Absurde Anrufe

Notruf: "Darf mein Nachbar mit Krückstock noch Auto fahren?"

| Lesedauer: 7 Minuten
Hans H. Nibbrig
Beamte in der Notrufzentrale der Berliner Polizei am Platz der Luftbrücke

Beamte in der Notrufzentrale der Berliner Polizei am Platz der Luftbrücke

Foto: Massimo Rodari

Die Aktionswoche gegen unnötige Anrufe bei der 110 endet am Freitag. Die Polizei veröffentlicht dazu die skurrilsten "Notrufe".

Der eine möchte pünktlich geweckt werden, der andere braucht dringend einen Handwerker und noch ein anderer möchte einfach nur mitteilen, dass sich eine Katze im Hausflur befindet. Ein Vierter hofft, dass ihn jemand zum Supermarkt fährt und ein Vierter sucht einfach nur jemanden, den er beschimpfen kann. So unterschiedlich die Wünsche auch sind, ihre Absender haben eines gemeinsam: Sie halten ihre Anliegen für so wichtig, dass sie sich über die Notrufnummer 110 an die Polizei wenden.

Anrufe, die alles Mögliche darstellen, nur keine Notfälle, sind ein gravierendes Problem für die Berliner Polizei. Gegensteuern möchte die Behörde ab Montag mit einer Aktionswoche unter dem Namen „NoNotruf“. Ziel der Kampagne ist die Reduzierung von Anrufen, die keine tatsächlichen Notrufe darstellen.

Alle 20 Sekunden geht in der Einsatzleitzentrale der Berliner Polizei ein Notruf ein, pro Jahr sind es etwa 1,3 Millionen. Bei mehr als 20 Prozent der Anrufe, so schätzt die Notrufzen­trale, liegt kein Notfall vor. Folglich steht während solcher Telefonante der Notruf für seinen eigentlichen Zweck nicht zur Verfügung, heißt es in der Ankündigung der Kampagne.

Die Polizei unterscheidet in solchen Fällen prinzipiell zwei Arten von Anrufern. Zum einen diejenigen, die genau wissen oder wissen müssten, dass ihre absurden Anrufe einen Missbrauch der Notrufleitung darstellen. Zum anderen diejenigen, die fälschlicherweise glauben, es liege ein Notfall vor oder gedankenlos einfach die 110 wählen, weil es die einzige Nummer der Polizei ist, die sie kennen.

>>>Notrufe landen in Berlin immer häufiger in der Warteschleife<<<

Vor allem an die zweite Gruppe richtet sich die Kampagne „NoNotruf“. „Wir wollen Menschen dafür sensibilisieren, was ein Notfall ist und alternative Kontaktmöglichkeiten aufzeigen, über die sich jeder an die Polizei wenden kann“, sagte Polizeisprecherin Heidi Vogt. Dazu gehörten vor allem das rund um die Uhr besetzte Bürgertelefon (030-4664 4664) oder die bequem daheim am Computer erreichbare Internetwache (www.internetwache-polizei-berlin.de).

Täglich gehen absurde Anrufe über die 110 ein

Ob die Kampagne auch bei denen fruchtet, die vorsätzlich mit allerlei Unsinn die Notrufleitung blockieren, bezweifeln erfahrene Beamte. Und die Liste mit Beispielen solcher häufig als Scherz gedachten Anrufe ist lang.

"Mein Nachbar fährt mit Krückstock noch Auto,darf er das?", oder "Können Sie bitte kommen? Die wollen hier im Schuhladen meine getragenen Schuhe nicht umtauschen" sind nur zwei davon. Auch "Mein Tierarzt geht nicht ans Telefon und meine Katze ist bei ihm", ging bei den Beamten ein.

"Ich habe schlechte Laune, weil ich nichts zu rauchen habe", schreibt ein schlecht gelaunter Raucher. Auch ein Kaffeetrinker hat offenbar Schwierigkeiten. "Wie oft muss ich beim Entkalken meiner Kaffeemaschine mit Wasser spülen, damit der Kaffee wieder schmeckt?", fragte dieser.

"Ich habe aus Versehen meine Telefongebühren an den falschen Anbieter überwiesen", klagt ein Bürger. Einen anderen plagt ein praktisches Problem: Ich krieg mein kaputtes Fahrradschloss nicht auf. Könnt ihr mir helfen?"

Auch über vermeintliche Service-Defizite beschweren sich Bürger über die Notruf-Hotline. "Die Reparatur meiner Heizdecke dauert nun schon 5 Wochen". Ebenfalls skurril: "Meine Schwiegertochter will an mein Erbe".

Oder auch: "Ich habe ein Paket bestellt. Es kam aber bis heute nicht an", beschwerte sich ein Anrufer bei der Polizei. "Steht der Name an der Klingel?", fragte diese zurück. – "Nein." Das könnte schon die Erklärung sein, warum die Postsendung nicht den Empfänger erreichte. Mal davon abgesehen, dass für so etwas natürlich die Post zuständig ist.

Offenbar tatsächlich Sorgen um die öffentliche Sicherheit machte sich ein Anrufer, der folgendes mitteilte: "Hier jongliert einer mit 3 Schwertern an der Kreuzung." – "Das ist in Berlin normal." – "Ich kenne sowas nicht."



„Wie bekomme ich bei der Polizei ein Praktikum?“ Das wollte eine junge Frau wissen und wählte entschlossen die Notrufnummer. Auf jeden Fall nicht durch eine Anfrage über 110, lautete die Antwort.

Ich soll meinen Ausweis bei der Meldestelle abholen, bis wann hat die offen?", fragt ein Bürger.

"Ich will wissen, wo mein Enkel wohnt", fordert jemand und hofft auf schnelle Auskunft.

„Draußen sind Minus 15 Grad, meine Heizung ist defekt, und ich frier mir den A... ab. Das ist ein Notfall.“ So reagierte ein Berliner, der von der Polizei wissen wollte, wie man am Wochenende einen Handwerker bekommt und erfahren musste, dass das kein polizeilicher Notfall sei.



„Können Sie mich zum Supermarkt fahren? Es regnet, und ich will nicht laufen.“ Selbst erfahrene Beamte staunten nicht schlecht über dieses per Notruf vorgebrachte Ansinnen.


„In meinem Zustand bin ich eine Gefahr für mich und andere“. Das teilte ein Mann der Notrufzentrale mit, als er nach dem späten Verlassen seiner Stammkneipe etwas angeschlagen anfragte, ob die Polizei ihn nach Hause bringen könne.


„Ihr seid Verbrecher“, lautete der letzte von vielen Kommentaren, mit denen ein Rentner über Wochen die Notrufzentrale drangsalierte. Nachdem alle Aufforderungen, die Leitung freizugeben, erfolglos blieben, wurde kurzerhand sein Telefon beschlagnahmt.

Als er es zurückerhielt, galt sein erster Anruf der Notrufzentrale, wo er seiner Wut über die Wegnahme freien Lauf ließ. Dass er dabei selbstverständlich die 110 wählte, war einer der Gründe für seine Verurteilung zu einer empfindlichen Geldstrafe.

"Mein Wecker ist defekt, können Sie mich wecken?"

„Mein Nachbar spielt bei offenem Fenster Klavier und das auch noch schlecht. Das ist Ruhestörung.“ Das teilte eine Berlinerin der Polizei mit, überzeugt, einen Notfall zu melden.

Dem sei nicht so, wurde ihr erklärt. Eine nicht gerade virtuos gespielte Klaviersonate kann zwar ein Ärgernis darstellen, eine Ruhestörung verursachte sie aber nicht, da der Pianist sein Konzert an einem Sonnabendvormittag gab. Ruhestörung liegt erst ab 22 Uhr abends vor.


„Schon vor Wochen wurde mein Auto aufgebrochen, wie weit sind eigentlich Ihre Kollegen mit ihren Ermittlungen.“ Fragen zu laufenden Verfahren stellt man nicht über die Notrufzentrale, musste der hörbar verärgerte Mann sich von den Beamten belehren lassen.


„Mein Wecker ist defekt, könnten Sie mich bitte morgen früh pünktlich um 6 Uhr wecken?“ Auch über dieses Ansinnen staunten die Beamten nicht schlecht. Offenbar hatte der Anrufer bei der Bezeichnung „Freund und Helfer“ etwas missverstanden.