Contorion

Ein Start-up für mehr Transparenz im Werkzeughandel

| Lesedauer: 4 Minuten
Jürgen Stüber
Tobias Tschötsch, Gründer des Online-Werkzeughändlers Contorion, hat seinen ersten Fachhandel eröffnet

Tobias Tschötsch, Gründer des Online-Werkzeughändlers Contorion, hat seinen ersten Fachhandel eröffnet

Foto: Amin Akhtar

Der Onlinehändler Contorion hat einen Fachmarkt eröffnet. Kunden und Hersteller meinen, das man Werkzeug vor dem Kauf anfassen muss.

Jürgen Stüber

Tobias Tschötsch und seine Gründerkollegen haben es sich anders überlegt. Eigentlich wollten sie ausschließlich im Internet Werkzeuge und Materialien für Handwerker verkaufen. Doch jetzt haben sie einen stationären Fachhandel eröffnet. „Wir wollen unseren Kunden näher sein und von ihnen lernen“, sagt Tschötsch. Die Gründer bieten auf einer Fläche von 600 Quadratmetern an der Steglitzer Goerzallee 190 Profi-Werkzeuge von Marken wie Makita, Festool und Husqvarna an.

Warum gehen Onlinehändler in die Offline-Welt? Der neue Laden des Onlineshops „Contorion“ soll kein Showroom sein. Dafür ist die Lage in Lichterfelde zu abseitig. Und er ist auch kein Baumarkt. Dafür ist er zu klein. „Baumärkte starten mit der fünffachen Fläche“, sagt Tschötsch. In den Regalen seines neuen Fachmarktes stehen neben Schraubenschlüsseln, Zangen, Hämmern und anderen Handwerkzeugen „erklärungsbedürftige Premiummarken“. Weniger die grünen Bosch-Maschinchen, die Baumärkte für den Hobbyschrauber anbieten, sondern die blauen Maschinen für den Profi, die robuster, stärker und teurer sind.

Onlinehandel entdeckt die Offline-Welt

Immer mehr Onlinehändler entdecken das stationäre Ladengeschäft. Der Möbelhändler Home24 hat vor fünf Monaten in Prenzlauer Berg ein Outlet eröffnet. Der Modehändler Zalando betreibt seit mehreren Jahren einen Laden an der Köpenicker Straße in Kreuzberg, wo er auf 1000 Quadratmetern Fläche ein breites Sortiment mit Mode, Schuhen und Accessoires anbietet. Wie in sozialen Netzwerken zu lesen ist, erfreuen sich gerade Abverkäufe bei Schnäppchenjägern hoher Beliebtheit.

Doch das Gründerteam von Contorion will nicht Outlet sein, in denen Restbestände von Saison-Kollektionen, Remittenden oder Produkte mit kleinen Schäden verkauft werden. Tschötsch und seine beiden Kollegen Frederick Roehder und Richard Schwenke haben sich dabei zum Ziel gesetzt, durch ein integriertes Zusammenspiel verschiedener Vertriebskanäle das Modell „Omnichannel“zu verfolgen: Online für geplante Käufe, Offline für beratungsintensive oder spontane Käufe, für Kunden, die ihr Produkt anfassen wollen. „Gleichzeitig werden mit Rücksicht auf Zeit und Ressourcen der Kunden das klassische Kataloggeschäft sowie ein kostenintensiver Außendienst vollständig eingespart“, heißt es bei Contorion.

Auch Hersteller wünschen persönliche Berater

Nicht nur die Kunden wollen beraten werden. Auch den Herstellern ist das wichtig. „Sie wünschen sich die Beratung“, sagt der Onlinehändler. Video-Tutorials reichen da nicht, Präsentationsflächen und der Dialog mit einem kompetenten Verkäufer sind wichtig. Wer sich für Marken wie Makita oder Hilti interessiert, will fachsimpeln, sich die Fülle der Funktionen und Zusatzaggregate erklären lassen. Ein Elektrowerkzeug muss man in die Hand nehmen, das Geräusch des Motors hören, im besten Fall sogar es ausprobieren. Onlinehandel ist also doch nicht alles. Das hat Contorion früh gelernt. „Schon vor einem Jahr haben wir Vertriebsteams aufgebaut“, sagt Tschötsch. „Wir haben festgestellt, dass Kunden persönliche Ansprechpartner wollen.“ Der neue Laden soll das Unternehmen auch in die Lage versetzen, das Spektrum seiner Dienstleistungen zu erweitern. Contorion will Wartung und Reparatur von Elektrowerkzeugen anbieten.

Bereits heute zählt das Berliner Start-up rund 100 Mitarbeiter, mehr als 150.000 Kunden und verzeichnet einen Jahresumsatz im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Der Unternehmensentwickler Project A hat sich an dem im Jahr 2014 gegründeten Unternehmen, das noch in seiner Wachstumsphase steckt, in zwei Runden finanziell beteiligt.„Noch eineinhalb bis zwei Jahre brauchen wir, bis wir schwarze Zahlen schreiben. Aber wir liegen gut im Plan“, sagt Tschötsch.

Hohe Rabatte branchentypisch

Das Unternehmen ist mit dem Anspruch gestartet, Transparenz in den Werkzeughandel für Handwerk und Gewerbe zu bringen. Etablierte Offlinehändler unterhalten ein Netzwerk von Vertretern, die mit telefonbuchdicken Katalogen zu ihren Kunden reisen und von Fall zu Fall Sonderkonditionen aushandeln. „Bei den Preisen, die mitunter 20 bis 80 Prozent unter den Listenpreisen liegen, gibt es keine Transparenz“, sagt Tschötsch. Das wollten er und seine Mitgründer ändern. „Wir haben einen Preis, der für alle gilt – Heimwerker und Profis“. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Geschäftskunden können individuelle Konditionen für Produkte aushandeln, die sie häufig für ihr Handwerk benötigen.