Unternehmertafel

Immer mehr Konkurrenz für Banken aus dem Internet

| Lesedauer: 6 Minuten
Jürgen Stüber
Die Unternehmertafel der Berliner Morgenpost (sitzend v.l.): Mark Hauel, Christian Bartz, Jens Holtkamp, Jürgen Allerkamp, Ramin Niroumand, Jan Goslicki, Jürgen Stüber; (stehend v.l.): Jan Schiller, Karl-Matthäus Schmidt, Beate Hofmann, Jochim Stoltenberg, Carsten Jung, Christine Richter, Christian Samwer, Michael Stephan

Die Unternehmertafel der Berliner Morgenpost (sitzend v.l.): Mark Hauel, Christian Bartz, Jens Holtkamp, Jürgen Allerkamp, Ramin Niroumand, Jan Goslicki, Jürgen Stüber; (stehend v.l.): Jan Schiller, Karl-Matthäus Schmidt, Beate Hofmann, Jochim Stoltenberg, Carsten Jung, Christine Richter, Christian Samwer, Michael Stephan

Foto: Amin Akhtar

Immer mehr Online-Unternehmen bieten Finanzdienstleistungen an. Konstruktive Diskussion bei der Unternehmertafel der Morgenpost.

Berlin.  Die Zukunft der Banken, ihre Konkurrenz aus dem Internet und die Rolle Berlins beim Boom der Digital-Unternehmen für Finanzdienstleistungen, die „FinTechs“ genannt werden – diese Themen standen im Mittelpunkt der 50. Unternehmertafel, zu der Berliner Morgenpost und die Investitionsbank Berlin (IBB) zwölf hochkarätige Vertreter der Finanzbranche ins Waldorf Astoria eingeladen hatten.

Berlin gilt mit schätzungsweise hundert Unternehmen als Zen­trum der deutschen FinTech-Branche – hinter London, das durch den Brexit aber an Bedeutung verlieren könnte, und weit vor Frankfurt, das ein internationales Zentrum der etablierten Finanzwirtschaft ist. „In Berlin spielt die Musik“, sagte IBB-Vorstandsvorsitzender Jürgen Allerkamp in seiner Standortanalyse. „Durch den Brexit ist das Thema noch heißer geworden. Berlin kann es schaffen, mit seiner digitalen Kompetenz und seiner vitalen Szene, sich als europäischer Standort zu behaupten.“

Nischenfirmen im Vorteil

Der Weg dorthin ist anstrengend. Von den Unternehmen, die vor der Finanzkrise im Jahr 2000 gegründet wurden, ist in Berlin nur PayPal übrig. „In Deutschland ist es in den letzten 15 Jahren nur Direktbanken gelungen, eta­blierten Kreditinstituten spürbar Konkurrenz zu machen und Marktanteile abzunehmen“, sagt Allerkamp. Er nannte die Deutsche Kreditbank (DKB) mit Hauptsitz in Berlin als herausragendes Beispiel.

Allerkamp beziffert den Marktanteil der Direktbanken mit zehn Prozent. Das ist ein überschaubarer Anteil, den Chris Bartz vom Branchenverband Bitkom für untertrieben hält. Weniger als jede zweite Baufinanzierung wird heute noch in Filialen getätigt“, sagt er. „Es gibt kaum ein Feld, wo klassische Anbieter noch mehr als 50 Prozent haben. Spezialisierte Firmen sind im Vorteil gegenüber Allfinanzanbietern.“

„Die Start-ups haben keinen Berlinstolz“

Sie arbeiten aber auch in ihren Nischen, jeder für sich. Die Szene ist fragmentiert. „In Frankfurt gibt es eine Menge Aktivitäten, hier nichts“, sagt Karl Matthäus Schmidt, der Vorstandsvorsitzende der Quirin Bank. Er leitet das private Geldhaus in der sechsten Generation. Ramin Niroumand, Gründungsgeschäftsführer der Unternehmensschmiede FinLeap (neun Start-ups mit mehr als 250 Angestellten in zwei Jahren), stimmt ihm zu: „Wir müssen zusammenhalten. Die Start-ups haben keinen Berlinstolz.“

Den aber brauchen sie, wenn sie international bestehen wollen. Berlin müsse global denken, denn die Konkurrenz sei nicht in Frankfurt oder London, sondern in Asien und den USA. „Wir haben schon den Bereich Payment dem Ausland überlassen, das darf uns in anderen Branchen nicht passieren – die Technologie dafür haben wir.“ Auch Bitkom-Vertreter Bartz, im Hauptberuf Venture Partner bei Finleap, unterstrich: „Berlin muss sich international positionieren.“

FinTech-Campus könnte Sandort stärken

Niroumand regte den Aufbau eines FinTech-Zentrums in Berlin an: „Jeder packt eine halbe Million Euro auf den Tisch, dann bauen wir einen Hub“, sagte er plakativ in die Runde. Hub bedeutet Knotenpunkt. „Die Zeit zu warten, bis einer ein Zalando der FinTechs gegründet hat, haben wir nicht. Wir sind die Branche, die mit Geld umgehen kann.“ Die Resonanz auf den Vorschlag war eher verhalten. Einzig der stellvertretende Vorsitzende der Berliner Volksbank, Carsten Jung, zeigte sich interessiert und verwies auf das Immobilienangebot seines Hauses mit zahlreichen Projektstandorten.

Ein solcher Hub würde die Kommunikation zwischen einzelnen Start-ups erleichtern, so Niroumand. Auch die Akquise von Personal würde einfacher. Ein Hub könnte auch die Entwicklung der Branche beschleunigen. Beate Hofmann (Deutsche Bank), deren Konzern in Frankfurt gerade eine Digitalfabrik mit 450 Arbeitsplätzen aufbaut, brachte in diesem Zusammenhang den Start-up-Campus Factory Berlin ins Spiel.

Darlehen statt VC-Kapital

Die Finanzierungslücke in der Wachstumsphase macht FinTech-Unternehmen in Berlin weiter zu schaffen. Eine Lösung könnte hier ein Fonds sein, der Unternehmen Kapital auf Darlehensbasis anbietet. Das hätte für die Unternehmen den Vorteil der Liquidität, ohne auf Unternehmensanteile verzichten zu müssen, wie das bei herkömmlichen Finanzierungsrunden mit Wagniskapitalgebern der Fall ist. Investoren könnten in einem solchen Fonds ihr Kapital zusammenlegen und gemeinsam aus diesem Pool größere Summen investieren, regte Niroumand an.

Einigkeit zwischen neuen und eta­blierten Finanzdienstleistern herrscht bei der Abneigung gegen staatliche Intervention. Allerdings gab der Bitkom-Vertreter zu bedenken, die Politik könne sich aus dem hochregulierten Umfeld nicht raushalten. „Die Politik muss mit der Zeit gehen und darf nicht verzerrend in die Förderung eingreifen“, sagte Mark Hauel (DKB).

Sandbox für FinTechs angeregt

Michael Stephan, Gründer der Crowdinvestment-Plattform iFunded sprach dagegen von „absurden Hürden für Privatanleger“ bei den Obergrenzen für Nachrangdarlehen auf seiner Plattform. Jan Goslicki, dessen Start-up Bitwala internationale Überweisungen mit der Crypto-Währung Bitcoin anbietet, sprach sich in diesem Zusammenhang für das Londoner Sandkastenmodell aus. Dort können Start-ups ihre Geschäftsmodelle bei begrenzten Eingriffen der Regulierungsbehörden am Markt testen.

Die Schnelleren setzen sich durch

Der Überlebenskampf in der Finanzbranche ist längst nicht entschieden. „Die Besseren und Schnelleren setzen sich durch“, lautet die Prognose von Beate Hofmann. Konzept der Deutschen Bank sei, mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Auch Christoph Samwer, Mitgründer der Crowdlending-Plattform Lendico, sieht in Kooperationen mit etablierten Geldhäusern ein Zukunftsmodell, wenn es darum geht, Marktanteile zu gewinnen. „Es wird auch in Zukunft erfolgreiche Banken geben. Ich kann mir eine Welt ohne Kreditinstitute nicht vorstellen“, sagt Jürgen Allerkamp. Aber auch er mahnt: „Banken müssen schneller werden.“ Doch sie haben auch einen Vorteil gegenüber FinTechs, denn Kunden wollen kein Sammelsurium unterschiedlicher Nischenangebote. „Sie wollen Komplettangebote.“ Allerkamps Fazit: „Die Banken haben den Schuss gehört.“