Die auf einer Neonazi-Internetseite veröffentlichten Polizeidaten sind nach Erkenntnis der Berliner Behörde echt. Das Dokument mit mehreren nur teils geschwärzten Namen stamme aus einer Ermittlungsakte, teilte Polizeisprecher Winfrid Wenzel am Freitag mit.
Inhalt sei eine Auseinandersetzung am 14. Januar in der Rigaer Straße zwischen Linken und Rechten gewesen. Bewohner sollen drei Rechte angegriffen haben. Die Ermittlungen der Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung wurden laut Mitteilung an die Staatsanwaltschaft übergeben. In dem Verfahren bekamen Anwälte der angegriffenen Rechten auf Antrag Akteneinsicht.
Jetzt wird der Ruf nach Aufklärung lauter. Innensenator Frank Henkel (CDU) müsse zügig darlegen, wie es zu der Weitergabe der Daten kam, sagte Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. „Ein Wegducken werden wir nicht zulassen.“ Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg twitterte: „Unglaublich - Henkel scheint komplett die Kontrolle verloren zu haben...“. Der Senator reagierte empört: „Ich kann nur jedem empfehlen, hieraus keinen Polizeiskandal zu konstruieren, sondern das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.“
"Es wird akribisch in alle Richtungen ermittelt"
Ein Datenleck bei der Behörde könne er nicht ausschließen, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel. Es gebe keine Hinweise, dass das Informationssystem der Polizei gehackt wurde. Henkel unterstrich, es spreche nichts dafür, dass Polizisten Informationen an Rechtsextreme durchgestochen hätten. SPD-Abgeordneter Tom Schreiber verteidigte die Polizei. Die linksautonome Szene konstruiere eine Debatte, um Stimmung gegen die Polizei zu machen.
Es seien jetzt unverzüglich Strafermittlungen wegen der illegalen Veröffentlichung rechtlich geschützter Daten eingeleitet worden, sagte Wenzel. „Es wird akribisch in alle Richtungen ermittelt.“
Der Berliner Linken-Abgeordnete Hakan Taş und die Gruppe „Rigaer94“ hatten den Fall öffentlich gemacht. Zusammen mit Linken-Fraktionschef Udo Wolf forderte Taş nun in einem Offenen Brief an Henkel ebenfalls Aufklärung. Dieser solle darlegen, ob Betroffene gefährdet sind, Opfer rechtsextremer Übergriffe zu werden und welche Maßnahmen der Senat gegen den Betreiber des Blogs eingeleitet hat. Das Parlament und die Öffentlichkeit müssten informiert werden.
Auf dem rechten Blog sind auch Geburtsjahre und -orte zu sehen. Teilweise steht der Vermerk „OfW“ darunter. Die Abkürzung steht für „Ohne festen Wohnsitz“.
Mit noch mehr Gewalt sei zu rechnen
Unterdessen rechnete der Chef des Berliner Verfassungsschutzes, Bernd Palenda, mit noch mehr Gewalt von Linksextremisten. Es sei nicht auszuschließen, dass Menschen zu Schaden kommen, sagte Palenda dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Bei ihren Aktionen gegen den Staat und dessen Einrichtungen sei manchen Linksextremisten jedes Mittel recht. „Dass es bislang keine Schwerverletzten oder Toten zu beklagen gibt, ist Glück“, sagte Palenda.
Am 22. Juni hatte die Polizei eine Teilräumung des von Linksautonomen bewohnten Hauses in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain geschützt. Seitdem brannten nachts Autos, es gab Angriffe auf Polizisten und Büros. Die Polizei setzte eine neue Ermittlungsgruppe ein.
„Für den Fall der Räumung hatten Linksextremisten den Tag X als Beginn einer Gewaltoffensive ausgerufen. Das ist nun eingetreten“, so der Verfassungsschutz-Chef.
"Weitreichenden Eingriff in unser Leben"
Eine Demo von Unterstützern des Hausprojekts in der Rigaer Straße am Donnerstagabend blieb weitgehend friedlich. Die Polizei hatte Berichte der autonomen Szene zurückgewiesen, wonach Beamte am Sonntag einen Familienvater vor den Augen seiner Kinder geprügelt, verletzt und festgenommen hätten. An dem Abend gab es laut Polizei sechs Festnahmen, nach Angriffen auf Polizisten seien Strafermittlungen eingeleitet worden.
Gewaltsam verteidigt die linksradikale Szene die letzten Bastionen gegen Besitzer, Staat und Polizei, die in der Rigaer Straße präsent ist.
In einer Mitteilung der Gruppe „Rigaer94“ heißt es: „Wir sehen in der willkürlichen Datensammlung über das Haus und alle Personen, welche die Polizei-Checkpoints passieren, einen weitreichenden Eingriff in unser Leben, der sicherlich auch jeder rechtlichen Grundlage entbehrt.“ Die einzige Konsequenz müsse sein, dass sich die Polizei sofort aus der Rigaer Straße zurückzieht.