Die Initiative „Volksentscheid retten“ hat am Donnerstag nach eigener Zählung 70.000 Unterschriften für ihr Anliegen bei der Senatsinnenverwaltung in der Klosterstraße abgegeben. Die Unterzeichner verlangen, dem gewählten Abgeordnetenhaus zu erschweren, Volksgesetze nachträglich zu verändern. Außerdem wollen sie die Hürden für die direkte Demokratie senken und Volksabstimmungen künftig grundsätzlich an Wahltagen abhalten.
Auslöser der Initiative war die Entscheidung des Abgeordnetenhauses, das Volksgesetz über ein freies Tempelhofer Feld aufzuweichen. Das brachte besonders Tempelhof-Aktivisten auf die Beine. Aber auch Helfer früherer Volksentscheide zu Wasser und Energie engagierten sich. „Die Berliner haben das sofort verstanden“, sagt Sprecherin Kerstin Meyer über Erfahrungen auf der Straße. „Wir haben einen Volksentscheid gemacht und gewonnen, das darf nicht einfach gekippt werden“, so das Argument.
Die Hürde für den „Volksentscheid zum Volksentscheid“ ist höher als für eine normale Abstimmung, denn es geht um eine Änderung der Landesverfassung. Deshalb sind in der ersten Stufe nicht nur 20.000, sondern 50.000 gültige Unterschriften nötig.
Verfassungsändernde Gesetze sollen erleichtert werden
Konkret wird gefordert, dem Volk ein Letztentscheidungsrecht einzuräumen. Sollte also das Abgeordnetenhaus das Ergebnis eines Volksentscheides kippen, so träte dieses Parlamentsgesetz erst vier Monate später in Kraft. In dieser Frist können die Bürger mit 50.000 Unterschriften eine Volksabstimmung über den Änderungsbeschluss erzwingen. Dabei orientiert sich die Initiative an der Rechtslage in Hamburg.
Zudem will sie verfassungsändernde Gesetze erleichtern. Statt 50.000 Stimmen (zwei Prozent der Wahlberechtigten) sollen wie bei normalen Gesetzen 20.000 ausreichen. In der zweiten Phase, in der die Unterschriften offiziell in Bürgerämtern gesammelt werden, sollen 175.000 statt 500.000 (20 Prozent) reichen. Für die Abstimmung selbst will die Initiative die Quoten senken. Statt bisher 25 Prozent Zustimmung sollen 20 Prozent Zustimmung genug sein. Für verfassungsändernde Gesetze soll die Latte von 50 auf 35 Prozent sinken.
Linke-Landeschef Klaus Lederer sagte, Berlin brauche „eine Änderung der Landesverfassung, um Volksentscheide verbindlicher, machbarer und fairer zu machen“. Die Grünen-Vorsitzende Bettina Jarasch sagte, das Begehren greife ein wichtiges Anliegen auf. Im Detail gebe es aber Abweichungen zu Positionen der Partei. Anders als bei anderen Volksbegehren kann es in diesem Fall wegen der Rechtslage keinen Kompromiss zwischen Senat und Initiatoren geben. „Das Thema geht die ganze Stadt an, darüber muss abgestimmt werden“, sagte Initiativen-Sprecherin Meyer.