Suche kleine helle Eigentumswohnung mit Ausblick und Terrasse, ruhig gelegen, aber doch mitten in der Stadt. Und natürlich bezahlbar. Gibt's nicht? Gibt's doch. Zumindest schon als Modell. Und wenn es nach Simon Becker geht, auch bald auf Berlins Dächern.
Der 29-jährige Architekt Simon Becker hat zusammen mit seinem Berufskollegen Andreas Rauch (33) ein Mikrohaus mit einer Wohnfläche von 25 Quadratmetern entwickelt, das die beiden dort aufstellen wollen, wo Berlin noch Platz und überdies eine gute Aussicht bietet: auf dem Dach.
Nach Angaben von Bausenator Andreas Geisel (SPD) bieten Berlins Dächer Raum für 50.000 Wohnungen, ein Teil davon würden die beiden jungen Architekten gern liefern. „Eignen würden sich für unsere Häuser vor allem Parkdecks, Industriegebäude und Plattenbauten“, erklärt Becker. Und am besten sei es, wenn das Haus nebenan noch höher sei, dann könne man dort einen Ausgang schaffen und die Dachfläche, auf der das Mikrohaus steht, quasi ebenerdig betreten.
Die Inspiration zum Mikrohaus kam Becker bereits vor einem Jahr. Damals fragte ihn ein Kunde, ob er nicht ein kleines Haus auf dem Dach bauen könnte. Der Kunde kam dann zwar nicht wieder, aber die Idee blieb. Simon Becker begann zu planen und holte sich Andreas Rauch als Kompagnon dazu. Im April dieses Jahres haben die beiden dann das Start-up Cabin Spacey gegründet und erfolgreich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Die beiden Architekten haben schon einen Preis bekommen
Es ist kein Zufall, dass die beiden ihr Unternehmen in Berlin aufbauen. Zum einen arbeiten der Schwabe Simon Becker und der Österreichischer Andreas Rauch schon seit einigen Jahren als Architekten in Berlin, zum anderen „hat Berlin eine gute Gründerszene und ist offen für neue Ideen“, sagt Becker. Außerdem leben hier die Menschen, die die beiden Architekten als Bewohner vor Augen haben, „urbane Stadtnomaden“, nennt Becker sie, offen für alternative Wohnraumkonzepte. Und solche Konzepte sind gefragt. Eine Bestätigung dafür haben Becker und Rauch gerade bekommen: Ende August erhielten sie den zweiten Preis beim Ideenwettbewerb „Smart Urban Pioneers“. Dabei werden Konzepte ausgezeichnet, die das Leben in der Stadt attraktiver machen sollen.
Das Mikrohaus von Cabin Spacey besteht vor allem aus Holz und Glas. Es besteht aus einem großen Raum mit großen Fenstern und Schiebetür. „Wir wollen das Außen nach innen holen“, drückt es Becker poetisch aus. Daneben ist eine Versorgungseinheit mit kleinem Bad und Küchenzeile, darüber die Schlaffläche, mit dem großen Dachfenster darüber tatsächlich ein Himmelbett. „Alle Materialien sollen so ökologisch wie möglich sein“, so Beckers Anspruch. Darum gibt es auch auf dem Dach eine Photovoltaikanlage, die zumindest einen Teil der Stromversorgung decken soll.
Das Haus ist gerade so groß, dass es problemlos auf einen Tieflader gesetzt werden kann und so auch jederzeit an einen neuen Standort versetzt werden kann. In drei Wochen könnte so ein Haus produziert sein, je nach Baumaterial und Aufwand soll es zwischen 50.000 und 70.000 Euro kosten. Die Häuser will Becker aber nicht nur verkaufen, er stellt sich eher ein temporäres Mietmodell vor, vergleichbar mit dem System Car-Sharing.
Noch in diesem Jahr soll das erste Mikrohaus stehen
Becker und Rauch haben schon Interessenten aus Berlin, aber auch aus München und Hamburg, eben überall dort, wo Bedarf an Wohnraum besteht und freie Flächen knapp sind. Jetzt sucht Cabin Spacey in Berlin ein Dach, auf dem das erste Mikrohaus stehen könnte. Becker ist zuversichtlich dass das noch in diesem Jahr klappt. Es gebe schon konkrete Angebote, aber noch ist nichts unter Dach und Fach, daher verrät er noch keinen möglichen Standort.
Vorher müssen allerdings noch einige Dinge geklärt werden, schließlich geht nichts ohne Genehmigung: Wie gelangen die Bewohner aufs Dach? Wie muss dies abgesichert sein? Wo stehen die Mülltonnen? Wie funktioniert die Wasserversorgung? Und wo sind die Fluchtwege? Vieles davon ließe sich einfach lösen, denn die Infrastruktur sei ja in den meisten Häusern vorhanden, selbst Parkhäusern hätten Strom- und Wasserleitungen, erklärt Becker. Und der zweite Fluchtweg sei bei Hochhäusern auch schon da, denn ab einer Höhe von 22 Metern muss jedes Haus in Berlin eine Außenleiter haben. Und der Briefkasten? „Den brauchen die Menschen, die in so einem Haus wohnen, wahrscheinlich gar nicht, „Post läuft bei ihnen ohnehin über E-Mail und für alles andere gibt es ja ein Fach bei der Post“.
Platz für eine Bücherwand gibt es nicht
Um all diese Punkte zu klären hat Becker viele Fürstreiter, denn das Interesse, Dächer als Wohnraum zu nutzen, ist über Cabin Spacey hinaus da und daher das Engagement derjenigen, die sich mit der rechtlichen Lage eines Dachausbaus beschäftigen, groß. Allerdings sei ein transportables Minihaus ja etwas anderes als ein fester Dachausbau.
Dabei ist die Idee mit den Minihäusern nicht neu, die sogenannte Tiny(winzig)-House-Bewegung wächst seit Jahren. Doch die meisten dieser kleinen, of transportablen Häuser werden in die Natur gebaut. In Städten gibt es Minihäuser bislang kaum und noch weniger auf Dächern. Das will Cabin Spacey nun ändern. Denn gerade das Dach sei doch ein ganz besonderer Ort, sagt Becker, „es ist eine eigene Welt, die da oben stattfindet, mit Weitblick und einer gewissen Romantik“. Der Wert einer Dachfläche seí allerdings noch gar nicht bemessen.
Die Mikrohäuser eignen sich vor allem für Singles oder junge Paare, die noch keinen großen Haushalt aufgebaut haben. Denn für viele Möbel, oder eine Bücherwand ist auf den 25 Quadratmetern natürlich kein Platz. Becker bekam auch schon eine Anfrage einer Familie, die ihren pubertierenden Nachwuchs gern in ein Mikrohaus auf dem Dach auslagern würde. Auch er selbst würde gern mal in einem Mikrohaus leben. Zurzeit wohnt er mit seiner Freundin auf 65 Quadratmetern im siebten Stock in Friedrichshain. Es wäre für ihn schon eine Umstellung sich auf weniger als die Hälfte an Platz zu reduzieren, „aber für eine gewisse Zeit, warum nicht“.