-Moschee aufgezeichnet als bisher bekannt.

Die Beamten ließen die Chance, dem zu diesem Zeitpunkt untergetauchten und als Gefährder eingestuften Tunesier durch die Aufnahmen wieder auf die Spur zu kommen, aber verstreichen. Laut Akmann bemerkten sie Amris Anwesenheit vor der Moschee erst bei der rückwirkenden Betrachtung der Aufnahmen.

Konkret wurde Amri 2016 am 28. November sowie am 10. und 13. Dezember von der Überwachungskamera des LKA aufgezeichnet. Bereits bekannt war, dass Amri auch am 19. Dezember zwischen 18.38 und 19.07 Uhr, also kurz vor der Todesfahrt auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz um etwa 20 Uhr, vor der Moschee gesichtet wurde.

Akmann stellte klar, dass es weitere Aufnahmen von Amri geben könnte. Das Material sei rückwirkend vom Tag des Anschlags erst bis Anfang November ausgewertet worden. Bereits bekannt ist, dass auch am 2. und 3. Oktober aufgenommene Videos des Verfassungsschutzes Amri an der Moschee zeigen. Auch diese Sichtung bemerkten die Verfassungsschützer aber erst im Nachhinein. Zudem gibt es ein von einer Privatperson aufgenommenes Video vom 18. Dezember aus einem Imbiss, in dem Amri sich aufhielt.

„Wenn die Kapazitäten zur Sichtung fehlen, ist es reine Datensammelwut“

Die Abgeordneten reagierten teils überrascht auf die Nachricht über die weiteren Kamerasichtungen des LKA. „Was nützt eine Kamera, wenn das Material nicht ausgewertet werden kann?“, kommentierte der innenpolitische Sprecher der FDP, Marcel Luthe, nach der Sitzung auf Anfrage der Berliner Morgenpost. An dem Fall zeige sich das generelle Problem der Videoüberwachung. Zur Aufklärung größerer Sachverhalte sei diese ungeeignet. „Wenn die Kapazitäten zur Sichtung fehlen, ist es reine Datensammelwut“, sagte Luthe.

Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen dagegen und sieht kein Versäumnis. „Ziel dieser Kameraüberwachung waren nicht Feststellungen zu Anis Amri“, sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Es sei im Rahmen der Gefahrenabwehr und im Zuge strafrechtlicher Ermittlungsverfahren um andere Personen gegangen. „Deswegen hat damals auch niemand darauf geachtet, ob Amri in diese Moschee gegangen ist“, sagte Neuendorf.

Innensenator An­dreas Geisel (SPD) räumte ein, dass die nach dem Ende einer Observation Amris getroffene Einschätzung, er sei „aktuell nicht mehr sehr gefährlich“ falsch war. „Mit heutigem Wissen war das eine Fehleinschätzung.“ Er betonte aber auch: „Vieles angebliche Versagen würde in weniger aufgeregten Zeiten Rechtsstaatlichkeit genannt.“ Der Linke-Politiker Hakan Tas mahnte Aufklärung an, warnte aber vor vorschnellen Urteilen. „Man sollte erst das Ergebnis weiterer Ermittlungen abwarten“, sagte Tas.

Innenstaatssekretär Akmann kündigte im Ausschuss an, das Verfahren zum angestrebten Verbot der Fus­silet-Moschee, die als einer der wichtigsten Berliner Treffpunkte für Dschihadisten gilt, mit Hochdruck voran- zutreiben. Dazu habe er in der Verwaltung drei Mitarbeiter abgeordnet. „Ich bin guter Hoffnung, dass mir die Verbotsverfügung Ende dieses Monats im ersten Entwurf vorliegt“, sagte Akmann. Maßgeblich für den Verbotsantrag sei auch, dass Amri in der Moschee „ein und aus ging“. Erst am Freitagabend war dort ein gewaltbereiter Islamist und Gefährder in dem Moscheeverein verhaftet worden.

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