Vor 18 Jahre legte die Bahn den Rangierbahnhof Schöneweide still. Nun wird das Areal zu einem Gewerbegebiet umgestaltet.

Ein paar Relikte stehen noch. Der alte Wasserturm etwa oder der kohlegeschwärzte Lokschuppen. Hinter den Rolltoren parken noch etliche „Dampfrösser“, liebevoll gepflegt von den Berliner Dampflokfreunden.

Gebaut wurden sie in einer Zeit, als der Güterbahnhof Schöneweide noch das pulsierende Herz des Berliner Güterverkehrs war. In den Dreißigerjahren etwa kam ein Drittel aller Waren für die damalige Reichshauptstadt hier mit dem Zug an. Zur DDR-Zeit sollen gar 70 Prozent aller Versorgungsgüter für den Ostteil der Stadt hier rangiert worden sein. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. 1998 hat die Bahn den Rangierbahnhof außer Betrieb gesetzt.

Rund 27 Kilometer Gleise wurden anschließend demontiert. Das Gelände, wegen seiner besonderen Lage zwischen den Schienenwegen, auch „Gleislinse“ genannt, wurde zum Paradies für seltene Reptilien und Zugvögel.

Produktionsbetriebe bevorzugt

Doch damit soll nun Schluss sein. Die Bahn und der Senat wollen die Brache im Bezirk Treptow-Köpenick zu einer der wichtigsten Flächen für Gewerbeansiedlungen in der Hauptstadt entwickeln. Wegen der Nähe zu den Bahngleisen und Autostraßen sollen dort vor allem neue Produktionsbetriebe Platz finden.

Auch die Nachbarschaft zum prosperierenden Wissenschafts- und Technologiestandort Adlershof gilt als Garant dafür, dass sich die Flächen des immerhin 45 Hektar großen Gebiets gut vermarkten lassen. „Bei aller guten Entwicklung des Dienstleistungssektors in Berlin benötigen wir in der Stadt auch Platz für neue Produktionsbetriebe. Und den haben wir hier“, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Gemeinsam mit dem Bahn-Bevollmächtigten für Berlin, Alexander Kaczmarek, stellte er am Mittwoch die Pläne für die „Gleislinse“ vor.

Erschließung der Brache beginnt im Herbst

Demnach soll noch im Herbst mit der Erschließung der Brache begonnen werden. 35 Millionen Euro stehen dafür bereit. 17 Millionen Euro kommen von der Bahn, weitere 16 Millionen Euro will Berlin aufbringen. Mit dem Geld sollen unter anderem zwei Straßen und eine Brücke neu gebaut werden, über die ab 2020 Fußgänger und Radfahrer die Gleisanlagen und das Adlergestell (B96) überqueren können.

Zur besseren Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln plant der Senat zudem eine neue Tramstrecke, mit der das neue Gewerbegebiet mit den Ortsteilen Adlershof und Johannisthal verbunden wird. Auch der Betriebsbahnhof Schöneweide – heute fast ausschließlich von Arbeitern der S-Bahn-Hauptwerkstatt in Schöneweide genutzt – wird modernisiert. Schließlich soll die S-Bahnstation in „Adlershof-Johannisthal“ umbenannt werden.

Tausende Eidechsen müssen umziehen

Bevor es mit den Arbeiten losgehen kann, müssen erst einmal die aktuellen Bewohner der Gleislinse umgesiedelt werden. Vor allem Zauneidechsen haben die Brache für sich entdeckt. Die wechselwarmen Tiere lieben den Schotter, den die Bahn einst für den Gleisbau verwendet hat. Die wechselwarmen Tiere lieben die Schottersteine, die die Bahn für den Gleisbau verwendet. Tagsüber nehmen die Steine die Sonnenwärme auf, um sie abends und nachts wieder abzugeben.

Nun steht eine der größten Umsiedlungsaktionen in Europa an. 761 Tiere seien bereits in ihre neue Heimat, in den Landschaftspark Herzfelde (Lichtenberg), gebracht worden. Mehr als Tausend Eidechsen sollen folgen. Etwas schwieriger wird das mit den seltenen Vögeln, die sich die „Gleislinse“ als Brutgebiet ausgesucht haben. Unter anderem wurden der Brachpieper, die Dorngrasmücke und der Steinschmätzer gesichtet, die sich nicht einfach umsetzen lassen. Den Zugvögeln sollen im nächsten Jahr neue Brutstätten, unter anderem im Wildgehege Glauer Tal in der Nähe von Trebbin angeboten werden.

Dampflokfreunde dürfen bleiben

Nicht umziehen müssen hingegen die Freunde alter Dampflokomotiven. Gerade erst haben sie von der Bahn für den alten, unter Denkmalschutz stehenden Ringlokschuppen einen Pachtvertrag mit Kaufoption erhalten. Der Verein (150 Mitglieder) will das Gelände rings um das 1906 errichtete Lokdepot zu einem Erlebnisort von Eisenbahngeschichte entwickeln.

„Wir haben hier aktuell sechs Dampfloks und 24 historische Wagen stehen“, so Wolfgang Hilprecht vom Verein, der die Oldtimer regelmäßig für Sonderfahrten einsetzt. Senator Geisel dankte dem Verein ausdrücklich für sein Engagement. „Viele Orte in Berlin haben eine interessante Geschichte, die wir auch in Zukunft erleben wollen. Ohne ihren Einsatz würde es uns an diesem Ort schwerer fallen“, sagte er.