Jugendliche mit Migrationshintergrund verlassen mehr als doppelt so häufig die Schule ohne Abschluss. Das soll sich ändern.

An der privaten Quinoa-Schule haben es sich die Lehrer zum Ziel gesetzt, jeden Schüler so individuell wie möglich zu fördern. Ein Fach auf dem Stundenplan der Sekundarschule heißt Zukunft, darin sollen die Schüler ihre Stärken entdecken und in Praktika berufliche Möglichkeiten ausloten. Es wird in jeder Klassenstufe drei Stunden pro Woche unterrichtet. In den meisten Fächern gestalten zudem immer zwei Lehrkräfte gemeinsam den Unterricht, damit auch wirklich alle Schüler erreicht werden.

Vom kommenden Schuljahr an soll es zudem ein Mentoringprogramm geben, das dafür sorgt, dass jeder Schüler, der die Schule verlässt, vier Jahre lang von einem Berater begleitet wird, egal, ob eine Ausbildung ansteht, die Wiederholung des Schulabschlusses oder der Wechsel an eine Oberschule. „Viele Schüler schaffen zwar einen Abschluss, doch dann gibt es keinen Anschluss für sie, eine Lücke tut sich auf“, sagt Klara Sucher, Sprecherin der Schule. Mit dem Mentoringprogramm wolle man verhindern, dass Jugendliche nach der Schule auf der Strecke bleiben.

Die 2014 gegründete Quinoa-Schule ist Berlins erste und bislang einzige Privatschule für benachteiligte Kinder aus dem Weddinger Kiez. Dort leben zwei Drittel der Kinder in Hartz-IV-Haushalten, durchschnittlich verlassen 30 Prozent die Schule ohne Abschluss. Doch die Quinoa-Gründer glauben nicht, dass dies an den Schülern liegt. Sie glauben vielmehr an deren Potenzial und wollen dieses fördern. Klara Sucher sagt: „Von 50 Familien, die ihre Kinder auf unsere Schule schicken, müssen nur sieben Schulgeld zwischen 50 und 100 Euro zahlen, alle anderen werden von uns unterstützt.“ Die Kinder erhalten ein Vollstipendium. Die Schule, deren Träger die Montessori-Stiftung ist, finanziert sich vor allem über Fundraising. Ein Drittel der Kosten wird vom Senat getragen.

17 Prozent der Kitakinder haben Sprachförderbedarf

Seit dem Pisa-Schock vor zehn Jahren versucht auch Berlin den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft zu entkoppeln. Allerdings bisher mit mäßigem Erfolg. Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss hat sich sogar in den vergangenen Jahren leicht erhöht. Im Schuljahr 2014/2015 erreichten 10,9 Prozent der Schulabgänger keinen Hauptschulabschluss. Im vorangegangenen Schuljahr waren es noch 9,2 Prozent. Große Differenzen gibt es bei den Ergebnissen der Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund: 7,4 Prozent der Schüler deutscher Herkunftssprache verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss, bei den Schülern nicht deutscher Herkunft sind es 18,6 Prozent der Schüler.

Große Hoffnung wird von den Bildungsexperten auf die Sprachförderung in der Kita gesetzt. Die Sprachtests vor der Schule wurden im Jahr 2015 um ein halbes Jahr vorgezogen, um früher mit der Förderung beginnen zu können. Die Kinder, die noch keine Kita besuchen, werden nun schon mit vier Jahren getestet und sind bei einem Sprachförderbedarf verpflichtet, fünf Stunden pro Tag in eine Kindertagesstätte zu gehen. Im vergangenen Jahr absolvierten rund 30.800 vierjährige Kitakinder den Sprachtest. Insgesamt 17 Prozent der Kinder hatten einen Sprachförderbedarf. Auch bei diesen Zahlen ist die Bilanz ernüchternd: Seit 2010 ist diese Quote trotz der Einführung der Sprachlerntagebücher nahezu konstant.

Gemeinschaftsschule ist in Berlin ein Erfolgsmodell

Als erfolgreich hat sich der Schulversuch Gemeinschaftsschule erwiesen. Die wissenschaftliche Begleitstudie hat acht Jahre nach dem Start gezeigt, dass Gemeinschaftsschulen ihre Schüler unabhängig von deren sozialer Herkunft und ihrem individuellen Förderbedarf zu guten Lernerfolgen führen. Besonders gut gelingen Integration und Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, heißt es im Abschlussbericht zur Pilotphase. Die Bildungssenatorin Sandra Scheers (SPD) will die Gemeinschaftsschulen nun als Form der Integrierten Sekundarschule im Schulgesetz verankern.

Zudem will die Senatorin künftig ein verpflichtendes elftes Schuljahr für Schüler ohne Ausbildungsplatz oder Schulabschluss einführen. In diesem Jahr sollen sie auf das Berufsleben vorbereitet werden.

Viele Jugendliche brauchen persönliche Zuwendung

Auf eine enge Begleitung der Schüler setzt auch die Hemingway-Schule in Mitte, eine staatliche Sekundarschule ohne eigene Oberstufe. Von den 420 Schülern haben laut Schulleiter Michael Kaemmerer 85 Prozent einen Migrationshintergrund. 75 Prozent kommen aus sozial schwachen Familien und müssen daher kein Geld für Schulbücher und andere Lernmaterialien bezahlen. „Unser Konzept beruht darauf, dass wir den Schülern geben, was viele zu Hause nicht erfahren, persönliche Zuwendung“, sagt Schulleiter Kaemmerer der Berliner Morgenpost. Jede Klasse habe deshalb zwei Klassenlehrer, die viele Stunden pro Woche in der Klasse unterrichten, das stärke die Lehrer-Schüler-Beziehung.

Bei unentschuldigtem Fehlen oder Stören im Unterricht werde sofort gehandelt. „Wir haben zwei Sozialarbeiter, die eng mit den Eltern zusammenarbeiten“, so Kaemmerer. 66 Prozent der Schüler würden den Mittleren Schulabschluss schaffen, 25 Prozent immerhin den erweiterten Hauptschulabschluss.