Bewegen funktioniert seit einigen tausend Jahren gleich. Stets geht es um denselben Vierklang aus Kraft, Ausdauer, Koordination und Dranbleiben. Mit ein wenig Laufen, gelegentlicher Gymnastik und ein paar Liegestützen am Tag wäre viel gewonnen. Leider langweilig. Anstrengend. Unspektakulär. Und überhaupt nicht Facebook-tauglich.
So steht die Studio-Industrie unter hohem semantischen Druck: Wie verkauft man das ewig gleiche Spiel immer wieder neu? Gar nicht so schwer. Ein neuartiger Begriffsbaukasten erleichtert nun das alljährliche Neuerfinden altbekannter Sportarten. Dieser Baukasten besteht aus drei Fächern, deren Begriffe sich wahllos untereinander kombinieren lassen.
1. Das Glaubensbekenntnis: Möglichst englische Adjektive oder Adverbien. Für 2016 geht der Trend, wie jedes Jahr, zum Esoterisch-Weltanschaulichen, etwa shamanic, vegan, tibetan oder traditional. Für Pragmatiker bieten sich Begriffe aus der Bankenreklame an: effective, optimized, functional, intense, dynamic. Auch gut: urban, cool, active, erotic, wild.
2. Der Style: Im zweiten Fach liegen Hauptworte, die einen Stil, einen Ort, die Art und Weise definieren. Street und Cross gehen immer, Retro und Turbo auch, Paläo und Amino sind Klassiker und natürlich Faszien, die derzeitige Trendfaser schlechthin. Geheimtipps: Soul und Selfie.
3. Die Disziplin: Im dritten Fach lagern schließlich Hauptworte die eine ungefähre Disziplin definieren. Da gibt es relativ Konkretes wie Yoga, Running oder Workout, etwas wolkigere Versprechen wie Fit, Tuning oder Stimulation und natürlich die eher bewegungsarmen Disziplinen wie Wellness, Relaxing, Atmen. Und für ein „letics“ findet sich immer noch ein Plätzchen am Ende. Nun setzt man aus den Fächern einfach einen dreiteiligen Begriff zusammen, etwa „Vegan Street Bodyart“ oder „Shamanic Faszien Triletics“. Da ist für jede Fantasie was dabei, womöglich sogar Räucherkerzen und Blackroll. „Erotic Selfie Walking“ etwa wäre als Begriff ein ziemlicher Knaller, in der Realität dagegen wohl eher eine Enttäuschung.
Und, was ist nun 2016 besonders hip? Klare Sache, Trend des Jahres wird Authentic Urban Retro Running. Bei dieser völlig neuartigen Disziplin läuft man ganz ohne Hilfsmittel wie etwa Stöcken oder Getränkegurten durch die Stadt und zwar todesmutig – in den Sportklamotten vom letzten Jahr. Einsteigerkurs? Nicht nötig. Kosten? Null. Völlig abgefahrene Sache, oder?