Die angestellten Lehrer Berlins wollen am Donnerstag erneut in den Warnstreik treten. Die Entscheidung dazu fiel nach einem ersten Sondierungsgespräch zwischen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) Ende April. Das Ergebnis dieses Gesprächs steht noch aus.
Die GEW fordert unter anderem eine Angleichung der Einkommen von angestellten und verbeamteten Lehrern. Angestellte Lehrer verdienen in Berlin mehrere Hundert Euro weniger als ihre Beamtenkollegen. Zudem sollen Grundschullehrer genauso viel verdienen wie die Lehrer an Sekundarschulen und Gymnasien.
>>> Alles zum Streik an diesem Donnerstag <<<
Der Streik soll nun offenbar den Druck auf die Verwaltung erhöhen, schnell zu einer Lösung zu kommen. Der letzte Warnstreik fand am 17. März statt, laut Bildungsverwaltung haben sich 3000 Pädagogen an diesem Streik beteiligt. Viele Eltern haben inzwischen nur noch wenig Verständnis für das Vorgehen der angestellten Lehrer. Sie sorgen sich darum, dass zu viel Unterricht ausfällt.
Die Berliner Morgenpost hat drei Berliner Lehrer gefragt, warum sie am Donnerstag streiken werden und wie sie zu dem Vorwurf stehen, der Streik würde auf dem Rücken der Schüler ausgetragen.
Constanze Haas (33), Lehrerin für Englisch, Philosophie, Ethik am Schadow-Gymnasium in Zehlendorf:
„Ich streike für eine tarifrechtliche Eingruppierungsregelung bei der Bezahlung angestellter Lehrer. Die unterschiedliche Bezahlung von verbeamteten und angestellten Pädagogen muss endlich ein Ende haben. Es gibt keine sinnvolle Begründung dafür, dass es so weitergehen muss. Und ich bin der Meinung, dass Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) da sehr wohl genug Spielraum hat, um für Berlin eine entsprechende Regelung zu finden und eine faire Bezahlung der angestellten Lehrer zu gestalten. Die Zulage, die wir Angestellten derzeit bekommen, gibt uns keine Sicherheit. Das kann von- seiten des Senats jederzeit wieder geändert werden.
Bei unserem Streik am Donnerstag handelt es sich um einen Warnstreik. Ein solcher ist erlaubt und kann sehr wohl stattfinden, auch wenn bereits Gespräche geführt worden sind. Ein Warnstreik ist schließlich dazu da, zu zeigen, dass die Gewerkschaft nicht allein dasteht mit ihren Forderungen, sondern dass die Lehrer betroffen sind und Bedürfnisse haben, die sie artikulieren wollen. Wir zeigen mit diesem Streik Präsenz.
Natürlich diskutieren wir Kollegen vor jedem Streik, ob es an diesem oder jenem Tag besser wäre zu streiken, weil ja immer irgendeine Prüfung stattfindet oder eine Klassenarbeit geschrieben werden soll. Wir haben uns den Termin nicht extra deshalb ausgesucht, weil an diesem Tag Prüfungen stattfinden. Aber es ist doch so, dass wir mit unserem Streik auf das Vorgehen des Senats reagieren, der könnte ja etwas ändern an der Situation. So vermittle ich das auch den Eltern. Gegenwärtig bin ich Klassenlehrerin einer neunten Klasse. Ich habe den Eltern einen Brief geschrieben und sie gebeten, uns zu unterstützen. Gute Arbeitsbedingungen für Lehrer sind am Ende im Interesse aller, auch von Eltern und Schülern.
Und für die Schüler gibt es keine bessere Demokratieerziehung als ihnen vorzuleben, dass man sich für seine Rechte einsetzen sollte.“
Josef Grohé (61), Lehrer für Musik und Latein am Gymnasium Tiergarten in Mitte:
„Ich werde streiken, weil völlig unklar ist, ob und wie der Senat auf unsere Forderungen eingehen wird. Es gab zwar ein Gespräch zwischen GEW und Finanzsenator, aber kein konkretes Verhandlungsangebot und keine neue Terminvereinbarung.
Ich möchte den Arbeitgeber dazu bewegen, endlich in Verhandlungen einzutreten. Bisher erhalten die angestellten Lehrer zwar eine Zulage, sie werden bereits bei Berufseintritt nach der Erfahrungsstufe fünf bezahlt. Damit wird ihr Gehalt dem der verbeamteten Kollegen angepasst. Doch diese Zulage kann jederzeit wieder abgeschafft werden.
Um also tatsächlich eine gewisse Gerechtigkeit herzustellen, ist es nötig, die Zulage zu verstetigen. Meiner Meinung nach ist der Senat dazu verpflichtet. Berlin verbeamtet seine Lehrer seit Jahren nicht mehr. Das ist richtig so, darf aber nicht als Sparmaßnahme dienen. Es kann nicht sein, dass der Arbeitgeber diese Zulage nach Gutsherrenart gewähren oder wieder abschaffen kann.
Natürlich gibt es Lehrer, die gern in Berlin unterrichten wollen, weil sie gern in dieser Stadt leben wollen. Aber ich habe an meiner Schule erlebt, dass einige dann auch wieder gegangen sind, als sie realisiert haben, dass angestellte Lehrer hier schlechter- gestellt sind als die verbeamteten. Ich bilde auch Referendare aus und bekomme mit, dass die mit den besten Examen die Stadt verlassen, weil sie in anderen Bundesländern wie etwa Hamburg deutlich besser bezahlt werden. Zuständige Politiker unterstellen uns gern, dass wir unseren Arbeitskampf auf dem Rücken der Schüler führen. Das ist ein undemokratisches Scheinargument. Es ist wichtig, dass wir unsere Rechte wahrnehmen. Und es ist auch gut, dass die Schüler das miterleben. Angestellte Lehrer dürfen nun einmal streiken. Die am Donnerstag stattfindenden Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss sind vom Streik nicht betroffen, weil verbeamtete Kollegen die Prüfungsaufsicht übernehmen können.“
Florian Bublys (38), Lehrer für Politik und Biologie am Gymnasium Tiergarten in Mitte:
„Ich werde streiken, weil ich meiner Fassungslosigkeit über das schulpolitische Versagen von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Ausdruck verleihen will. Der Verein Bildet Berlin, dem ich angehöre, hat bereits 2012 bei Amtsantritt von Sandra Scheeres die Gleichstellung angestellter Lehrer gefordert. Seitdem ist nichts passiert.
Was wir stattdessen aber feststellen müssen ist, dass in allen Bereichen der Bildung Flickschusterei betrieben wird. So fehlen an den Grundschulen sehr viele ausgebildete Lehrer. Deshalb müssen immer mehr Quereinsteiger eingestellt werden. Ein Teil von denen ist aber gar nicht für diesen Beruf geeignet. Darunter leidet natürlich die Qualität des Unterrichts. Ein anderes Problem sind die maroden Schulen. Der Sanierungsbedarf ist gewaltig. Mein Fazit: Berlin braucht dringend eine Qualitätsoffensive in der Bildung. Der Streik ist für mich deshalb ein Aufschrei, der bewusst machen soll, was an den Schulen alles schiefläuft.
Die Lehrer müssen entlastet werden. Sie sind ja nicht nur für den Unterricht verantwortlich, sondern müssen sich um viele organisatorische Dinge kümmern, mit großem bürokratischem Aufwand. Eine Stundenreduzierung ist nötig sowie eine Vertretungsreserve an jeder Schule. In der Bildungsverwaltung heißt es dazu aber, dass nicht genug Lehrer da sind, um diese Dinge umzusetzen. Das stimmt nicht. Fast die Hälfte aller Berliner Lehrer arbeitet nicht voll. Der Grund dafür ist einfach: Sie schaffen es nicht. Die Arbeitsbedingungen sind so schlecht, dass sie ihren Qualitätsansprüchen nicht mehr gerecht werden könnten, wenn sie voll arbeiten würden. Würde sich das ändern, stünde den Berliner Schulen deutlich mehr Personal zur Verfügung.
Mir ist bewusst, dass sehr kontrovers darüber diskutiert wird, dass die Lehrer wieder streiken wollen. Doch den Anspruch, tarifvertraglich bezahlt zu werden, müssen wir stellen können. Das sehen übrigens auch viele Eltern so.“