Was die neue Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, für die Berliner Hochschule plant und wo sie Prioritäten setzt.
Am Mittwochabend hat Sabine Kunst ihr Amt als Präsidentin der Humboldt-Universität angetreten. Während eines Festaktes übernahm sie die Amtskette von Jan-Hendrik Olbertz. Die 61-Jährige war zuvor in Brandenburg Ministerin für Kultur und Wissenschaft. Ein Gespräch über Aufgaben und Ziele.
Berliner Morgenpost: Frau Kunst, an der Humboldt-Universität studieren 33.000 Menschen. Ist das eine gute Größe, hätten Sie gern mehr, oder sind das zu viele?
Sabine Kunst: Das ist das, was die HU zugesagt hat, und damit hat sie ihr Soll mehr als erfüllt. In vielen Fächern ist das auch schon „Oberkante Unterlippe“. Mehr ginge nur mit einem entsprechenden Ausbau der Kapazitäten und der Ressourcen.
Das spiegelt sich in einigen Fächern auch im Betreuungsschlüssel wider. In welchen Fächern ist das Verhältnis von Studenten zu Professoren besonders kritisch?
An der Humboldt-Universität sind, wie an anderen Universitäten, Fächer wie Jura, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften besonders nachgefragt. Dort wird das durchschnittliche Verhältnis von 69 Studierenden pro Professor erheblich überschritten.
Wie lässt sich das ändern?
Nur durch mehr Personal. Für die HU ist es auch besonders wichtig, sich um die Personalentwicklung zu kümmern. Mein Anliegen ist, zumindest die Weichen dafür zu stellen, dass Nachwuchswissenschaftler im universitären System bleiben können. Von den finanziellen Ressourcen wird es abhängen, wie viel wir da schaffen und wie lange es dauert.
Wer könnte für mehr Geld sorgen, das Land Berlin oder der Bund?
Beide. Der Bund will ja in Kürze ein Nachwuchsförderprogramm auflegen. Ob diese Stellen eine langfristige Überlebenschance bieten, wird davon abhängen, ob das Land sie weiterfinanziert, wenn die Bundesfinanzierung ausläuft. Ein zweiter Punkt ist: 2019 läuft der Hochschulpakt aus, der wegen der hohen Nachfrage an Studienplätzen geschlossen wurde. Man muss sich beizeiten darüber Gedanken machen, wie der Bund dann in eine Mitfinanzierung von Ausbildungskapazitäten in den Ländern eintritt.
Unabhängig davon müssen die Hochschulverträge mit dem Senat neu verhandelt werden. Mit welcher Position und mit welchem Ziel gehen Sie in diese Verhandlungen?
Die Finanzen, die die HU braucht, müssen für die nächsten Jahre gesichert werden. Es gibt zudem eine nicht aufgeklärte Differenz zwischen der Finanzierung der Freien Universität und der Humboldt-Universität. Für alle Universitäten gilt: Es müssen die Entwicklungen der vergangenen Jahre analysiert werden, um den Mehrbedarf für die Zukunft festzulegen. Es geht also in den Verhandlungen einerseits darum, die Interessen der Humboldt-Universität zu vertreten, andererseits auch die Interessen aller Universitäten gegenüber dem Land Berlin.
Ist die HU bereit, mehr Lehrer, insbesondere Grundschullehrer, auszubilden?
Wir sind dazu bereit und werden das auch tun. Die Finanzierung ist verabredet. Wir übernehmen in Berlin den Löwenanteil der Grundschullehrerausbildung. Bis zum Wintersemester 2018/2019 werden wir an FU und HU im Vergleich zum Wintersemester 2013/2014 fast eine Vervierfachung der Plätze haben. Der Ausbau erfolgt schrittweise an beiden Universitäten auf insgesamt 570 Plätze.
Möchten Sie künftig mehr Gewicht auf die Lehre legen oder mehr auf die Forschung?
Auf beides. Schon der Name der Humboldt-Universität ist damit verbunden, dass Forschung und Lehre ineinandergreifen wie Schlüssel und Schloss. Wir wollen immer zu lehrendem Forschen und zu forschendem Lernen kommen. Auch dort, wo wir die Lehrkapazitäten deutlich ausbauen, wie etwa bei der Ausbildung von Grundschullehrern, wird Forschung integriert, in dem Fall Bildungsforschung. Das ist eines meiner besonderen Anliegen, den Gleichschritt von Forschung und Lehre hinzubekommen.
Welches Profil möchten Sie der Humboldt-Universität geben?
Die HU ist gut aufgestellt. Was sie von anderen Universitäten unterscheidet, ist, dass sie im historischen Zentrum der Stadt liegt. Sie ist zudem sehr gut ausgewiesen in Geistes-, Sozial- und Altertumswissenschaften. Dafür steht auch Berlins Mitte. Mein Wunsch ist, die Humboldt-Universität in der Mitte Berlins stärker zu betonen, durchaus mit einer gewissen Schaufensterfunktion. Dazu gehört auch, dass wir die Entstehung und Entwicklung von Wissen zum Thema machen und damit künftige Entwicklungen anregen wollen.
Wo könnten und sollten die Berliner Universitäten mehr zusammenarbeiten?
Wenn es darum geht, die Wissenschaftsregion Berlin nach außen zu präsentieren – in Deutschland, aber auch international. Wir sollten den Reichtum der Profile zeigen, aber auch herausstellen, dass Berlin ein Hotspot der Wissenschaften überhaupt ist. Wir können auch zusammenarbeiten, wenn es darum geht, wie man gute Nachwuchswissenschaftler mit Familie nach Berlin bekommt. Selbst wenn das etwa eine Berufung an die TU betrifft, passt der Partner vielleicht an die HU. Kooperationen sind auch bei gemeinsamer Infrastruktur möglich, zum Beispiel bei Investitionen in Digitalisierung.
Wie wird es weitergehen mit der Exzellenzinitiative?
Wir müssen ein zweistufiges Verfahren durchlaufen. Der erste Schritt ist, dass die Universitäten in diesem Herbst neue Anträge für Cluster stellen. Im Erfolgsfall gehen diese dann 2018 in die Förderung. Wenn das abgeschlossen ist, beginnt der Wettbewerb um die Förderung als Exzellenzuniversität durch den Bund.
Mit welchen Clustern geht die HU dabei ins Rennen?
Das wird gerade vorbereitet. Wir knüpfen an jetzige Stärken an. Die Antikenrezeption wird vertreten sein, aber auch die Lebens- und Materialwissenschaften sowie die Bildliche Gestaltung. Da wird es neue Ansätze geben, aber auch eine Kontinuität.
Sie haben angekündigt, bei weniger nachgefragten Studienfächern Studiengänge zusammenzulegen beziehungsweise „in breiter angelegte Studienangebote“ einzubetten. Was heißt das? Ist das nicht nur eine nette Umschreibung für: Da wird etwas gestrichen?
Streichen würde ja bedeuten: Ihr macht jetzt gleich den Laden dicht. So läuft das natürlich nicht. Es geht darum, sich gemeinsam darüber klar zu werden, welche Ansätze nicht wirklich marktgängig sind, wo es auch nur wenige Studierende gibt – vielleicht auch, weil Angebote für Absolventen nicht attraktiv sind. Die Erfahrung zeigt, dass man von sehr speziellen Masterangeboten zu allgemeineren zurückkehrt. Das ist auch im Sinne einer Ausbildung für künftige Arbeitgeber wichtig. Ich sehe darin eine notwendige Nachjustierung, die dann auch beinhaltet, Ausbildungsgänge zu schließen. Das halte ich für notwendig – aber natürlich mit einer gewissen Laufzeit, damit alle Immatrikulierten ihr Studium noch beenden können.
Wo kann das passieren?
Bei Studienangeboten in der Slawistik, der Klassischen Philologie und den Geschichtswissenschaften.
Aber richtet sich so etwas nicht gegen den universitären Anspruch der zweckfreien Bildung? Oder ist ein solcher Gedanke schon völlig überholt?
An dem Gedanken halte ich fest. Aber die Frage ist: Wie kann man ihn in moderne Strukturen einbetten? Die Struktur mit Bachelor- und Master-Studiengängen steht fest, daran wird sich nichts ändern. Es kommt darauf an, in ein strukturiertes Studium auch die Frage der Selbstorientierung wieder zu integrieren. Darum bemüht sich die HU sehr, und das ist auch eines meiner Anliegen.
Welches wird Ihre erste große Aufgabe, die Sie angehen werden?
Die Struktur- und Entwicklungsplanung wird gerade vorbereitet. Und natürlich auch die Exzellenzinitiative. Ich möchte mir aber auch die Verwaltungsabläufe genau anschauen. Wir haben ein Superpotenzial in Forschung und Lehre. Die Verwaltung muss sich mitentwickeln.
Sie kommen jetzt nach etlichen Jahren mit mehreren Aufgaben in Brandenburg nach Berlin. Was ist für Sie Berlin, was bedeutet Ihnen die Stadt?
Immer noch eine Ansammlung von Kiezen und gleichzeitig eine Weltmetropole, in der es eine einzigartige Vielfalt und eine Fülle an Inspiration gibt.
Haben Sie einen Lieblingskiez?
Nein. Ich mag viele und das Unterschiedliche an ihnen.
Gehen Sie mit einem Grundsatz an Ihre Arbeit?
„Gemeinsam Masche um Masche stricken“. Ich bin keine Einzelkämpferin. Eine Institution wie die HU nach vorne zu bringen, das geht nur im Team.
Sie sind auch SPD-Politikerin. Werden Sie sich am Wahlkampf beteiligen?
Nein.