Weil nur Joggen vielen zu langweilig ist, werden immer mehr Trimm-Dich-Pfade wiederbelebt und Fitness-Plätze errichtet

Zwei junge Frauen steigen aus dem Auto, laufen mit hüpfenden Pferdeschwänzen hinein in den Grunewald. Typische Jogger-Idylle am Wochenende. Aber schon nach wenigen hundert Metern halten die beiden wieder an, springen lachend über ein paar Holzhürden, dann geht es weiter. Kira Bindewald (22) und Julia Gerard (21) starten ihre Runde auf dem Trimm-Dich-Pfad.

Die Freundinnen, die sich in der Ausbildung zur Kinderkrankenpflege kennengelernt haben, machen sonst eher Bauch-Beine-Po, Kira Bindewald im Fitness-Studio, Julia Gerard zu Hause zu Videos. „Jetzt im Frühling wollten wir aber auch mehr draußen machen“, sagt sie, daher verabreden sich die beiden jetzt einmal am Wochenende am Trimm-Dich-Pfad am Hüttenweg, gleich neben dem Parkplatz zum Forsthaus Paulsborn.

Dass es den überhaupt gibt, weiß Julia Gerard von ihrem Freund, der hier immer mit seinem Cousin hingeht. Einen Hinweis auf den Pfad gibt es an der Straße nämlich nicht, man muss ihn selbst entdecken. Er erstreckt sich über etwa drei Kilometer und etwa alle 200 Meter befindet sich eine Station. Es gibt Hürden, eine Art Schwebebalken, eine Weitsprunggrube, Ringe, Stangen für Klimmzüge, Baumstümpfe zum Dehnen oder für Bocksprünge.

Mit Trimmy wurden die Menschen in den 70er-Jahren schon vom Sofa geholt

Der Künstler Luis González Touissant  hat die Anleitungen zum Trimm-Dich-Pfad im Grunewald geschaffen
Der Künstler Luis González Touissant hat die Anleitungen zum Trimm-Dich-Pfad im Grunewald geschaffen © Glanze | Sergej Glanze

An manchen Stationen wissen Julia und Kira gleich, was sie machen müssen, an anderen müssen sie erst mal lesen. Aber im Gegensatz zu anderen Trimm-Dich-Pfaden in Berlin, gibt es neben den Stationen Übungsanleitung. Der brasilianische Holzkünstler Luis González Touissant hat sie in Robinienholzstämme gefräst. 2006 war das, damals wurde der in die Jahre gekommene verwaiste Fitness-Pfad erneuert.

Angelegt wurde er ursprünglich in den 70er-Jahren, als die Trimm-Dich-Bewegung groß wurde. Ihr Maskottchen Trimmy in weißem Turnhemd, schwarzer Sporthose, mit hochgestrecktem Daumen und flotten Sprüchen wie „Ein Schlauer trimmt die Ausdauer“ wollte die Deutschen aus den Puschen in die Turnschuhe holen. Damals entstanden deutschlandweit überall Trimm-Dich-Pfade in Wäldern und Parks, für jeden zu jeder Zeit und kostenfrei nutzbar. Ziel der 1970 vom Deutschen Sportbund gestarteten Aktion war es vor allem, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen den Kampf anzusagen, beides hatte während der Wirtschaftswunderjahre stark zugenommen.

In den 80er-Jahren kamen die Trimm-Dich-Pfade erst einmal aus der Mode

Die Idee des Trimm-Dich-Pfades stammte ursprünglich aus der Schweiz. Der erste Vitaparcours - so der Schweizer Name – entstand 1968. Dort hielt sich die Bewegung auch länger. In Deutschland kamen Trimm-Dich-Pfade schon in den 80er-Jahren wieder aus der Mode, als Jogging zum Breitensport wurde und die Zahl der Fitnessstudios rasant anstieg. Viele Trimm-Dich-Pfade verfielen und verschwanden zum Teil ganz.

Doch seit einigen Jahren lässt sich ein Revival beobachten. Statt einer Kombination von Laufstrecke und Geräten sind die Anlagen nun allerdings häufig an einem Ort wie eine Art Spielplatz gestaltet. Sie brauchen nicht viel Platz und sind daher schon in kleinen Grünanlagen zu finden. In Berlin gibt es inzwischen 16 solcher Fitnessplätze. Sie nennen sich heute Street Workout, Sportpark oder Bewegungsparcours.

Nur Laufen oder nur Fitnessstudio erscheint immer mehr Menschen zu langweilig

Allerdings auch der klassische Trimm-Dich-Pfad wird wieder stärker genutzt. Nach Schätzungen gibt es heute noch etwa 1500 solcher Strecken, sechs davon in Berlin. Nachdem Hobbysportler jahrelang vor allem indoor im Fitnessstudio aktiv waren, ist nun wieder frische Luft angesagt. Die Studios selbst bieten verstärkt Outdoor-Aktivitäten an. Außerdem reizt viele Menschen der Mix an Bewegungen. Nur Laufen oder nur Fitnesskurse erscheint vielen heute zu langweilig. Die Mischung aus Ausdauer, Kräftigung, Koordination und Beweglichkeit gefällt auch Kira und Julia. Etwa 45 Minuten brauchen die beiden für ihre Runde. Durch die Abwechslung nehmen sie die Anstrengung kaum war.

Am Wochenende ist der Trimm-Dich-Pfad am Hüttenweg gut besucht, in der Woche ist es hier ruhig. Im Volkspark Friedrichshain sieht das anders aus. Da gibt es neben der Laufstrecke eine Finnbahn aus Holzschnitzeln, Baumrinden und Rindenmulch und daneben zehn Stationen zum Dehnen, Recken und Strecken. Wegen der hohen Läuferdichte an allen Tagen der Woche hängt fast immer jemand an den Stangen oder macht Liegestütze.

Lars Hübner und Jacqueline Mohr unterbrechen ihren Lauf im Volkspark Friedrichshain für ein paar Kräftigungsübungen
Lars Hübner und Jacqueline Mohr unterbrechen ihren Lauf im Volkspark Friedrichshain für ein paar Kräftigungsübungen © Glanze | Sergej Glanze

Auch Lars Hübner hat seinen Lauf gerade für eine seitliche Stützübung unterbrochen. Der 35-jährige Fotograf aus Friedrichshain macht fast jeden Tag Sport, wenn er es beruflich schafft. Für ihn sind die Übungen während des Laufens eine zusätzliche Herausforderung und eine gute Vorbereitung auf seinen Lieblingssport, das Surfen. Darum baut er auf seiner etwa zwölf Kilometer langen Laufstrecke eine Runde durch den Volkspark Friedrichshain ein. „Und ein guter Ausgleich ist es auch“, sagt er. Zu ihm an den Balken gesellt sich bald Jacqueline Mohr. Auch für sie gehört der Trimm-Dich-Pfad im Volkspark zum festen Programm und danach noch rauf auf den Berg. „Ich mag die Abwechslung beim Sport“, sagt die 35-Jährig, darum geht sie mal ins Fitnessstudio, mal zum Laufen.

In England wird Fitness im Grünen mit Gartenarbeit kombiniert

Aber es ist nicht jedermanns Sache, einfach so ohne Ziel herumzurennen oder sich in aller Öffentlichkeit zu verrenken. In England hat sich daher vor einigen Jahren eine ganze neue Form des Trimm-Dich entwickelt: das Green Gym, es verknüpft körperliche Aktivität mit sinnvoller Tätigkeit. Hier treffen sich so etwas wie Fitness-Gärtner, die öffentliche Grünanlagen und Parks verschönern, aber damit sie nicht bei der Gartenarbeit Rücken oder andere Leiden bekommen, wird sich vorher und nachher gemeinschaftlich gedehnt. „Gedacht ist das aber weniger als eine Art Sport, sondern eher als Entspannung“, erklärt Norbert Nähr, der das Konzept vor drei Jahren nach Hamburg gebracht hat.

Dort sind die Fitness-Gärtner inzwischen in vier Parks aktiv. „Sportwissenschaftler der Uni Hamburg haben das Projekt begleitet und festgestellt, dass drei Stunden Gartenarbeit von der körperlichen Belastung mit einem Zehn-Kilometer-Lauf vergleichbar sind“, erklärt Nähr. Verwunderlich eigentlich, dass die Idee noch nicht Berlin erreicht hat, wo das gemeinschaftliche Gärten eine so große Verbreitung findet. Doch, die Idee gebe es schon in der Hauptstadt, versichert Nähr. 2017 soll es so weit sein, dann soll es auch in Berlin mit Green Gym eine weitere Variante der Trimm-Dich-Bewegung geben.

Einen Überblick über alle Trimm-Dich-Pfade und Fitness-Parcours in Berlin und Brandenburg gibt es unter trimm-dich-pfad.com