Im „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ der Verwaltung von Bausenator Andreas Geisel (SPD) ist der Neubaubedarf in Berlin bis 2025 mit rund 137.000 Wohnungen angegeben. „Allerdings ist damit noch nicht gesagt, wie teuer diese Wohnungen sein sollen“, sagt der Soziologe Andrej Holm von der Humboldt-Universität. Im Auftrag der Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus habe er deshalb ermittelt, wie hoch der Bedarf an preiswerten Mietwohnungen ist. Das Ergebnis: Selbst wenn alle neu gebauten Wohnungen mietpreisgebundene Sozialwohnungen wären, ließe sich der aktuelle Bedarf nicht decken.
Nach der am Montag präsentierten Untersuchung gibt es in der Hauptstadt 350.000 Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV-Bezieher) sowie weitere knapp 300.000 Haushalte mit geringen Einkommen, die auf „angemessene“ oder „leistbare“ Wohnungen angewiesen sind. Als angemessen gelten Wohnungen, für die das Amt die Kosten der Unterkunft bei Beziehern von Transferleistungen übernimmt. Zu den Geringverdienern zählt Holm alle diejenigen, deren Einkommen lediglich bis zu 80 Prozent des Berliner Durchschnitts (1275 Euro für Ein-Personen-Haushalt) beträgt und die deshalb kleine Wohnungen mit Nettokaltmieten von nicht mehr als 200 Euro bräuchten.
Anzahl der Mietangebote hat sich drastisch verschlechtert
„Zwar weisen mehr als 875.000 Wohnungen in Berlin Bestandsmieten aus, die unterhalb der Bemessungsgrenzen liegen“, so der Sozialwissenschaftler. Jedoch konkurrieren um diese Wohnungen alle Berliner Haushalte – auch wenn sie keine Transferleistungen und ein höheres Einkommen beziehen. Die reale Wohnraumversorgung, insbesondere mit kleinen Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte, weise deshalb ein Defizit von 130.000 Wohnungen aus.
Die Situation auf dem Mietenmarkt habe sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert, sagt Holm weiter. Die Wohnraumversorgungsquote lag demnach 2014 nur noch bei 95 Prozent. Das heißt, 1,96 Millionen nachfragenden Haushalten standen nur knapp 1,86 Millionen verfügbare Wohnungen gegenüber. So habe sich die Anzahl der Mietangebote zwischen 2007 und 2015 von 210.000 auf etwa 80.000 drastisch verringert. Mittlerweile seien beim Internetportal Immobilienscout24 fast zwei Drittel der Inserate (62 Prozent) Kaufangebote für Eigentumswohnungen. 2007 lag ihr Anteil noch bei 27 Prozent.
Zudem seien die Angebotsmieten von 3,78 Euro pro Quadratmeter im Jahr 1991 auf 8,95 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2014 gestiegen. Die Mietsteigerung gehe mit einer räumlichen Polarisierung einher, so der Stadtsoziologe: Die 20 Gebiete mit den höchsten Mieten mit mehr als zehn Euro je Quadratmeter lagen 2014 alle in der Innenstadt. Die 20 Gebiete mit den niedrigsten Mieten lagen in den Randbezirken. Als Konsequenz forderte die Sprecherin der Linksfraktion, Katrin Lompscher, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den Bestand investieren und durch Abschläge bei den Mieten bezahlbare Wohnungen schaffen.