Im Hauptbahnhof experimentieren der Pop-Up-Store Hafenkater und die Deutsche Bahn mit Qualität statt Einheitsbrötchen für Eilige.
Und, heute Morgen schon gefrühstückt? Womöglich nicht. Wofür man sich am Wochenende meist Zeit nimmt, lässt man unter der Woche aber oft bleiben. In den Plan passen höchstens ein hektischer Kaffee aus einem der Cafés im Bahnhof und vielleicht irgendein lieblos belegtes Brötchen von einem Laden, der Copy-Paste-Ware aufbackt.
Natürlich ist diese eigene Kreativlosigkeit auch dem Angebot aus Franchise betriebenen Filialen zwischen Rolltreppen und knallenden S-Bahn-Türen geschuldet. Backshop neben Backshop neben vier Mal Starbucks. Wer sich in Berliner Bahnhöfen umschaut, sieht ausschließlich Eintönigkeit.
Platz für Kreatives
Ist es, weil das die Menschen so wollen? Weil sie wissen, dass sie immer das gleiche bekommen? Oder traut sich die Deutsche Bahn nur nicht, Kreativen und Individuellen den Platz zu geben? Die Schlangen vor einer Box aus Holz im Erdgeschoss des Hauptbahnhofs jedenfalls zeigen, dass viele Leute Lust genau darauf haben: auf Qualität.
Seit Mittwoch steht inmitten all der grauen Betonplatten und Stehlen der Pop-Up-Store namens Hafenkater. Die drei Gründer des Cafés haben bereits 2014 einen festen Laden in einer ehemaligen Dönerbude in Friedrichshain eröffnet. Anna Schubert, 25, und Leandro Burguete, 26, kamen vor zwei Jahren nach dem Studium aus Straßburg nach Berlin und mussten feststellen, dass Berlin zwar großen Wert auf bewusstes Essen legt, aber es in Sachen gutes, schnelles Frühstück noch nichts Anständiges gibt. Also beschlossen sie, zusammen mit Levin Siert, 28, die Grundidee vom Hafenkater: Kaffee und Porridge, to go in recyclebaren Behältnissen.
Mit Gastro Gründerpreis ausgezeichnet
2015 gewannen sie für ihr Konzept den „Gastro Gründerpreis“. Eine simple, bodenständige und nachhaltige Idee – das hieß es in etwa. Nun haben sie also mit zwei weiteren Start-Ups den „DB Accelerator Start-Up-Preis“ der Deutschen Bahn gewonnen. Eine der Hauptbegründungen: Qualität. Die anderen Kandidaten haben innovative Schließfächer und Moos bewachsene Wände zur Luftverbesserung entwickelt.
Die Wahl des Hafenkaters zeigt nun offenbar, dass der Riesenkonzern, der sich sonst am Mainstream orientiert, etwas konventionsloser denken will. Es ist ein Versuch. Denn in der Regel hat nur die Möglichkeit sich einzumieten, wer mehrere Filialen in der Stadt besitzt, am besten im ganzen Land.
Eigentlich ist der Look des Pop-Up-Stores gar kein ungewöhnlicher: Kakteen, Holz, glänzende Kaffeemaschine. Ein „normales“ Café sozusagen. Aber es hat allein schon seine Wirkung, das Bekannte zu extrahieren und in eine sonst sehr eintönige Umgebung zu setzen.
Warum eigentlich Porridge? „Haferbrei haben die Menschen schon vor allem anderen gegessen, es ist eine gute Grundlage für den Tag“, erklärt Anna. Täglich wird der warme Brei aus Bio-Hafer frisch gekocht und mit verschiedenen Toppings – zu 80 Prozent bio – gekrönt: Bananen, Nüsse, Ahornsirup.
Kontrolle durch Wlan
Über Wlan wird nun gezählt, wie sich die Leute ihnen nähern, wie viele davon etwas kaufen und was – sechs Wochen lang. Die Deutsche Bahn händigt ihnen dann die Analysen aus. Nach dem 22. August wird man sehen, wie es mit der schrägen Paarung von Hafenkater und Konzern weitergeht. Anna hätte nie gedacht, mit so jemandem zusammenzuarbeiten. Doch die Vorstellung, mit eigenem Laden in so einem Bahnhof vertreten zu sein, reizt sie.
Es geht ja auch darum, Menschen zum Umdenken zu bringen: „Na klar muss alles immer schnell gehen, vor allem am Morgen, aber wieso soll damit die Qualität sinken?!“ Interessant ist jedenfalls, dass ihre Gäste im Hauptbahnhof sich scheinbar gerne den Moment nehmen. Es gibt also Hoffnung. Der Name Hafenkater kommt übrigens daher, weil man in London sagt, Porridge helfe gegen Kater. Nahrhaft scheint dieser Brei jedenfalls zu sein.