Zeit für die Stellungnahme nun bis Donnerstag. Staatssekretär stellt sich Diskussion in der Havemann-Gesellschaft

Als die Hauptperson um 19.39 Uhr das Podium in der Aula des Bildungszentrums „Sebastian Haffner“ in Prenzlauer Berg betrat, war die Luft im Saal längst zum Schneiden dick und die Veranstaltung zwischenzeitlich unterbrochen worden. Viele Menschen drängten in den Saal. Zu viele. Der Saal wurde geschlossen, Dutzende mussten draußen bleiben.

Die Robert-Havemann-Gesellschaft, die das Archiv der DDR-Opposition verwaltet, hatte den umstrittenen Staatssekretär Andrej Holm zu einer Diskussion zum Thema „Einmal Stasi, immer Stasi?“ eingeladen. Holm steht derzeit wegen des Umgangs mit seiner Stasi-Vergangenheit in der Kritik. Die Humboldt-Universität prüft derzeit, ob sie Holm im Jahr 2005 zu Unrecht eingestellt hat, weil er falsche Angaben in seinem Personalbogen zu seiner Stasi-Tätigkeit machte.

Es war kein Heimspiel für den 46-Jährigen. In seiner Eingangsrede machte der Forscher der Havemann-Gesellschaft, Ilko-Sascha Kowalczuk, deutlich, dass er Holm seine Erinnerungslücken im Zusammenhang mit seiner Stasi-Tätigkeit zur Wendezeit nicht abnimmt. „Ganz viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass sich jemand mit 14, 16 und 18 Jahren entscheidet, seine berufliche Karriere bei der Stasi zu verbringen, sich aber später nicht mehr an die konkreten Umstände erinnert“, sagte Kowalczuk. Er könne nicht nachvollziehen, dass „Holm nicht bewusst war, dass er hauptamtlicher Offiziersschüler der Stasi war.“ Jedem, der diese Laufbahn einschlug, sei das klar gewesen. Kowalczuk weiß, wovon er redet. Er selbst war mit 14 Mitglied des FDJ-Bewerberkollektivs, habe aber ein Jahr später seine Zusage wieder rückgängig gemacht. Ein abschließendes Urteil über Holm wollte Kowalczuk aber nicht fällen. „Alle Varianten haben Vor- und Nachteile für die Aufarbeitung der Vergangenheit. Alle Entscheidungen, ob Holm im Amt bleibt oder nicht, werden fehlerhaft sein.“

Holm wies die Kritik erneut zurück. Es sei unmöglich, sich an alles aus der Vergangenheit zu erinnern. Er halte die Vorwürfe, sich nicht an die richtigen Dinge zu erinnern, für absurd. Zu seinen falschen Angaben bei der HU wollte sich Holm auf Anraten seines Anwaltes und angesichts des laufenden Prüfverfahrens eigentlich nicht äußern. Seine Glaubwürdigkeit sieht er dadurch nicht gefährdet. „Das wäre eine Glaubwürdigkeit, die von formalen Dingen abhängt“, sagte Holm. Keinen Zweifel ließ er daran, dass er seine Stasi-Vergangenheit bedauert: „Es ist nicht entschuldbar, Teil des Unterdrückungsapparates gewesen zu sein.“

Die Meinung des Publikums im Saal war gespalten. Von einem Teil erhielt er Applaus für seinen offenen Umgang mit der Stasi-Vergangenheit, ein anderer Teil machte deutlich, dass Holm nicht geeignet sei, als Staatssekretär in Berlin tätig zu sein, weil er seine Stasi-Verstrickung nur unzureichend offengelegt habe.

Kritiker befürchten eine „Lex Holm“

Die Humboldt-Universität wird erst später über Holms Zukunft entscheiden als bislang geplant. Am Freitag erhielt der Rechtsbeistand Holms bei der HU Akteneinsicht in die Personalakte des 46-Jährigen. Gleichzeitig bat der Anwalt um eine Fristverlängerung für die Stellungnahme seines Mandanten zur Frage, ob er bei seiner Einstellung 2005 falsche Angaben gemacht hat.

Holm war in der Wendezeit 1989 und 1990 fünfeinhalb Monate lang als hauptamtlicher Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ tätig. Bei seiner Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HU hatte er zwar die Tätigkeit beim Wachregiment angegeben, nicht aber, dass er hauptamtlich für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig war und auch entlohnt wurde. Entsprechende Fragen im Personalbogen verneinte er damals.

Die HU gewährte Holm am Freitag eine Fristverlängerung für seine Stellungnahme zu den Vorwürfen bis zum kommenden Donnerstag. Aufgrund der Stellungnahme und der Einschätzung der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) zu den Angaben Holms wird dann über den Fall entschieden. Nach Angaben der HU fällt die Entscheidung in die alleinige Zuständigkeit von HU-Präsidentin Sabine Kunst, die Befassung eines Gremiums ist nicht vorgesehen.

Kritiker befürchten, dass Kunst eine Art „Lex Holm“ schaffen wird. Die Wissenschaftlerin ist SPD-Politikerin und war unter anderem Wissenschaftsministerin in Brandenburg. Ihr Dienstherr ist der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der im neuen Senat auch für die Wissenschaft zuständig ist. Müller hat das Verhalten Holms beim Umgang mit seiner Stasi-Vergangenheit zwar kritisiert, aber bislang nicht von seiner Richtlinienkompetenz als Regierender Bürgermeister Gebrauch gemacht und Holm entlassen.

Ein dazu einberufener Koalitionsausschuss endete Ende Dezember ohne konkretes Ergebnis. Zwar drohte Müller dabei mit einem Rauswurf Holms, beugte sich aber am Ende der Linkspartei. Zunächst will der Senat nun die Entscheidung der HU abwarten, bevor er selbst über die politische Zukunft des Staatssekretärs entscheidet.