Nachdem die Berliner Polizei nun mit einem Video öffentlich nach einem Mann fahndet, der eine Frau eine Treppe in einem U-Bahnhof hinuntergetreten hat, erklärt sie, warum die Aufnahmen so lange unter Verschluss blieben. Bei Facebook war massive Kritik laut geworden, warum das Video, das den Vorfall vom 27. Oktober zeigt, erst jetzt veröffentlicht wurde.
Auf dem 20 Sekunden langen Video ist zu sehen, wie eine junge Frau die Treppe zum Bahnsteig der U8 hinuntergeht und ein Mann ihr völlig unvermittelt in den Rücken tritt. Die Frau kommt ins Straucheln, fällt die letzten Treppenabsätze vornüber und stürzt mit dem Gesicht voran auf den Boden des U-Bahnsteiges.
Die Berliner Polizei erklärt das Vorgehen bei Facebook
Bei Facebook reagiert die Berliner Polizei auf Kritik an der späten Veröffentlichung - und erläutert das Verfahren, das einer solchen Öffentlichkeitsfahndung vorangeht. „Wie schon öfter erwähnt, wird nach einer begangenen Straftat zunächst ermittelt. Es werden Opfer und Zeugen befragt, Beweismittel gesichert und ausgewertet, danach werden durch unsere Ermittler die internen Fahndungsmittel ausgeschöpft und erst, wenn dies alles nicht zum Erfolg führt, dann wenden sich unsere Ermittlerinnen und Ermittler an die Öffentlichkeit“, schrieb die Berliner Polizei.
Es können dadurch „schon ein paar Wochen/Monate verstreichen, bis öffentlich und auf Facebook gefahndet wird.“ Auf diese Weise solle, „bestmöglich sichergestellt werden, dass niemand möglicherweise voreilig und zu Unrecht mit Fotos oder Videos in der Öffentlichkeit als Tatverdächtiger gesucht wird.“
Polizei fahndet nach U-Bahn-Treter von der Hermannstraße
Das Video zeigt nicht nur einen verdächtigen Mann - sondern die Tat selbst
Eine Erklärung, mit der zahlreiche Nutzer sich nicht zufriedengeben. „Dass in diesem Fall womöglich ein falscher Tatverdächtiger mit Bildern gesucht wird, lässt sich nach diesem Video ja nur schwer vorstellen“, kommentiert jemand. „Ich finde es nur schade und fahrlässig, solche Täter unnötig lange der Öffentlichkeit zuzumuten. Und es ist ja schon von Bedeutung und Sinn und Zweck, künftige Opfer zu vermeiden.“
Tatsächlich ist ja auf den Aufnahmen nicht nur ein Mann zu sehen, der einer Tat verdächtigt wird, sondern die Tat selbst wurde unmittelbar gefilmt. Das Risiko, möglicherweise einen Unschuldigen einer falschen Verdächtigung auszusetzen, ist somit schwer nachvollziehbar. Inzwischen sind bei der Polizei sechs Hinweise eingegangen, teilte diese am Freitag mit. Diesen gehen man jetzt nach. Details nannte eine Polizeisprecherin am Freitag aber nicht.
„Wieso dauert die richterliche Genehmigung zur Öffentlichkeitsfahndung so lange? Das ist verlorene Zeit, außer für die Täter. Wieso kann sowas nicht beschleunigt werden und umgehend öffentlich gefahndet werden?“, fragt ein Nutzer.
Anzeige gegen Unbekannten, der das interne Video herausgab
Ein anderer Kommentator nimmt die Polizei in Schutz, kritisiert aber das Verfahren insgesamt. „Ich spreche das auch gar nicht der Polizei zu, dass hier offensichtlich an irgendeinem Punkt das System hakt“, schreibt er. „Aber irgendwer ist an irgendeiner Stelle Schuld und ich persönlich finde, das dauert zu lange. Es gab schon zig Fälle, bei denen nach mehreren Monaten erst gesucht wurde, da waren die Täter schon dreimal übern Jordan.“
Sehen Sie hier das Video:
„Hier gilt Täterschutz vor dem Schutz von Menschenleben“
„Hier gilt offensichtlich Täterschutz vor dem Schutz von Menschenleben. So ein Video muss sofort an die Öffentlichkeit. Jede Verzögerung ist die grob fahrlässige Gefährdung der nächsten Opfer!“, meint einer.
„Die Gefahr, die von solchen Tätern ausgeht, noch so lange der Bevölkerung zuzumuten, ist nicht ok. Wer weiß, wie viele Frauen sie in der langen Zeit noch verletzt haben“, schreibt jemand. „Aber Hauptsache, die eindeutig zu erkennenden armen Täter werden nicht zu Unrecht gezeigt. Diese Logik passt nicht in meinen Kopf.“
Für Kritik sorgt auch, dass das Video erst offiziell von der Polizei zwecks Öffentlichkeitsfahndung herausgegeben wurde, nachdem es zuvor der Zeitung „B.Z.“ zugespielt worden war und von dieser gezeigt wurde.
Ein Nutzer schreibt, er bezweifele, „dass das Video offiziell öffentlich gemacht worden wäre, wenn der öffentliche Druck durch das unrechtmäßige Verbreiten nicht bereits bestünde. Da fragt man sich erst Recht, wie lange hätte es wohl noch gedauert?“