Schutzimpfungen

Berliner Impfmobil für Flüchtlinge ist unterwegs

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Andreas Abel
Der Kardiologe der Charité, Ibrahim Al Shaar, impft einen afghanischen Familienvater gegen Grippe

Der Kardiologe der Charité, Ibrahim Al Shaar, impft einen afghanischen Familienvater gegen Grippe

Foto: Soeren Stache / dpa

Seit Donnerstag steuert ein umgebauter Linienbus Notunterkünfte an, um Flüchtlinge zu impfen. Das Projekt läuft bis Ende des Jahres.

Charité-Ärztin Silvia Kraatz möchte eine junge Frau aus Syrien impfen. Das Kombipräparat schützt gegen Polio, Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten. Aber die nach Berlin geflüchtete Patientin spricht weder Deutsch noch Englisch. Ein Dolmetscher wird gebraucht. Der erscheint in weniger als zwei Minuten per Video­liveschaltung auf einem großen Bildschirm. Schnell sind alle Fragen der Ärztin geklärt, und die junge Frau ist gut darüber informiert, was sie jetzt erwartet. Doch der Videodolmetscher ist nicht das einzig Innovative an dieser Szene. Das eigentlich Besondere ist, dass sie sich in einem zur Arztpraxis umfunktionierten Bus der Deutschen Bahn abspielt. Und der steht direkt vor der Flüchtlingsunterkunft, in der die Syrerin lebt.

Mobile Impfstation für Geflüchtete in Berlin
Mobile Impfstation für Geflüchtete in Berlin

Am Donnerstag wurde das deutschlandweit erste Impfmobil für die Versorgung von Flüchtlingen in Betrieb genommen, der Medibus. Die Charité und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) hatten das Konzept entwickelt. Medizinisches Personal des Universitätsklinikums fährt nun die Notunterkünfte in Berlin an und führt die Impfungen vor Ort im Medibus durch. Der umgebaute, zwölf Meter lange ehemalige Linienbus verfügt über zwei voll ausgestattete Behandlungsbereiche mit einer hochmodernen und leistungsfähigen IT-Infrastruktur. Vorne, neben dem Fahrersitz, ist ein Empfangstresen installiert, in der Mitte des Busses der Laborbereich, in dem auch geimpft werden kann. Im Heck befindet sich ein abgeschlossenes Arztzimmer mit einer Liege und zwei Stühlen an einem kleinen Tisch.

Video-Dolmetscher-Dienst bietet 50 Sprachen an

Mithilfe des Medibusses sollen bestehende Impflücken bei Flüchtlingen geschlossen werden. Bislang wurden die Asylbewerber mit Bussen aus den Unterkünften in das LAF-Gebäude an der Bundesallee gefahren, in dem Charité-Ärzte stationiert sind – ein relativ aufwendiges Verfahren. Nur in einigen Unterkünften mit mehr als 500 Bewohnern gibt es eigene medizinische Einrichtungen. „Nun kehren wir das Prinzip um, die Ärzte kommen in die Unterkunft. Damit erreichen wir beispielsweise auch Kinder nach der Schule“, sagte Ulrich Frei, ärztlicher Direktor der Charité.

Dazu kooperieren Universitätsklinikum und Landesamt mit der Deutschen Bahn, dem IT-Unternehmen Cisco und dem in Wien ansässigen Videodolmetscherdienst SAVD. Dort arbeiten 750 in medizinischen Belangen geschulte Dolmetscher, die Übersetzungen in rund 50 Sprachen anbieten. Die Bahn stellte über ihr Tochterunternehmen DB Regio den für 150.000 Euro als mobile Arztpraxis eingerichteten Bus zur Verfügung. Der Prototyp soll im ländlichen Raum eingesetzt werden, um dort die medizinische Versorgung zu gewährleisten – wenn die Landkreise den Einsatz finanzieren.

Doch nun ist der Bus bis zum Jahresende in Berlin unterwegs, die mobile Impfaktion ist zunächst als Pilotprojekt auf zwei Monate begrenzt. Mindestens zwei Ärzte sowie Assistenzpersonal hätten jeweils im Bus Dienst, erläuterte Joachim Seybold, Koordinator der Charité-Flüchtlingshilfe und stellvertretender ärztlicher Direktor. Pro Tag könnten rund 80 Menschen geimpft werden. Geplant sei, pro Tag eine Unterkunft anzufahren, bei großen Heimen könne der Bus bis zu drei Tage dort stationiert sein. Extrakosten fielen durch den Medibus nicht an, der Einsatz sei über die bereits bestehende Vereinbarung zwischen der Charité und dem Land Berlin zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen abgedeckt. Alle von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfohlenen Impfungen könnten im Bus angeboten werden, gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken ebenso wie gegen Hepatitis und Grippe, so Seybold. 42 Mitarbeiter seien in der Charité-Flüchtlingshilfe tätig.

Hohe Impfbereitschaft bei Flüchtlingen

Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) attestierte den Flüchtlingen eine hohe Impfbereitschaft. Ziel sei, bei ihnen einen Impfungsgrad von knapp 100 Prozent zu erreichen. Angesichts etlicher Impfgegner in manchen gutsituierten Hauptstadtkiezen sei der dann vermutlich höher als unter den Berlinern insgesamt. Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD), Aufsichtsratschefin der Charité, betonte, der Einsatz der Mediziner betreffe nicht nur die Erstversorgung, sondern auch die Prävention. Sie lobte das Pilotprojekt. Es biete eine niedrigschwellige Versorgung ohne Sprachbarrieren.