Neue Dienstwaffen

Berliner Polizei kauft alte Pistolen in Schleswig-Holstein

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Ulrich Kraetzer und Rüdiger Finke
Polizeischüler trainieren auf einem Schießstand der Landespolizeischule in Berlin

Polizeischüler trainieren auf einem Schießstand der Landespolizeischule in Berlin

Foto: Rainer Jensen / picture alliance / dpa

Die Behörde übernimmt für je einen Euro ausgemusterte Waffen aus Schleswig-Holstein. Kritik kommt vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Die Berliner Polizei will ihren Bestand an Schusswaffen auffüllen: Die Behörde will dafür aber keine Neuware kaufen – sondern 1139 gebrauchte und ausgemusterte Pistolen der Polizei Schleswig-Holstein. Entsprechende Informationen der Berliner Morgenpost bestätigte am Donnerstag der Sprecher der Berliner Polizei, Thomas Neuendorf. „Der Vorgang befindet sich unmittelbar vor dem Abschluss“, sagte Neuendorf.

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Auch das Innenministerium in Schleswig-Holstein bestätigte die Informationen. „Die Waffen liegen abholbereit in der Polizeidirektion Eutin“, sagte Ministeriumssprecher Patrick Tiede. Die Verträge seien den Berliner Kollegen vor etwa drei Wochen zur Unterschrift zugeleitet worden. Schleswig-Holstein warte nur noch auf die Unterschrift und den Eingang der vereinbarten Kaufsumme.

Der Kaufpreis ist eher symbolisch

Diese ist eher symbolischer Natur. Wie Berlins Polizeisprecher Neuendorf sagte, soll Berlin für die gebrauchten Waffen je einen Euro zahlen. Finanziell dürfte das verkraftbar sein. Bei den Mitarbeitervertretungen in Berlin sorgt das Geschäft dennoch nicht für Begeisterung. Denn das Modell, das Berlin Schleswig-Holstein abnehmen will, die P6 des Herstellers Sig Sauer, wurde erstmals 1978 hergestellt und ist technisch gesehen nicht auf dem neuesten Stand. „Schleswig-Holstein will die Waffen ja nicht ohne Grund loswerden“, sagte der Berliner Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Michael Böhl.

Tatsächlich umfasst das Magazin der P6 nur acht Patronen und damit deutlich weniger als neuere Modelle. Die Waffe wird aktuell zudem nicht mehr ausgeliefert, sodass auch die Wartung komplizierter werden könnte. Die aktuell genutzte Munition sei zudem nicht optimal auf die alten Geräte abgestimmt und würde diese über Gebühr in Anspruch nehmen. Böhl: „Es kann nicht sein, dass unsere Beamten mit Waffen aus den 70er-Jahren herumlaufen müssen.“ Die Polizei verteidigte den Kauf. Man habe zwar stets eine ausreichende Zahl von Waffen im Bestand gehabt, sagte Sprecher Neuendorf. Mit der Anschaffung habe man aber mögliche Engpässe in der Zukunft verhindern wollen. Die aus Schleswig-Holstein übernommenen Pistolen seien technisch einwandfrei und durch Fachpersonal überprüft worden. Das Modell P6 entspreche den bundesweit geforderten Standards für Dienstpistolen der Polizei.

Andere Länder setzen auf moderne Modelle

Die P6 ist schon seit Jahren die Standardpistole Berliner Polizisten. Viele der Waffen hat die Behörde bereits seit den 80er-Jahren im Bestand. Die P6 wird allerdings nicht mehr produziert. Die Waffen würden daher „hohe Verschleißerscheinungen“ zeigen und daher bald gegen ein „moderneres und wirtschaftlicheres Modell“ ausgetauscht, heißt es bei der Polizei. Wann es so weit sein soll, stünde „aufgrund des großen Beschaffungsvolumens und des damit verbundenen logistischen Aufwandes“ allerdings noch nicht fest, räumte Sprecher Neuendorf ein.

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Mit der P6 steht die Berliner Polizei schon jetzt ziemlich alleine da. Die Polizeibehörden der übrigen Bundesländer sowie die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt setzen längst auf modernere Modelle jüngeren Datums. Brandenburg nutzt beispielsweise die seit 2014 auf dem Markt erhältliche SFP9 des Herstellers Heckler und Koch. Aus Schleswig-Holstein heißt es zur dort nicht mehr benötigten P6: „Die Waffen wurden ausgemustert, weil die Landespolizei eine neue Dienstwaffe beschafft hat.“

Aus Sicht des innenpolitischen Sprechers der Grünen, Benedikt Lux, zeigt die Anschaffung, dass die Polizei den „Schuss mit der scharfen Waffe systematisch vernachlässigt“. Lux erinnerte daran, dass viele Schießstände wegen zu hoher Schadstoffbelastungen geschlossen werden mussten, sodass die gut 16.000 Vollzugsbeamten nicht mehr richtig trainieren könnten. „Der Kauf der gebrauchten P6 zeigt, wie nachlässig mit der Schusswaffe als Ausrüstungsgegenstand umgegangen wird“, sagte Lux. Er erwarte, dass die Polizei Sicherheitsrisiken für die Beamten ausschließen könne, so der innenpolitische Sprecher der Grünen.