Auf dem Tempelhofer Feld steht ein Lehmofen. Einmal angemeldet, kann dort jeder nach Herzenslust backen.
„Mist, ich hab’ den Käse vergessen!“ Guter Pizza-Start. Sogleich entspinnt sich eine kleine Fachdiskussion über die Frage, ob die originale Pizza Marinara nicht ohnehin ohne Käse konzipiert ist und ob den Käse auf der Pizza nicht eigentlich die Amerikaner dazuerfunden hätten?
Egal, alle wollen Käse, so steigt Harald Viersen auf sein Fahrrad, um beim Späti noch welchen zu kaufen. Der 31-jährige Niederländer ist heute auf dem Tempelhofer Feld mit zwei Freunden verabredet, zu einem Mittagessen der besonderen Art – es wird Pizza gebacken, und zwar unter freiem Himmel.
Sofort ins Auge springt der kuppelförmige Lehmofen im Gemeinschaftsgarten Rübezahl am südöstlichen Feldrand zunächst nicht, man muss ein wenig suchen. Seit 2014 steht er hier. „Öffentliche Öfen sind eine kulturübergreifende Tradition. Es gab sie früher auch bei uns“, erklärt Elisophie Eulenburg, die das Ofenprojekt gemeinsam mit ihrem ehemaligen Mitbewohner Juan Carlos Mejia, Architekt seines Zeichens, ins Leben gerufen hat.
Großes Interesse am öffentlichen Raum
„Wir fanden das Tempelhofer Feld toll, weil man hier seine Ideen realisieren kann. Wir hatten große Lust, selbst etwas vorzuschlagen“, sagt die 32-Jährige, die als Videokünstlerin schon beruflich großes Interesse am öffentlichen Raum mitbringt. „Es reizte uns, aus dem Stadtraum aus Eigeninitiative mehr rauszuholen als die öffentliche Hand anbietet.“
Und wieso Pizza? Juan Carlos und Elisophie arbeiteten im selben Imbiss. Dort gab es zwar keine Pizza, aber Quiche – ebenfalls rund, belegt und essbar. Und ein Backofen, so fanden sie, sei die simpelste Variante einer öffentlichen Küche. So simpel, dass vor ihnen schon andere diese Idee hatten. Sie aber nicht umgesetzt haben. „Wegen all der Bestimmungen, die es nicht gibt“, lacht Elisophie, gebürtige Pforzheimerin. Sie und Juan Carlos waren wohl am hartnäckigsten, rannten von Amt zu Amt und landeten letztendlich beim Schornsteinfeger. Wo sich schließlich herausstellte, dass man für den Bau doch keine Genehmigung braucht.
Um den Ofen benutzen zu können, reicht eine Registrierung auf der Pizza-Homepage (Adresse siehe unten). Gegen eine kleine Spende, mit der laufende Kosten wie Reparatur und Webseitenpflege bestritten werden, bekommt man Zugang zum Online-Pizza-Kalender und kann sich dort von April bis Oktober eintragen.
Die Anleitung zum Anfeuernist inklusive
„Momentan haben wir an die 50 Nutzer“, schätzt Elisophie. Besonders im Sommer sind die Wochenenden fast immer ausgebucht, viele nutzen die warmen Tage und lauen Abende für dieses besondere Mittagessen oder Abendbrot mit Freunden und Familie unter freiem Himmel. Eine Anleitung zum Anfeuern bekommt man auf Elisophies Webseite.
Die scheint auch nötig zu sein, denn noch abrufbare Kachelofen-Erfahrung haben immer weniger Berliner. So hält eine junge Frau im Vorübergehen inne. „Hallo, macht ihr grad Pizza? Wir haben es neulich versucht, aber mit dem Anheizen, das hat nicht so geklappt.“ Ob sie Hartholz verwendet hätten? Nein, kleine Äste, und die hätten ganz schön gequalmt. „Ja, die verbrennen leicht. Und das Holz darf nicht zu feucht sein“, erklärt ihr Elisophies Freund Willem Flinterman.
Dann beäugt der 31-jährige Niederländer die Lehmkuppel kritisch. „Das Loch da ist ganz schön groß, das müsste man mal stopfen“, meint er. „Das Backen geht schneller ohne Loch!“ Durch das Durchheizen und den ständigen Gebrauch entstünden Risse, das sei ganz normal, sie ließen sich mit Lehm stopfen. Gebaut haben die Hobby-Pizzaiolos den Ofen mithilfe vieler Freunde. Unten ein Schachtring, wie er für Abwassersysteme verwendet wird, darauf ein Schachtringdeckel aus Beton. „Der dient als Fundament“, erklärt Elisophie, denn eines zu gießen, hätte gegen die Bestimmungen auf dem Tempelhofer Feld verstoßen, denen zufolge alles, was sich auf dem Gelände befindet, mobil zu sein hat.
Den Ofen ziert eine Kuppel aus mit Stroh versetztem Lehm
Dann eine Schicht Blähton zur Isolierung, mit Backsteinen ummauert, darauf Schamottsteine, auf denen die Pizza gebacken wird, unter einer Kuppel aus mit Stroh versetztem Lehm. Willem erzählt, wie einmal eine ältere türkische Frau im Vorbeigehen angehalten, ihnen eine Weile beim Kneten des Teiges zugesehen und sich dann mit einem resoluten „Lasst mich das mal machen!“ den Platz am Tisch erkämpft habe.
„In den türkischen Dörfern gibt es viele öffentliche Öfen“, sagt Willem. Und berichtet, wie die Frau den Teig mit Wasser verlängerte und anfing, Brote zu backen. „Ursprünglich war die Idee ja, hier Gemüse und Kräuter anzubauen, mit denen man dann die Pizza belegt“, erklärt er und deutet auf das Pizza-Community-eigene Beet neben dem Ofen. Sonnenblumen? Naja, vielleicht die Kerne? „Am Anfang hat’s geklappt“, lacht er. „Da wuchsen hier Rucola, Rosmarin und Basilikum.“ Heute gibt es ganz der Saison entsprechend Pizza mit Rucola, Mangold und Zucchini. Nach wenigen Minuten zieht Harald sie knusprig-dampfend aus dem Ofen.
Rübezahl-Garten und seine Blütenpracht als Kulisse
Sie schmeckt so großartig wie sie aussieht. Dazu die Blütenpracht des Rübezahl-Gartens, die Weite des Feldes, die gemütliche zusammengezimmerte Holzbank. Herrlich. Und Gott sei Dank mit Käse.
Der schnellste Weg zur eigenen Pizza: www.pizza-tempelhoferfeld.de