Es ist eine Welt, in der die „Ehre“ der Familie über allem steht. Eine Welt, in der das Wort „Geschäfte“ wie selbstverständlich als Synonym für schwerste Straftaten benutzt wird. Eine Welt, in der man Hartz IV bezieht – und vor der familieneigenen Shisha-Bar trotzdem mit dem Porsche vorfährt.
Nach einer am Sonntag ausgestrahlten Dokumentation von „Spiegel TV“ ist das Problem der organisierten Clan-Kriminalität von Mitgliedern kurdischer und libanesischer Großfamilien im Bewusstsein vieler Berliner wieder weit nach vorne gerückt. „Da kann ich nur sagen: Unfähigkeit, dein Wort ist Berliner Justiz“, heißt es in Kommentaren auf der Facebook-Seite der Berliner Morgenpost. Oder: „Gerichte, Richter greift endlich nach Recht und Gesetz durch.“
Die kriminelle Parallelwelt der Familienclans in Berlin
Die Autoren des einstündigen Films haben bei ihren Recherchen Vernehmungsprotokolle von Kronzeugen auswerten können, deren Aussagen für die staatlichen Ermittler von ungeheurem Wert sind. Dabei geht es um den spektakulären KaDeWe-Raub vor rund zwei Jahren, bei dem die Täter Uhren und Schmuck im Wert von mehreren Hunderttausend Euro erbeuteten, und einen sogenannten Auftragsmord in der Gropiusstadt. In beiden Fällen laufen Verfahren.
Die Autoren von Spiegel TV interviewten neben Fachleuten aus Justiz und Polizei zahlreiche Mitglieder der als kriminell bekannten Großfamilien, denen in Berlin Schätzungen zufolge rund 9000 Mitglieder angehören. Viele kamen in den 80er-Jahren aus den kurdischen Gebieten der Türkei oder als staatenlose Palästinenser aus dem Libanon nach Berlin – und einige fallen seitdem immer wieder mit schwersten Straftaten und einer offenbar tief verwurzelten Missachtung gegenüber dem deutschen Rechtssystem auf.
Kriminelle Clans in Berlin: „Sie verachten alles Deutsche“
Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber, der sich bereits seit vielen Jahren mit der organisierten Kriminalität befasst, hat erneut ein konsequenteres Handeln gegen die als kriminell bekannten Großfamilien gefordert. Bei der Staatsanwaltschaft seien in diesem Bereich zwar zusätzliche Stellen geschaffen worden. Dies sei aber nicht ausreichend. Weil die Clans oft in der Security-Branche aktiv seien, müssten Firmen und Mitarbeiter in einem neuen Register erfasst werden und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen können. Außerdem brauche man bessere Möglichkeiten, mit kriminellen Mitteln erworbenes Vermögen beschlagnahmen zu können, sagte Schreiber.