Berlin

Nicht familienfreundlich, viele Beschimpfungen

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Andreas Abel

Warum die Polizei mit einem weiblichen Nachwuchsmangel zu kämpfen hat – Politiker sehen Imageproblem

Die Zahl der Bewerbungen für einen Job bei der Polizei ist nach wie vor um ein Vielfaches höher als die der besetzten Anwärterstellen. Das geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux hervor. So wurden im Herbst 2015 und im Frühjahr 2016 jeweils 264 Anwärter im mittleren Dienst der Schutzpolizei eingestellt. Beworben hatten sich beim ersten Termin mehr als 4400 Menschen, beim zweiten knapp 3600.

Zum Vergleich: Im Herbst 2006, dem Beginn der statistischen Erfassung, zählte die Polizei 5500 Bewerbungen, im Frühjahr 2007 fast 2400. Damals gab es aber nur 150 beziehungsweise 60 Anwärterstellen, die zu besetzen waren.

Auch für den gehobenen Dienst bei der Schutz- und der Kriminalpolizei ist die Bewerberlage akzeptabel. Bei der Kripo waren im vergangenen Jahr 120 Anwärterstellen zu besetzen, dafür lagen rund 4300 Bewerbungen vor. Bei der Schutzpolizei kamen auf 240 Stellen mehr als 2500 Bewerber. Der Dienst bei der Polizei ist also offenbar noch attraktiv.

Das sehen allerdings inzwischen weniger Frauen so. Ihr Anteil an den eingestellten Anwärtern ist im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren gesunken. Auch der Anteil an den Bewerbungen ging im entsprechenden Maß nach unten. „Der Anteil von Frauen an den Einstellungen korrespondiert mit dem Anteil an den Bewerbungen“, erklärte Polizeisprecher Winfrid Wenzel.

Innenpolitiker kritisieren den geringen Frauenanteil unter den Anwärtern. Es seien insgesamt zu wenige Frauen bei der Polizei und insbesondere zu wenige in Führungspositionen, sagte Benedikt Lux. Viele Überstunden und Großeinsätze am Wochenende machten zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwer. Auch der Abgeordnete Tom Schreiber (SPD) rief die Polizei auf, den Frauenanteil zu steigern. Eine gute Geschlechter­mischung verbessere die Kultur innerhalb einer Behörde. „Die Polizei sollte ein Spiegel der Gesellschaft sein“, mahnte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Offenbar erscheine die Polizei Frauen nicht als interessanter Arbeitgeber.

Jendro und der Vorsitzende des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus, Peter Trapp (CDU), nannten noch einen weiteren Grund, der Frauen davon abhalten könne, zur Polizei zu gehen: die zunehmende Zahl von Übergriffen auf Polizisten. Und auch das Bild der Polizei in der Gesellschaft könne Frauen abschrecken, so Trapp. Früher seien Polizisten als „Freund und Helfer“ betrachtet worden, dann als „Bullen“, heute heiße es häufig „All cops are bastards“.

Benedikt Lux vermutete zudem, die gesunkene Frauenquote könne mit dem 2011 veränderten Auswahlverfahren zusammenhängen. Seitdem gibt es eine Onlinebewerbung und einen PC-gestützten Eignungstest, die Vorauswahl erfolgt nicht mehr über den Mindestnotenschnitt (Numerus Clausus). Das wies Polizeisprecher Wenzel zurück. Es sei kein Grund erkennbar, warum das Onlinebewerbungsverfahren und das neue Testsystem negativen Einfluss speziell auf die Ergebnisse der Bewerberinnen haben sollten. Allerdings habe das alte Auswahlverfahren Frauen einen Vorteil beschert, der nun weggefallen sei. Der Numerus Clausus habe zu einem überproportionalen Zugang von Frauen zum eigentlichen Auswahltest geführt, da diese regelmäßig über bessere Schulnoten verfügten als Männer.