Raed Saleh, selbstbewusster Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus, macht sich jetzt für Berlins Gymnasien stark. „Für mich ist das Gymnasium ein wichtiges Instrument für Bildung und sozialen Aufstieg. Berlin braucht Gymnasien und Sekundarschulen. Wir werden nicht zulassen, dass beides gegeneinander ausgespielt wird“, sagte er am Freitag der Berliner Morgenpost.
Die Vielfalt im Bildungsbereich sei „von Vorteil“. Raed Saleh will den Schutz und die Stärkung der bestehenden Gymnasien im künftigen Koalitionsvertrag festschreiben. Dazu muss allerdings die SPD auch nach der Abgeordnetenhauswahl an der Landesregierung beteiligt sein, wovon der Spandauer Sozialdemokrat natürlich ausgeht.
Mehr Sozialarbeiter und Sozialpädagogen auch
Saleh plant konkrete Verbesserungen. „Wir wollen, dass die Berliner Gymnasien schrittweise zu Ganztagsschulen ausgebaut werden“, erklärte er. Das schaffe ein noch besseres Lernumfeld und ein höheres Niveau der Leistungen. Zudem sollen mehr Lehrer für die siebten Klassen, also das Probejahr am Gymnasium, eingestellt werden. „Hier brauchen manche Kinder mehr Unterstützung, um das Probejahr zu bestehen und später einen Bildungsabschluss zu erreichen“, so der Fraktionschef.
Zudem möchte er Sozialarbeiter und Sozialpädagogen auch für Gymnasien. Schließlich könnten sich diese ebenso zu Brennpunktschulen entwickeln wie Sekundarschulen. Die zu erwartenden Mehrkosten schrecken ihn nicht. „Bildung darf nicht nur etwas kosten, sie soll etwas kosten. Wir können es uns gar nicht leisten, nicht in Bildung zu investieren“, sagte er.
In der rot-schwarzen Koalition trat stets die CDU als Bewahrer und Verteidiger der Gymnasien auf. Diese Position ist auch ein wesentlicher Punkt in ihrem Wahlprogramm. Die Union hegt den Verdacht, dass die SPD und insbesondere Bildungssenatorin Sandra Scheeres diese Schulform als ungeliebtes Kind betrachten und eine Förderung ablehnen. Scheeres hat das mehrfach zurückgewiesen. Insbesondere der Vorwurf, die SPD wolle die Gymnasien am liebsten abschaffen, sei absurd und eine haltlose Unterstellung.
Vorstoß zielt auf ein rot-rot-grünes Bündnis
Möglicherweise zielt Salehs Vorstoß auf ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Wahl. „Mit uns wird es keinen Klassenkampf ums Gymnasium geben. Ich stehe für eine ideologiefreie Bildungspolitik. Die Frage kann doch nur sein: Welche Schule passt zu welchen Kindern?“, sagte er. Er beteilige sich aber nicht an Spekulationen über mögliche Koalitionen, er sage nur „was ihm wichtig ist“.
Bei der CDU reagierte man überrascht auf Salehs Äußerungen. „Die CDU hat jede einzelne Maßnahme für eine ideologiefreie Bildungspolitik gegen Beharrungskräfte in der SPD erkämpfen müssen“, sagte Florian Graf, Fraktionschef der Union. Es sei „dringend notwendig“, dass die SPD „die klare Haltung der CDU“ in der Schulpolitik aufgreife. „Und zwar nicht nur vor Wahlen, sondern durch aktive politische Entscheidungen.“ Erst die Regierungsbeteiligung der CDU habe „ideologische Fehlstellungen aus zehn Jahren Rot-Rot beseitigt“. Dazu zählte Graf die Aufhebung des Zwangs beim jahrgangsübergreifenden Lernen und bei der Früheinschulung.
Bildungssenatorin ist erfreut über den Vorstoß
Bildungssenatorin Scheeres zeigte sich dagegen erfreut über die Positionierung ihres Parteifreundes. „Das liegt auf unserer Linie“, erklärte ihre Sprecherin Beate Stoffers. Zurzeit hätten 25 der 91 Gymnasien einen Ganztagsbetrieb. Das wolle auch die Verwaltung ausweiten, zugleich eine Qualitätsentwicklung vornehmen. Die Lehrerausstattung für die siebte Klasse sei bereits an die der Sekundarschulen angeglichen worden, so Stoffers.
Ramona Pop, Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl, sieht die Äußerungen des SPD-Fraktionschefs indes „als Vorbereitung von weiteren fünf Jahren Rot-Schwarz“. Saleh zitiere das Programm der CDU. Der Schulfrieden, der unter anderem Gymnasien und Sekundarschulen vorsieht, sei eine wichtige Errungenschaft. Das bedeute aber nicht, dass man nichts tun müsse, um die Bildungsqualität zu verbessern.