Einfach fit

Laufschuh und Kinderwagen

| Lesedauer: 7 Minuten
Anette Nayhauß
Seit fast sechs Jahren gibt es das Angebot für Mütter, wie in vielen anderen Parkanlagen in der Stadt, im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf.

Seit fast sechs Jahren gibt es das Angebot für Mütter, wie in vielen anderen Parkanlagen in der Stadt, im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf.

Foto: Amin Akhtar, iStock, Montage und Illustration: BM / BM

Sport mit Baby? Geht nicht? Geht doch – zum Beispiel im Kinderwagen-Kurs. Eine Hebamme erklärt, worauf Mütter nach der Geburt achten müssen.

Dass hier die Mütter im Mittelpunkt stehen und ausnahmsweise einmal nicht das Baby, das gefällt Julia besonders gut. Bei drei Kindern bleibt dafür zu Hause nicht viel Zeit. Mittwochs aber ist sie dran. Da geht sie vormittags in den Park und trifft sich mit anderen Müttern zum Sport. Sohn Nick nimmt sie einfach mit. Bei „Laufmamalauf“ gehört der Kinderwagen dazu: Das Programm ist für Mütter gedacht, die ihr Baby beim Sport dabeihaben wollen.

Seit fast sechs Jahren gibt es das Angebot für Mütter, wie in vielen anderen Parkanlagen in der Stadt, im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf. Katja Ohly-Nauber hatte die Idee, Sportkurse speziell für Mütter anzubieten, die nach der Geburt wieder fit werden wollen, ohne eine Betreuung für ihr Baby suchen zu müssen. In den Wohngebieten rund um den Volkspark verteilte sie Flyer, drei Frauen meldeten sich an, „und gleich am ersten Tag sprachen uns zwei Mütter an, die mit Kinderwagen im Park unterwegs waren und auch mitmachen wollten“.

Verena Hohner war damals eine der ersten Teilnehmerinnen, die ihren Kinderwagen im Laufschritt über die Parkwege schoben und auf der Wiese Bauch, Beine und Po trainierten. Wenig später fing die ausgebildete Bühnentänzerin selbst als Trainerin an, heute leitet sie „Laufmamalauf“ im Volkspark Schöneberg-Wilmersdorf, einem der mehr als 30 Standorte, an denen das Unternehmen in Berlin Kurse anbietet.

Trainiert wird draußen und bei jedem Wetter

Die laufenden Mamas gibt es inzwischen in ganz Deutschland, sogar in Österreich und der Schweiz. Und auch das Kursangebot ist viel größer als beim Start vor sechs Jahren: Neben den Kinderwagenkursen für Mütter nach der Geburt gibt es Kurse für Schwangere und solche am Abend oder früh am Morgen, passend für Frauen, die wieder in den Job eingestiegen sind. Eine Kursstunde kostet zwischen 7,83 und 11,75 Euro, Trainingscamps auf Sardinien oder Wellness-Wochenenden an der Ostsee gehören ebenfalls zum Angebot.

Trainiert wird draußen, und das bei jedem Wetter. „Wir waren schon bei Schnee im Park. Danach fühlen sich unsere Teilnehmerinnen extraklasse“, ist Katja Ohly-Nauber überzeugt. Sie müsse ja ohnehin mit dem Kinderwagen raus, sagt Franziska, schließlich braucht Hanna, acht Monate alt, frische Luft. Den Kindern allerdings dürfte es bei schönem Wetter besser gefallen, dann können sie auf der Decke liegen, während die Mütter trainieren. Zu sehen gibt es eine Menge: Neun Frauen stehen im Kreis und machen Kniebeugen („Squats“), trainieren mit Tubes, einer Art Expander, oder mit Bändern.

Die Gruppe fällt auf – ein paar Spaziergänger auf der anderen Seite der Wiese zücken die Handys und fotografieren die neun Mütter mit Kinderwagen und Trainerin. Die Babys dagegen lässt das Spektakel um sie herum ziemlich kalt. Pauline, sieben Monate, zieht sich erst mal ganz in Ruhe die Schuhe aus, um dann sehr zufrieden in die Bäume zu schauen. Frida versucht, vor lauter Begeisterung über das Grün neben ihrer Picknickdecke ein paar Grashalme in den Mund zu stecken, und Victoria krabbelt zu Emil auf die Nachbardecke.

In solchen Momenten ist es mit der Konzentration der Gruppe nicht weit her. Immer wieder löst sich eine der Mütter aus der Reihe, um ihr Kind auf die Decke zurückzuziehen, einen Schnuller zu suchen, den Schuh wieder anzuziehen. Oder zu trösten, wenn das Kind keine Lust mehr hat, auf Mama zu warten. Dann nimmt Trainerin Verena auch schon mal ein Baby auf den Arm, während sie die Übungen ansagt, die Haltung korrigiert und daran erinnert, den Beckenboden anzuspannen.

Die Muskeln in der Beckenhöhle müssen nach einer Geburt erst einmal wieder gestärkt werden. „Bevor der Beckenboden wieder fest ist, sollte man beispielsweise nicht joggen“, rät Simone Logar vom Berliner Hebammenverband. Sie und ihre Kolleginnen raten sogar während der ganzen Stillzeit davon ab, „weil alles noch so weich ist“. Bei „Laufmamalauf“ sollen die Frauen frühestens sechs bis acht Wochen nach der Geburt und nach abgeschlossener Rückbildung einsteigen, erklärt Katja Ohly-Nauber.

Die ersten Rückbildungsübungen machen Hebammen schon bei den Hausbesuchen nach der Geburt. Zehn Stunden Rückbildungskurs bezahlten die Krankenkassen außerdem, danach sei der Körper aber noch lange nicht wieder im Vorschwangerschaftszustand, sagt Hebamme Simone Logar. Wie lange das dauert, hänge zum Beispiel davon ab, wie gut trainiert der Beckenboden vor der Schwangerschaft und wie schwer die Geburt war.

Simone Logar rät den jungen Müttern zu beckenbodenfreundlichen Sportarten wie beispielsweise Radfahren oder Schwimmen, Yoga und Pilates. Kurse bieten neben Hebammen, Sportvereinen und Fitnessstudios zum Beispiel auch die Berliner Volkshochschulen an.

Ganz auf Sport zu verzichten, sei hingegen keine gute Idee. In manchen Bezirken allerdings begegneten die Hebammen immer häufiger dem anderen Extrem: Frauen, die sechs Wochen nach der Geburt aussehen wollen, als hätte es die Schwangerschaft gar nicht gegeben. Der schlanke „After-Baby-Body“ mit flachem Bauch gilt als Statussymbol. „Utopisch“ nennt Simone Logar dieses Ziel. „Die Rückbildung soll die innere Muskulatur stärken, nicht dabei helfen, dünn zu werden.“

Katja Ohly-Nauber kennt die Diskussion um den Schlankheitswahn nach der Geburt. Bei „Laufmamalauf“ gehe es nicht um Kilos und Zentimeter, versichert sie. Die Frauen in den Kursen wollten Sport machen und dabei „natürlich schon ins Schwitzen kommen, wir gehen nicht spazieren“. Auf der Internetseite des Unternehmens ist „Abnehmen nach der Geburt“ gleich als erstes Ziel „frischgebackener Mamas“ genannt, noch vor „wieder fit werden und sich wohlfühlen im eigenen Körper“.

Vor allem aber sollen sie in den Kursen „einen liebevollen Blick auf sich selbst finden“, sagt Katja Ohly-Nauber. Viele Frauen hätten das Gefühl, nur noch für das Baby da zu sein, „da braucht man Zeit, sich um sich selbst zu kümmern“.

Vielen jungen Müttern fehlt der Kontakt zu den Kollegen

Und um andere Mütter zu treffen. Gerade nach der Geburt des ersten Kindes fehlt den Frauen in der Elternzeit oft der Kontakt zu Kollegen, und das Leben der kinderlosen Freunde passt nicht immer zum Alltag mit einem Neugeborenen. „Klar geht es mir auch um die Gesellschaft“, sagt Andrea, seit sieben Monaten Mutter und seit neun Wochen beim Müttersport im Volkspark dabei. „Es ist gar nicht so einfach, andere Mamis kennenzulernen. Es gibt zwar viele Mütter im Kiez, aber die quatscht man ja nicht einfach auf der Straße an.“

Deshalb gehört es bei „Laufmamalauf“ zum Konzept, dass die Sportgruppe nach dem Training zusammen ins Café geht oder bei schönem Wetter noch auf den Picknickdecken sitzen bleibt. Die Mütter reden darüber, welches Kind schon krabbelt, ob es im Elternbett oder im eigenen Bett schläft, welche Kitas in der Nähe einen guten Ruf haben. Die Trainingsstunde ist vorbei. Jetzt dreht sich wieder alles ums Baby.