Berlin

Mehr Geld für die Krankenhäuser

| Lesedauer: 5 Minuten
Jens Anker

Koalitionsverhandlungen: Rot-Rot-Grün will den Gesundheitsdienst attraktiver gestalten

Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Linkspartei und Grünen kommen nur schwer in Gang. Schon in der ersten Runde, in der inhaltlich Einigung erzielt werden sollte, verhedderten sich die drei potenziellen Koalitionspartner. So fanden sie keine gemeinsame Linie für die künftige Drogenpolitik. Linkspartei und Grüne wollen den Cannabis-Konsum liberalisieren, die SPD ist dagegen.

Nach „sehr intensiven Diskussionen“, wie es hieß, präsentierten die drei Verhandlungsführer dann die Ergebnisse. Die gesundheitliche Versorgung von Patienten in den einzelnen Bezirken soll verbessert werden, sagte der Verhandlungsführer der SPD, Boris Velter. Was das bedeutet, ließ Velter am Abend jedoch offen.

Außerdem wollen SPD, Linkspartei und Grüne die Finanzierung der Krankenhäuser verbessern. Die Investitionsmittel sollen deutlicher von dem Geld getrennt werden, das zur Versorgung der Patienten verwendet werden soll. Die „Co-Finanzierung von Investitionen durch die Krankenhäuser muss beendet werden“, sagte der Gesundheitsexperte der Linkspartei, Wolfgang Albers. Die Grünen wollen einen Schwerpunkt auf die Verbesserung des öffentlichen Gesundheitsdienstes legen und die Prävention stärken. „Wir wollen gesundheitsfördernde Lebensbedingungen schaffen“, sagte die Tempelhof-Schöneberger Stadträtin Sibyll Klotz.

Beim Thema Gesundheit sind die Spielräume eng

Nicht ohne Grund hatten sich SPD, Linke und Grüne dazu entscheiden, zum Auftakt der Schlussgespräche für die Koalitionsverhandlungen das Thema Gesundheit zu wählen. Hier sind die Spielräume sehr gering. Die Finanzierung der Krankenhäuser ist ein starrer Block, in dem schwer etwas zu bewegen ist. Die Pflegestandards und -kosten werden maßgeblich vom Bund vorgegeben, die normale Gesundheitsversorgung wird zum größten Teil von den Krankenkassen gesteuert.

Die Förderung der Gesundheitsprävention ist mit relativ geringen Mitteln zu erledigen. Hier geht es vor allem darum, die öffentliche Aufklärung über Risikofaktoren, gesunde Ernährung und den Gesundheitssport mehr in das Bewusstsein einer alternden Gesellschaft zu bringen.

Für die Krankenhäuser soll nach dem Willen der Gesundheitspolitiker künftig mehr Geld zur Verfügung stehen. Schon der ausscheidende Senat hatte die Bettenzahl in Berlin um 1ooo erhöht, 200 davon für Schlaganfallpatienten. Derzeit verfügt Berlin über rund 20.000 Plätze an 62 Standorten, bis 2020 sollen es vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt 22.000 sein.

Derzeit betragen die Investitionen in die Infrastruktur der Gesundheitslandschaft knapp 110 Millionen Euro jährlich. Zusätzlich haben die Krankenhäuser 55 Millionen Euro aus dem Sonderinvestitionsprogramm SIWA erhalten. SPD, Linke und Grüne wollen den Betrag wegen der anhaltend guten Konjunkturlage verbindlich aufstocken und nicht kurzfristig von der aktuellen Konjunkturlage abhängig machen. So soll der Sanierungsstau in den Krankenhäusern abgebaut werden. Grüne und Linke warfen als Oppositionsparteien der SPD stets vor, mit dem Sonderinvestitionsprogramm Geld nach Gutdünken zu verteilen. Das soll sich unter ihrer Mitregierung ändern. Allerdings liegt der Betrag immer noch wesentlich unter den 219 Millionen Euro, die nach den Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus als Investitionssumme nötig wären. Berlin liegt damit bei der Krankenhausfinanzierung weiter unter dem Bundesschnitt.

Als Kernthema für eine rot-rot-grüne Landesregierung haben die Gesundheitspolitiker den Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes verabredet. Das größte Problem in der Vergangenheit bestand darin, dass die Arbeit im Gesundheitsamt für Ärzte und medizinisches Fachpersonal im Vergleich zur Privatwirtschaft unattraktiv war – viele Stellen wurden nicht besetzt, weil das Personal fehlte. Einige Amtsarztstellen, wie im Gesundheitsamt Mitte, blieben sogar jahrelang unbesetzt.

SPD, Linke und Grüne haben sich nun darauf verständigt, die Arbeit in den Gesundheitsämtern attraktiver zu gestalten. Das wird nicht ohne eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter zu leisten sein. Aber auch eine klare Aufgabenverteilung soll künftig in den Ämtern herrschen. Mit der Versorgung der derzeit knapp 60.000 Flüchtlinge in der Stadt haben die Gesundheitsämter in den vergangenen Jahren neue Aufgaben erhalten, die sich künftig auch im Personalschlüssel niederschlagen sollen.

Die Gesundheitswirtschaft gehört zu den wichtigsten Arbeitgebern der Hauptstadtregion und wird von der Politik schon lange als besonders wichtiges „Cluster“ angesehen und entsprechend gefördert. Internationale Branchenriesen und starke regionale Playersitzen in Berlin. Auf 21,6 Milliarden Euro schätzen die Wirtschaftsförderer von Berlin Partner den Umsatz der rund 21.000 Unternehmen der Gesundheitswirtschaft, die insgesamt an die 354.000 Mitarbeiter zählen.

Charité ist zweitgrößter Arbeitgeber Berlins

Die meisten Jobs stellt das klassische Gesundheitswesen, vor allem die Krankenhäuser bieten viele Stellen: Drei der zehn größten Arbeitgeber der Region gehören zum Gesundheitssektor. Die Charité ist mit fast 17.000 Beschäftigten Berlins zweitgrößter Arbeitgeber, auf Platz drei folgt der Krankenhaus-Verbund Vivantes mit 15.000 Mitarbeitern. Auch das Deutsche Rote Kreuz mit seinen 7500 Mitarbeitern gehört zu den Top-Ten-Arbeitgebern in Berlin und bietet neben Jobs in der Medizin auch viele im sozialen Bereich an.

Am Mittwoch geht es mit den Koalitionsverhandlungen weiter. Dann wollen sich die künftigen Koalitionspartner über die Themen Arbeit und Soziales verständigen – zwei Themen mit deutlich mehr Konfliktpotenzial als die Gesundheit.