Drogenbericht

In Berlin kiffen besonders viele Jugendliche

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Annette Kuhn

Berliner Schüler rauchen und trinken weniger, konsumieren aber häufiger Cannabis. Eine neue Studie analysiert den Drogenkonsum.

Alkohol ist eher uncool, der Joint dagegen ziemlich angesagt. Das ist zumindest die Sichtweise vieler Berliner Jugendlicher, wie aus einer neuen Studie hervorgeht. Im Rahmen einer Präventionsveranstaltung wurden dafür 1436 Schüler der siebten bis zwölften Klasse von acht Schulen aus den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Steglitz-Zehlendorf befragt. Der Fokus richtete sich dabei vor allem auf Alkohol, Tabak und Cannabis. Dabei zeigt sich, dass in Berlin der Anteil der Cannabis-Konsumenten deutlich höher liegt als anderswo. Während in Berlin nach der neuen Studie 18,4 Prozent der Befragten schon mal Cannabis konsumiert haben, sind es nach der Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2015 bundesweit nur knapp zehn Prozent.

Am meisten verbreitet ist dennoch Alkohol. Fast jeder zweite Jugendliche hat bereits Erfahrungen mit Alkohol, allerdings nur drei Prozent sprechen von einem regelmäßigen Konsum, ein Prozent trinkt demnach täglich, zwei Prozent mehrmals in der Woche. 14 Prozent nahmen Alkohol mehrmals im Monat zu sich, 23 Prozent einmal im Monat oder seltener. Schon zehn Prozent der Zwölfjährigen haben zumindest schon Alkohol probiert, bei den 13-Jährigen ist es bereits jeder Fünfte. Das erste Mal findet dabei meist im familiären Umfeld statt.

Zum Tabakkonsum bekannten sich mit 29 Prozent zwar weniger Jugendliche als zum Alkohol, allerdings ist der Anteil der regelmäßigen Konsumenten mit elf Prozent deutlich höher als beim Alkohol. Demnach greifen acht Prozent täglich zur Zigarette, und drei Prozent mehrmals in der Woche. Geschlechterunterschiede gibt es dabei offenbar nicht. Allerdings spielt die Schulart eine entscheidende Rolle: an Gymnasien wird weniger geraucht als an Sekundarschulen, so das Ergebnis der Umfrage.

Der Konsum von Alkohol steigt bei den 14-Jährigen sprunghaft an

Erste Drogenerfahrungen lassen sich zum Teil schon mit zwölf Jahren ausmachen, so das Ergebnis der Studie. Während beim Tabak zwischen zwölf und 17 Jahren ein langsamer, aber gleichmäßiger Anstieg der Konsumenten zu verzeichnen ist, ist beim Alkohol mit 14 Jahren ein Sprung nach oben zu beobachten, oft beginnt in diesem Alter die Partyzeit. Bei Cannabis steigt die Zahl derjenigen des Probierens mit 16 Jahren deutlich an.

Cannabis nimmt Platz drei auf der Drogenliste ein. 18 Prozent gaben bei der Umfrage an, damit Erfahrung zu haben, drei Prozent bekannten sich dazu, regelmäßig einen Joint zu rauchen. Alkohol und Cannabis sind bei den regelmäßigen Konsumenten also gleich auf und deutlich hinter dem Tabak. Allerdings ist Cannabis die am meisten „angesagte“ Droge. 646 Befragte sahen das so, allerdings nur 245 der Befragten hatten sie bereits konsumiert. Bei Alkohol ist das Bild umgekehrt: 610 Jugendliche hatten zwar schon mit Alkohol Erfahrungen, aber nur 339 gaben ihm das Attribut „angesagt“.

Das Image als Partystadt lässt viele lockerer mit Drogen umgehen

Dass Cannabis bei vielen so positiv besetzt ist und der Konsum entsprechend hoch, hängt für Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin, mit einem Mix an Ursachen zusammen: Zum einen gebe es hier – auch bei vielen Eltern – einen lockereren Umgang mit Drogen, der noch aus Zeiten rühre, als Berlin Mauerstadt war. Zum anderen habe Berlin einen großen Anteil an Menschen aus südlichen Ländern, die Cannabis nicht immer als Droge sehen würden. Und auch das Image als Partystadt spiele eine wesentliche Rolle.

Durch die Verharmlosung sei die Zahl der jungen Konsumenten sehr hoch. Nach einer Untersuchung der Präventionsstelle liege der Anteil der jungen Berliner ab 16 Jahren, die täglich Cannabis konsumieren, sogar bei 13 Prozent. Auffällig sei, so Kerstin Jüngling, dass in Berlin später als in anderen Bundesländern eingegriffen wird und die Betroffenen Beratungsangebote annehmen.

Daher macht sie sich für mehr Prävention stark. „Projekttage zu dem Thema sollten regelhaft in Schulen eingeführt werden“, schlägt die Suchtberaterin vor und auch Eltern sollten dabei stärker miteinbezogen werden. Schließlich sei Leistungsdruck, der oft von der Familie ausgehe, eine wesentliche Ursache für den Drogenkonsum, haben Untersuchungen der Präventionsstelle gezeigt. „Jetzt spielen sich Schulen und Eltern den schwarzen Peter oft hin und her“, hat Jüngling beobachtet. Wichtig ist aus ihrer Sicht bei der Prävention das offene Gespräch, Abschreckung würde hingegen wenig bringen. „Die Jugendlichen müssen das Thema mit ihrem eigenen Leben in Verbindung bringen“, lautet ihre Überzeugung.

Im Biounterricht geht es regelmäßig auch um Drogen

Auch am Lessing-Gymnasium in Wedding ist Drogen- und Alkoholmissbrauch ein Thema im Unterricht. „Wie jede Berliner Oberschule haben auch wir einen Drogenbeauftragten“, sagt Michael Wüstenberg, Schulleiter des Lessing-Gymnasiums in Wedding. Das sei ein Lehrer, der eine spezielle Ausbildung in Suchtprophylaxe habe und für einige Stunden pro Woche dafür frei gestellt werde. „Aber auch in allen anderen Unterrichtsstunden, vor allem in Ethik und Biologie sind Drogen ein Thema.“

Unterschiede zwischen den Bezirken wurden in der Studie nicht analysiert, dafür sei die Studie nicht repräsentativ genug, heißt es. Allerdings gibt es teilweise Geschlechterunterschiede. Zur Zigarette greifen demnach Jungen und Mädchen gleichermaßen, beim gelegentlichen Alkoholkonsum sieht es ähnlich aus. Nur bei den drei Prozent, die regelmäßig trinken, ist der Anteil der Jungen höher. Ein ähnliches Bild gibt es bei Cannabis, auch dort ist der Anteil der regelmäßigen Konsumenten bei Jungen höher als bei Mädchen.

Der Drogenkonsum ist auch ein Wohlstandsproblem

Der Drogenkonsum hängt offenbar auch vom sozialen und kulturellen Hintergrund ab. Schulleiter Wüstenberg weist darauf hin, dass die Zusammensetzung der Schülerschaft eine große Rolle spielt. Seine These: Schulen, an denen mehr als 50 Prozent muslimische Schüler lernen – das Lessing-Gymnasium gehört dazu – haben weniger Probleme mit Drogen, vor allem mit Alkohol, als andere Schulen. „Bei den muslimischen Schülern an unserer Schule sind Alkohol und Drogen überhaupt verpönt“, sagt Wüstenberg. Die älteren Schüler würden auf die jüngeren aufpassen und dafür sorgen, dass sie weder Drogen noch Alkohol konsumieren. „Zumindest in der Schule findet das nicht statt.“ Auch Schulpartys würden ohne Alkohol ablaufen.

An den Wochenenden und auf Partys außerhalb der Schule sind Alkohol und auch Cannabis allerdings vielerorts selbstverständlich. Das gaben auch die befragten Schüler in der Studie zu. Eine Mutter aus Charlottenburg, deren beide Kinder Gymnasien im Bezirk besuchen, sieht im Drogenkonsum auch ein Wohlstandsproblem. Ihren Namen will sie nicht nennen, aber dafür spricht sie offen über ihre Erfahrung: „Das Drogenproblem ist an fast allen Gymnasien in den reicheren Gegenden in Charlottenburg, Wilmersdorf oder Zehlendorf ähnlich groß.

In einem Jahr heißt es, hier ist es besonders schlimm, im nächsten Jahr ist dann eine andere Schule der Buhmann.“ Viele Eltern würden auch mit dem Cannabis-Konsum ihrer Kinder sehr locker umgehen, weil sie selbst gelegentlich einen Joint rauchen: „Wie soll sich da etwas ändern?“

( Mitarbeit Regina Köhler )