Probleme mit Wahlsoftware

So fehlerhaft ist die neue Wahlsoftware in Berlin

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Andreas Abel
Die Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach

Die Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach

Foto: dpa Picture-Alliance / Bernd von Jutrczenka / picture alliance / dpa

Die Probleme mit der Software sind schwerwiegender als zunächst mitgeteilt. Die Wahl im September gilt aber nicht als gefährdet.

„Die neue Software ,Wahlmanagement (Vois)‘ wird zur Wahl einsatzbereit sein“, erklärte Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach in der vergangenen Woche erleichtert. Zuvor hatten das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) und die Bezirkswahlämter die Software sechs Tage lang getestet. Michaelis-Merzbach sagte auch: „Die Schnelligkeit des Systems war nach Meldung der Bezirke noch nicht zufriedenstellend.“ Am Mittwoch wurde bekannt, was das im Klartext heißt: Es könne beispielsweise bis zu zwei Minuten dauern, einen Wahlschein auszustellen, wie Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin, der Berliner Morgenpost sagte.

Michaelis-Merzbach hatte sich bei ihrer Einschätzung, „dass der Test im Großen und Ganzen erfolgreich verlaufen ist“, auf Aussagen des Labo und der Herstellerfirma der Software, HSH, berufen. Anschließend hätten ihr einige Bezirke aber auch schwerwiegende Fehler gemeldet, räumte sie in einem Brief an den Piraten-Abgeordneten Fabio Reinhardt ein. Reinhardt, Vorsitzender des Ausschusses für Digitale Verwaltung und Datenschutz, hatte um eine Auswertung des Tests gebeten.

Wählerverzeichnis ließ sich nicht ausdrucken

Zwei Minuten für einen einzigen Wahlschein, das sei „unzulässig lang“, befand Baasen. Der Hersteller werde versuchen, das Problem zu beheben, es fänden auch noch weitere Belastungstests statt. Sollte das alles nicht fruchten, bleibt nach Angaben des Geschäftsstellenleiters eine Alternative: Die Bezirkswahlämter müssten mehr Personal einsetzen und die Wahlscheine notfalls im Schichtbetrieb erstellen. Das betrifft insbesondere die erwarteten 500.000 Briefwähler. Wenn sie nach Erhalt ihrer Wahlbenachrichtigung Briefwahl beantragen, sollen sie auch zeitnah ihre Unterlagen zugeschickt bekommen. Die Ausgabe der Briefwahlunterlagen beginnt am 8. August. Es bleiben also noch zwei Monate, um die Mängel zu beseitigen.

Die lange Zeit, die es brauchen kann, um einen Wahlschein auszudrucken, ist nicht das einzige Problem, dass sich beim Vois-Test offenbarte. Ein sehr Gravierendes trat in Reinickendorf auf: Das Wählerverzeichnis ließ sich nicht ausdrucken. Es ist für den Ablauf am Wahltag unverzichtbar. Das Problem sei inzwischen vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten und der Herstellerfirma gelöst worden, versicherte Geert Baasen.

„Wahl ist nicht gefährdet“

Das gilt bislang nicht für den Fehler, dass die Software einige Dokumente nicht komplett korrekt erstellt. So soll auf jedem Wahlschein stehen, für welchen Wahlkreis er gilt. Bislang erscheint dort aber ein Standardtext. Auch dieses Problem werde angegangen, sagte Baasen. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Wahl gefährdet ist“, sagte er. Die Landeswahlleiterin habe vielmehr den Anspruch, dass die Wahlunterlagen ebenso wie Schreiben an Bürger hohen Qualitätsansprüchen genügen. Man wolle Beschwerden und Reibungsverluste vermeiden.

Baasen betonte, die Software werde in vielen deutschen Städten und Gemeinden erfolgreich benutzt, sie müsse aber stets an die speziellen Gegebenheiten der jeweiligen Stadt angepasst werden. Das sei in Berlin schwierig, weil die IT-Infrastruktur, auch die Hardware, in den zwölf Bezirken sehr unterschiedlich sei.

Piraten-Abgeordneter ist besorgt

Fabio Reinhardt zeigte sich besorgt über die beim Vois-Test bekannt gewordenen Probleme. „Man muss sich auf die Software verlassen können, das ist essenziell“, sagte er der Berliner Morgenpost. Die Frist werde immer knapper, der Ausschuss für Digitale Verwaltung fordere daher einen exakten Zeitplan. Die Mitglieder würden sich in der nächsten Ausschusssitzung am kommenden Montag den aktuellen Sachstand geben lassen, kündigte Reinhardt an. Alle von den Testteilnehmern übermittelten Meldungen würden jetzt systematisch analysiert und dann ein Ergebnisbericht erstellt, über den auch die Abgeordneten informiert werden, hatte Michaelis-Merzbach in ihrem Brief versichert. Ob der allerdings bereits am Montag vorliegt, ist offen.

„Es ist ein Unding, dass die Software ausgerechnet in einem Wahljahr eingeführt wird. Diesen Stress hätte man sich schenken können“, kritisierte Thomas Birk (Grüne), stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses. Er monierte auch, dass die Öffentlichkeit „nur scheibchenweise“ von den Problemen erfahre.

Noch Wahlhelfer gesucht

Dreieinhalb Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen am 18. September sucht Berlin noch knapp 7000 Wahlhelfer. Rund 20.000 Helfer werden benötigt, etwa 2,8 Millionen Berliner sind wahlberechtigt. Es sind 1779 Wahllokale in 78 Wahlkreisen mit sieben- bis neunköpfigen Wahlvorständen zu besetzen. Für die Mitarbeit im Wahlvorstand gibt es eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro, für die Tätigkeit in einem Briefwahllokal 35 Euro. Wer sich melden möchte, kann sich telefonisch zur Verfügung stellen unter: 030/90 21 21 21.