Berlin-Trend

Mehrheit der Berliner hält Flüchtlinge für eine Bereicherung

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Joachim Fahrun
Notunterkünfte für Flüchtlinge am Tempelhofer Feld in Berlin

Notunterkünfte für Flüchtlinge am Tempelhofer Feld in Berlin

Foto: Rainer Jensen / dpa

Der neueste Berlin-Trend zeigt aber auch die Sorgen, die der Zuzug aus muslimischen Ländern vielen Menschen in der Hauptstadt bereitet.

Die Trennlinie verläuft zwischen Jung und Alt, aber vor allem zwischen den weniger Gebildeten und den Berlinern mit Abitur. Die Meinungen und Aussagen zu Flüchtlingen, zum Islam und auch zur Angst vor Terror unterscheiden sich in den unterschiedlichen Berliner Bevölkerungsgruppen erheblich. Während junge und gut Gebildete den Asylsuchenden positiv gegenüberstehen und weniger Sorgen haben, stellt sich die Stimmungslage bei älteren und weniger gebildeten Hauptstädtern deutlich anders dar.

Das zeigen die Detaildaten des Berlin-Trends, für den Infratest dimap im Auftrag der Berliner Morgenpost und der RBB-„Abendschau“ zwischen dem 11. und 15. August 1001 wahlberechtigte Berliner befragte. Die Ergebnisse sind repräsentativ, die statistische Fehlertoleranz liegt für hohe Prozentzahlen bei 3,1 und für niedrige bei 1,4 Punkten.

60 Prozent der Senioren fürchten Einfluss des Islam

Zwei Drittel der 18 bis 34 Jahre alten Berliner empfinden Flüchtlinge ein Jahr nach Kanzlerin Merkels Satz „Wir schaffen das“ noch immer als Bereicherung für das Leben in der Stadt. Unter den älteren Berlinern sagt das nur jeder Zweite. Ähnlich hoch wie bei den Jungen ist die Zustimmung zu Flüchtlingen bei Menschen mit Abitur oder Fachhochschulreife. Ganz anders das Bild bei den Berlinern mit Haupt- oder Volksschulabschluss: Von ihnen sehen 55 Prozent keine Bereicherung durch die Geflüchteten.

Entsprechend fällt das Meinungsbild aus zu der Frage, ob Berlin mehr Flüchtlinge aufnehmen könnte. Die Jungen sagen zu zwei Dritteln Ja, die Menschen über 65 hingegen zu 54 Prozent Nein. Abiturinhaber sind ebenfalls zu zwei Dritteln offen für weiteren Zuzug, Hauptschulabsolventen nur zu einem Drittel.

Womöglich liegt es an der persönlichen Lebenssituation, dass sich etwa die Hälfte der geringer gebildeten Berliner wegen der Muslime manchmal in der Stadt fremd fühlt. Sie haben in der Regel ein geringeres Einkommen und leben oft in solchen Stadtteilen, in denen auch viele Einwanderer wohnen. Um die wenigen niedriger qualifizierten Jobs konkurrieren sie eher als Menschen mit Abitur oder Hochschulabschluss. Von diesen empfindet nur jeder Sechste das Gefühl von Fremdheit.

Ein ähnliches Bild bietet der Blick auf die Sorgen der Berliner. Nicht einmal jeder Dritte der Jüngeren fürchtet sich vor steigendem Einfluss des Islam durch die Flüchtlinge, wohl aber 60 Prozent der Senioren über 65 Jahren. Noch stärker (63 Prozent) ist diese Angst unter den weniger Gebildeten verbreitet, während am anderen Ende der Bildungsskala 70 Prozent diese Sorge nicht teilen. Auch bei der Angst vor mehr Straftaten ist die Stimmung der Berliner in vergleichbarer Weise geteilt.

Grünen-Wähler fürchten negative Folge der Zuwanderung am wenigsten

Die Angst vor Terroranschlägen wie in einem Regionalzug bei Würzburg Ende Juli treibt mit 53 Prozent eine Mehrheit um. Deutlich überdurchschnittlich verbreitet ist sie aber wieder unter den Älteren und den Berlinern mit niedrigem oder mittlerem Schulabschluss. Um unsere Werte und Lebensweise fürchten insgesamt 38 Prozent der Befragten. Unter den Jüngeren liegt der Anteil aber nur halb so hoch. Unter Älteren und weniger Gebildeten ist diese Einschätzung bei der Hälfte der Befragten ausgeprägt.

Nach politischen Lagern sortieren sich die Menschen ebenfalls in ein klares Muster ein. Am meisten Offenheit gegenüber Flüchtlingen und am wenigsten Sorge vor negativen Folgen herrscht unter den Wählern der Grünen, unter denen sich auch überproportional viele Junge und Gebildete befinden. Es folgen die Anhänger der Linken vor den Sympathisanten der SPD. Im Lager der CDU halten sich beide Pole die Waage.

Die FDP-Anhänger stehen mit ihren Einschätzungen am nächsten an denen der AfD-Wähler. Wenig überraschend bilden die Rechtspopulisten den Gegenpol zu den Grünen. 88 Prozent von ihnen teilen die Sorge, der Islam könnte in Deutschland zu stark werden.