Sicherheit

Bewerbermangel: Berlin braucht mehr Polizistinnen

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Andreas Abel
Eine Polizistin der Bundespolizei

Eine Polizistin der Bundespolizei

Foto: Matthias Balk / dpa

Bei der Polizei ist der Frauenanteil unter eingestellten Anwärtern und Bewerbern rückläufig. Die Behörde will verstärkt um Frauen werben.

Bei der Berliner Polizei werden prozentual weniger Frauen eingestellt als vor zehn Jahren. So traten zum Beispiel im Herbst 2006 im mittleren Dienst der Schutzpolizei 150 Anwärter ihren Dienst an, darunter waren 54 Frauen oder 36 Prozent. Im Herbst 2015 und im Frühjahr 2016 wurden jeweils 264 Anwärter eingestellt. Beim ersten Termin waren 37 Frauen dabei, beim zweiten 43, also 14 beziehungsweise 16 Prozent. Das geht aus der Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux hervor.

Im gehobenen Dienst der Schutzpolizei sieht es nur unwesentlich besser aus. Lag 2006 und 2007 der Frauenanteil bei den eingestellten Anwärtern noch bei 37 Prozent, betrug er im Frühjahr 2015 exakt 20 Prozent, im Herbst 2015 knapp 33 Prozent und im Frühjahr 2016 nur noch 17,5 Prozent. Im gehobenen Dienst der Kriminalpolizei wurden 2006 und 2007 sogar mehr Frauen als Männer eingestellt, 2006 waren es 53 Prozent, 2007 knapp 63 Prozent. 2015 kam die Polizei nur noch auf einen Anwärterinnenanteil von 34 Prozent, beim Einstellungstermin in diesem Frühjahr auf 43 Prozent.

„Zumindest in Teilen dem Zufall geschuldet“

Die Polizei weist darauf hin, dass der Rückgang in den einzelnen Laufbahnen über die Jahre hinweg betrachtet unterschiedlich ausgeprägt sei. Allein im Zeitraum der vergangenen fünf Jahre gebe es eine Schwankungsbreite beim Anteil eingestellter Frauen von nahezu 35 Prozentpunkten bei der Kriminalpolizei und knapp 16 Prozentpunkten beim gehobenen Dienst der Schutzpolizei. „Das lässt eine klare Tendenz nicht erkennen, sondern muss zumindest in Teilen als dem Zufall geschuldet anzusehen sein“, erklärte Polizeisprecher Winfrid Wenzel auf Anfrage der Berliner Morgenpost.

>>> Kommentar: Polizei muss attraktiver für Bewerberinnen werden

Doch nicht nur der Frauenanteil bei den eingestellten Anwärtern ist gesunken, auch die Zahl der Bewerberinnen ging nach unten. „Der Anteil von Frauen an den Einstellungen korrespondiert mit dem Anteil an den Gesamtbewerbungen“, sagte Wenzel. Der Anteil von Frauen an den Bewerbungen schwanke zwar stark, bewege sich jedoch seit 2011 „um einen weitgehend stabilen Mittelwert herum“. Eine Ausnahme sei der mittlere Dienst der Schutzpolizei. Seit 2013 würden dort wieder „lebensältere Dienstanfänger“ im Alter von 30 bis 39 Jahren eingestellt. Auf diese Stellen würden sich traditionell wenig Frauen bewerben.

Polizei will Vorbilder anbieten

Die Behörde will die Situation indes nicht hinnehmen. „Wir sind selbstverständlich daran interessiert, den Anteil von Frauen zu erhöhen und ihre besonderen und weitreichenden Kompetenzen zum Wohle der Bürger, aber auch der Behörde selbst einzusetzen“, erklärte der Polizeisprecher. Um weibliche Nachwuchskräfte zu motivieren und zu mobilisieren, würden Werbemaßnahmen entsprechend ausgerichtet. Dazu gehöre eine geeignete Fotoauswahl ebenso wie das Anbieten von Vorbildern. Weibliche Auszubildende würden in Messeauftritte einbezogen und Polizistinnen in Berufsinformationsveranstaltungen.

Innenpolitiker kritisieren parteiübergreifend den geringen Frauenanteil unter den Anwärtern. „Die Polizei muss Frauen gezielter ansprechen“, sagte Benedikt Lux (Grüne). Es seien insgesamt zu wenige Frauen bei der Polizei und insbesondere zu wenige in Führungspositionen. Viele Überstunden und Großeinsätze am Wochenende machten zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwer und ließen den Beruf für Frauen unattraktiv erscheinen.

Polizei sollte „Spiegel der Gesellschaft“ sein

Auch der Abgeordnete Tom Schreiber (SPD) rief die Polizei auf, den Frauenanteil zu steigern. Eine gute Geschlechter­mischung verbessere die Kultur innerhalb einer Behörde. „Die Polizei sollte ein Spiegel der Gesellschaft sein“, mahnte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Offenbar erscheine die Polizei Frauen nicht als interessanter Arbeitgeber.

Jendro und der Vorsitzende des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus, Peter Trapp (CDU), nannten noch einen weiteren Grund, der Frauen davon abhalten könne, zur Polizei zu gehen: die zunehmende Zahl von Übergriffen auf Polizisten. Und auch das Bild der Polizei in der Gesellschaft könne Frauen abschrecken, so Trapp. Früher seien Polizisten als „Freund und Helfer“ betrachtet worden, dann als „Bullen“, heute heiße es häufig „All cops are bastards“.

Fragen zum neuen Auswahlsystem

Benedikt Lux vermutete zudem, die gesunkene Frauenquote könne mit dem 2011 veränderten Auswahlverfahren zusammenhängen. Seitdem gibt es eine Onlinebewerbung und einen PC-gestützten Eignungstest, die Vorauswahl erfolgt nicht mehr über den Mindestnotenschnitt (Numerus Clausus). Das wies Polizeisprecher Wenzel zurück. Es sei kein Grund erkennbar, warum das Onlinebewerbungsverfahren und das neue Testsystem negativen Einfluss speziell auf die Ergebnisse der Bewerberinnen haben sollten. Allerdings habe das alte Auswahlverfahren Frauen einen Vorteil beschert, der nun weggefallen sei. Der Numerus Clausus habe zu einem überproportionalen Zugang von Frauen zum eigentlichen Auswahltest geführt, da diese regelmäßig über bessere Schulnoten verfügten als Männer.

Eine bessere Bilanz kann die Berliner Polizei bei den Anwärtern mit Mi­grationshintergrund vorweisen. Deren Anteil hat sich in allen Laufbahnzweigen deutlich erhöht. Bei der Kripo lag er im Frühjahr 2016 bei 30 Prozent, bei der Schutzpolizei (mittlerer Dienst) bei 27 Prozent. Vor wenigen Jahren waren es noch sechs Prozent.

17 Bewerber auf eine Stelle

Die Zahl der Bewerbungen für einen Job bei der Polizei ist nach wie vor um ein Vielfaches höher als die der besetzten Anwärterstellen. Auch das geht aus der Antwort der Senatsinnenverwaltung auf die parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Lux hervor. So wurden im Herbst 2015 und im Frühjahr 2016 jeweils 264 Anwärter im mittleren Dienst der Schutzpolizei eingestellt. Beworben hatten sich beim ersten Termin mehr als 4400 Menschen, beim zweiten knapp 3600.

Zum Vergleich: Im Herbst 2006, dem Beginn der statistischen Erfassung, zählte die Polizei 5500 Bewerbungen, im Frühjahr 2007 fast 2400. Damals gab es aber nur 150 beziehungsweise 60 Anwärterstellen, die zu besetzen waren.

Auch für den gehobenen Dienst bei der Schutz- und der Kriminalpolizei ist die Bewerberlage akzeptabel. Bei der Kripo waren im vergangenen Jahr 120 Anwärterstellen zu besetzen, dafür lagen rund 4300 Bewerbungen vor. Bei der Schutzpolizei kamen auf 240 Stellen mehr als 2500 Bewerber. Der Dienst bei der Polizei ist also offenbar noch attraktiv – nur für viele Frauen nicht.