Berlin. Berliner Betriebe suchen händeringend qualifizierten Nachwuchs. Sie wetteifern um den Titel des besten Ausbildungsbetriebes.

„Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, qualifizierte Bewerber zu finden“, sagt Jochen Gierer. Damit meint der Geschäftsführer des Berliner IT-Unternehmens Arktis GmbH nicht nur gute Noten er Schulabgänger in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Er meint auch Eigeninitiative, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bewerber. Arkis gehört zu Berlins besten Ausbildungsbetrieben des Jahres 2015 und wurde dafür von der Industrie- und Handelskammer (IHK) ausgezeichnet. In diesen Tagen ist eine neue Runde dieses Wettbewerbs gestartet. Auch Arktis ist wieder im Rennen.

Jochen Gierer, der insgesamt 85 Mitarbeiter beschäftigt, bildet zur Zeit 18 junge Leute aus. Seit Jahren liegt die Ausbildungsquote des Unternehmens mit zehn bis 15 Prozent weit über dem bundesweiten Durchschnitt. „Wir bilden für unseren eigenen Bedarf aus“, sagt Gierer. Ein Großteil der Auszubildenden wird nach erfolgreicher Ausbildung vom Unternehmen übernommen und findet so seinen Weg ins Berufsleben. Jeder dritte Mitarbeiter der Firma hat bei Arktis gelernt.

Lernen wie die Firma tickt

Die Größe des Unternehmens bringt es mit sich, dass die jungen Leute schon früh in die Teams eingebunden werden und nicht auf der Spielwiese einer Lehrwerkstatt ins Berufsleben geführt werden. „Dadurch lernen sie schon in ihrer Ausbildung, wie die Firma tickt“, sagt der Unternehmenschef. Diese Verantwortung stellt hohe Anforderungen: fachliche allemal, aber auch perönliche und soziale. Denn auf den Baustellen oder bei Installationsaufträgen in Unternehmen sind auch die Auszubildenden Ansprechpartner und damit Repräsentanten des Unternehmens.

Arktis ist ein typisches Unternehmen des Mittelstandes, das bei der digitalen Transformation erfolgreich war: 1988 gegründet, hat das Unternehmen zunächst Telefonanlagen installiert. Inzwischen hat sich die Firma zu einem der nach eigenen Angaben größten Systemhäuser für IT-Netzwerke in Berlin und Brandenburg entwickelt. Arktis ist an sechs Standorten in Deutschland tätig und hat im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 13 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen bildet in Berlin in drei kaufmännischen und drei technischen Berufen aus: unter anderem Fachinformatiker (Systemintegration), IT-Systemelektroniker, Kaufleute für Büromanagement und Fachkräfte für Lagerlogistik.

Neue Wege beim Recruiting

Die technologische Entwicklung fordert den Auszubildenden immer mehr ab. Für Absolventen mit Mittelstufenabschluss wird es immer schwieriger, die gestellten Anforderungen zu erfüllen und sich im Wettbewerb mit Abiturienten zu behaupten. „Deshalb müssen wir zunehmend andere Wege gehen“, sagt Gierer. Er will nun zum ersten Mal auch eine Duale Ausbildung in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin anbieten und Stellen für zwei Wirtschaftsinformatiker schaffen. Er hat auch gute Erfahrungen mit Studienabbrechern gemacht, die lieber etwas Handfestes machen wollen als eine Hochschulausbildung zu absolvieren.

Der „Akademisierungwahn“ macht vielen jungen Menschen zu schaffen, wie die Personalreferentin Daniela Nicolai zu berichten weiß. „Viele werden ins Studium getrieben“, bedauert sie. Eltern und Freunde erwarten das, auch wenn oft die Voraussetzungen nicht reichen. „Auch die Schwelle zur Hochschulreife ist niedriger geworden“, sagt sie. Und wer auf eine Besserung der Noten durch den Wechsel der Lernumgebung hofft, wird in der Regel enttäuscht. Mit einer Vier in Mathe sind Probleme beim Informatikstudium bereits im Grundstudium der Universität programmiert. So steigt die Zahler Abbrecher: Im Bundesdurchschnitt verlassen etwa 30 Prozent der Studierenden aus Bachelor-Studiengängen die Hochschule ohne Abschluss.

Studienabbrecher sind gefragt

Bisweilen sind es auch die Lebensumstände, die junge Menschen von der Universität in die Arbeitswelt treiben. Manchen wird der Weg zu lang, vor allem wenn sich ihr Studium in die Länge zieht, weil sie es mit Nebenjobs finanzieren müssen. Sie wollen endlich Geld verdienen, etwas Praktisches tun und die Theorie hinter sich lassen.

Die Folge sind Studienabbrecher, die nach einigen Semestern in den Arbeitsmarkt drängen und damit in eine andere Welt. „Sie tun sich schwer. Viele haben noch nie eine Baustelle gesehen“, sagt Daniela Nicolai. Doch das ist nicht die einzige neue Umgebung: Die Umsteiger kommen aus der Universität und müssen jede Woche zwei Tage ins Oberstufenzentrum. Dort sitzen sie dann mitunter neben 16-Jährigen mit Mittelstufenabschluss, der Lehrstoff ist für die Ex-Studenten in der Regel keine große Herausforderung. Immerhin gibt es die Möglichkeit von Schnellläuferklassen, in denen eine Berufsausbildung bei entsprechender Qualifikation in 18 Monaten abgeschlossen werden kann.

Eine handwerliche, gewerbliche oder industrielle Ausbildung ist kein schlechter Start in eine aussichtsreiche berufliche Zukunft. Darin ist sich auch Boerge Grunicke sicher, einer der 18 Arktis-Azubis.